Mode ist mehr als Rüschen und Bügelfalte
Die Ausstellung „Fashion?! Was Mode zu Mode macht“im Landesmuseum Württemberg
STUTTGART - Am Geld wird es nicht gelegen haben. Schließlich hat es Steve Jobs, der Mitbegründer von Apple, zum Milliardär gebracht. Seine Birkenstock-Schlappen scheint er trotzdem geliebt zu haben – was man ihnen deutlich ansieht. Nun stehen die abgetragenen Latschen im Landesmuseum Württemberg und beweisen, dass sogar im Silicon Valley Gesundheitsschuhe Made in Germany getragen werden.
Bekleidung ist heute weit gereist. Ein schlichtes T-Shirt hat in der Regel 30 000 Kilometer hinter sich, wenn es in Deutschland in den Laden kommt. Und da es im Durchschnitt nur 163 Mal getragen wird, ist der ökologische Fußabdruck gewaltig, den so ein Stück Stoff in der Welt hinterlässt. Eine von vielen Facetten rund um das Thema Kleidung, die die Große Landesausstellung „Fashion?! Was Mode zu Mode macht“im Alten Schloss in Stuttgart ins Visier nimmt. Das Landesmuseum Württemberg stellt auf höchst anregende Art Weise die verschiedenen Aspekte der Kleidung vor, vom glitzernden Zirkus auf dem Catwalk über Modefotografie bis hin zu Stil-Ikonen und Influencerinnen.
Die Ausstellung spannt den Bogen von den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart, schreitet die Entwicklungen aber nicht lehrbuchhaft ab, sondern hat die thematischen Kapitel mit viel Glamour inszeniert und sich bemüht, das Publikum auf vielerlei Weise einzubinden und anzuregen. So werden die Besucher zum Beispiel um ihre Meinung gebeten, wie sie sich über Mode informieren, wie sie einkaufen, was sie inspiriert. Im Lauf der Wochen wird sich anhand der Aufkleber zu den jeweiligen Positionen ein Stimmungsbild ablesen lassen, wie die Bevölkerung in Sachen Kleidung tickt.
Mode geht uns alle an, das ist die Botschaft dieser Ausstellung, die sich keineswegs um Rüschen und Bügelfalten dreht, um Hosenschnitte und Krawattenbreite, sondern die mitten im Alltag ansetzt und bewusst macht, wie groß die gesellschaftliche Tragweite des Themas ist – selbst wenn einer immer nur das trägt, was im Schrank oben liegt. Ob es Statements aus der Bevölkerung sind, die zitiert werden, ob es ein Kleid von Sisi ist oder teure Designermode – es wird auf vielerlei Weise erzählt, wie Kleidung gesellschaftliche Normen untermauern kann und wie sie manchmal auch Kategorien sprengt. So ist das imposante Kleid zu sehen, mit dem Conchita Wurst, die Diva mit Vollbart den European Song Contest 2015 moderierte und weltweit für Schlagzeilen sorgte. Auch als zum ersten Mal ein Model mit Kopftuch auf den Laufsteg ging, war das weniger ein modisches als ein politisches Statement.
Auch wenn Mode ein internationales System ist, schlägt die Ausstellung immer wieder Bögen in die Region und stellt Projekte vom Vintage-Markt oder Kleidertauschpartys vor, erinnert an die Esslinger Modefotografin Walde Huth oder das Stuttgarter Unternehmen Bleyle, das einst der größte Hersteller von „Strick- und Wirkware“war. So spricht diese Ausstellung ganz unterschiedliche Interessen an, beleuchtet hier den globalen Markt, dort ökologische Fragen. Der eine wird die Lederjacke von Arnold Schwarzenegger aus „Terminator 2“bewundern, der andere sich eher für die veganen Sneakers aus Naturkautschuk interessieren. Wer mag, kann sich auf einem Catwalk sogar in Stimmung bringen lassen beim „Voguing“. Bei dem Tanzstil, den die New Yorker Schwulenszene in den Achtzigerjahren entwickelte, wurden Models aus der Vogue kopiert.
Nur Anfassen ist in Zeiten von Corona leider verboten, dabei würde man schon gern wissen, wie sich der Stoff aus recycelten PET-Flaschen anfühlt oder der Vorhang aus Sojabohnen. Ein Grund mehr, sich vielleicht doch mal Kleidung aus umweltfreundlichen Materialien zu kaufen – anstelle weit gereister Chemiecocktails.
„Fashion?! Was Mode zu Mode macht.“Ausstellung bis 25. April im Landesmuseum Württemberg im Alten Schloss in Stuttgart, geöffnet Di, Mi 10 bis 17 Uhr, Do 10 bis 21 Uhr, Fr bis So, Feiertage 10 bis 18 Uhr, Mo geschlossen, außer an Feiertagen. Es wird um eine Online-Reservierung für ein bestimmtes Zeitfenster gebeten.