Die Carderie hat es Candor angetan
Die Wangener Biotech-Firma will 2022 vom Atzenberg aufs Erba-Areal umziehen – Welche Pläne das Unternehmen dort hat
WANGEN (bee) - Seit 2010 ist die Candor Bioscience GmbH im Wangener Gewerbegebiet Atzenberg ansässig. Nun will das erfolgreiche Biotechnologie-Unternehmen expandieren und in anderthalb Jahren mit dem Umzug ins frühere Carderie-Gebäude auf dem Erba-Areal den nächsten, großen Schritt machen.
Die Geschichte von Candor und Wangen begann schon vor über einem Jahrzehnt. Die beiden Geschäftsführer Tobias Polifke und Peter Rauch suchten in der Region händeringend nach größeren Räumlichkeiten für ihr Unternehmen, nachdem der Platz im damaligen Firmensitz in Weißensberg immer enger wurde. Den Weg nach Wangen ebnete schließlich der städtische Wirtschaftsförderer Holger Sonntag, der die beiden Geschäftsführer auf eine frei werdende Immobilie im Gewerbegebiet Atzenberg hinwies. „Es war der richtige Tipp zur richtigen Zeit“, erinnert sich Polifke.
Das Gebäude, in welches das Biotech-Unternehmen vor zehn Jahren einzog, war anfangs der Sitz von „Rakattl“gewesen, einer Firma für BioTextilien, die der mittlerweile verstorbene Wangener WaldorfschulMitbegründer Ulrich Rösch mit seiner Frau Cornelia ins Leben gerufen hatte und wo er mit seiner Familie auch rund 15 Jahre wohnte. Auf insgesamt etwa 600 Quadratmeter Fläche brachte Candor dort seine Entwicklungsabteilung, die Produktion, Vertrieb und die Verwaltung unter. Doch auch dafür reicht der Platz seit Längerem nicht mehr aus, ein Außenlager wurde bereits angemietet, und Expansionsmöglichkeiten gibt es an dem Standort nicht. „Auch den neuesten technischen Anforderungen, beispielsweise bei den Reinräumen, genügt das Gebäude nicht mehr“, sagt Tobias Polifke.
Also sollte etwas Neues her, und der erste Gedanke des Geschäftsführers ging tatsächlich in Richtung Neubau. Doch Gewerbeflächen sind in Wangen rar, und welche mit 5000 Quadratmetern erst recht. Als Alternative versuchten Sonntag und OB Michael Lang dem Unternehmen die frühere Carderie auf dem Erba-Areal schmackhaft zu machen. Zuletzt war das Gebäude als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt worden und sollte danach ursprünglich komplett abgerissen werden. Bei einem Besichtigungstermin
waren Polifke und Co. jedoch von den Räumlichkeiten äußerst angetan: „Wir suchten etwas Stadtnahes, Ruhiges, mit einer guten Infrastruktur im Umfeld. Die Lage ist traumhaft, und das Gebäude hat einen gewissen individuellen Charme.“Das war vor gut zwei Jahren.
Seitdem reifen die Pläne, das Gebäude grundlegend zu sanieren und für eine gewerbliche Nutzung auf Vordermann zu bringen. Als größtes Problem dabei entpuppten sich die Altlasten, vor allem mit Asbest. „Wir haben jetzt mit der Stadt eine kooperative Lösung für die Beseitigung der
Altlasten gefunden, aber das hat – neben der technischen Gebäudeplanung – eine Zeit gedauert“, so der Geschäftsführer. Weil Candor hier nun ebenfalls einen Beitrag leiste, sei das Verfahren beschleunigt worden. Im September wurde der Kaufvertrag unterschrieben, gleich danach das Baugesuch eingereicht.
Von den 3200 Quadratmetern Gewerbefläche in der zweigeschossigen Carderie wird Candor im westlichen Teil Richtung Alte Spinnerei nur 1800 Quadratmeter selbst nutzen. 500 Quadratmeter im ersten Stock seien für einen Mieter bereits reserviert, 300 Quadratmeter oben und 600 Quadratmeter im Erdgeschoss noch zu vergeben. Die noch freien Flächen liegen auf der Ostseite in Richtung Platz der Jugend. Dort soll eine geöffnete und teilweise verglaste Fassade den Blick auf die Tragwerksstruktur des Gebäudes für Passanten ermöglichen. „Damit kann auch dieser Teil des Denkmal-Ensembles wirklich der Information dienen und Verständnis für die dahinterstehende damalige Konstruktionsweise geben“, sagt Polifke.
Das gesamte Gebäude soll umfassend saniert werden, bei Brandschutz, Technik und Gebäudehülle. Auch bei der Nachhaltigkeit will die Candor Bioscience GmbH auf dem Erba-Areal Zeichen setzen. Schon jetzt wirbt das Unternehmen mit einer CO2-neutralen Produktion, die durch Öko-Strom, Photovoltaik und Energieeffizienz in allen Bereichen erreicht werde. Laut Polifke wird bei der Carderie der Effizienz-Standard KfW 70 erreicht werden, unter anderem durch Dämmung, LED-Beleuchtung und viele kleinere Maßnahmen. Auch eine Fahrradgarage für die Beschäftigten soll parallel zum Kanal gebaut werden.
Die ersten Arbeiten hierfür sollen bereits Ende 2020 starten. Den Einzug der anderen Nutzer plant Candor ab April 2022, das Unternehmen selbst wird nach der Zertifizierung der neuen Produktionseinrichtung vermutlich erst drei Monate später dort produzieren können. Ungefähr zeitgleich mit der AVL SET GmbH, die ebenfalls ihren Firmensitz in die Erba verlagert. Und so könnten dort in zwei Jahren zwei technologische Weltmarktführer – der eine im Bereich Biotechnologie, der andere bei der Leistungselektronik in der E-Mobilität – in Wangen künftige Nachbarn sein.