Von Preistreibern Getriebene
Handwerker im Landkreis wünschen sich Verständnis und Solidarität für gestiegene Baukosten
- Die Baupreise steigen seit Monaten explosionsartig. In der öffentlichen Wahrnehmung werden Bauunternehmer und Handwerker oft dafür verantwortlich gemacht. Die Bau-innung Ravensburg, der Zusammenschluss „Handwerk Pro Ravensburg“und Vertreter der Holzindustrie sprechen über die Hintergründe, schildern die Situation im Landkreis und wünschen sich Verständnis und Solidarität.
„Nicht wir Bauunternehmer sind die Preistreiber, sondern die Preistreiberei treibt uns vor sich her, und wir sind völlig machtlos“, konstatiert Otto Birk, Obermeister der Bau-innung Ravensburg in einer Pressemitteilung der Kreishandwerkerschaft Ravensburg. Die Rohbauer stünden massiv unter Druck, da sie Aufträge derzeit nicht fristgerecht abwickeln könnten. „Statt öffentlich als Sündenbock hingestellt zu werden, wünschen wir uns Verständnis und Solidarität“, appelliert der Bauunternehmer. Denn Verzögerungen und Verteuerungen seien die Folge von hohen Lieferpreisen und Materialknappheit. Wichtige Baustoffe wie Holz, Stahl, Dämmstoffe und Kgrohre seien kaum mehr zu bekommen, Tendenz steigend. So könne man weder Fristen einhalten noch kalkulieren.
Drei Vertreter von „Handwerk Pro Ravensburg“– einem Zusammenschluss von 17 Handwerksbetrieben, schildern im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“die vertrackte Situation an Beispielen ihrer täglichen Arbeit. Markus Kuschel, Geschäftsführer bei Holzbau Schuster: „Die Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung zwingen uns, große eigene Zwischenlager einzurichten.“Um die Aufträge für das nächste halbe Jahr einigermaßen geordnet abarbeiten zu können, hat er das Gesamtmaterial
für die nächsten vier Monate auf dem Hof stehen. „Das bindet zusätzlich Arbeitskräfte, Geld und Zeit, um die Arbeitsvorbereitungen zu händeln.“
Kuschel schildert ein weiteres Beispiel: „Normalerweise bekommen wir bestelltes Holzmaterial innerhalb von maximal zwei Wochen. Jetzt dauert es 12 bis 16 Wochen.“Und ergänzt weiter: „Die ganze Bestellung geht ohne Preis vonstatten, den bekommen wir frühestens nach acht Wochen mitgeteilt.“
Florian Burk, Geschäftsführer der Firmengruppe Burk: „So etwas haben wir noch nie erlebt.“Er berichtet auch von künstlicher Verknappung. Im Stahlbereich zum Beispiel gebe es zwei große Player, die die Situation ausnutzten, um höhere Preise zu generieren. Burk spricht noch einen weiteren Aspekt an: „Wenn sich der Markt irgendwann nivelliert und die Preise wieder etwas fallen, dann haben viele Betriebe durch ihre vorsichtige Vorratshaltung Material zu teuer eingekauft.“Der Ravensburger Architekt Frieder Wurm verweist auf die schwierige Lage bei den Kommunen. Die Unkalkulierbarkeit bei den Materialpreisen erschwert hier die Zusammenarbeit. Ebenso Franz Moosherr, Geschäftsführer der Kreishandwer-kerschaft Ravensburg: „Kein Betrieb kann seriös planen, wenn die neuen Kosten zum Zeitpunkt der Materialbestellung die Preise der früheren Angebotserstellung bei Weitem übertreffen“, mahnt der Jurist. Er plädiert für eine Novellierung der Vergabeverordnung, in der durch die Wiedereinführung der Stoffpreisgleitklausel den Baubetrieben die Möglichkeit gegeben wird, die Materialpreissteigerung rechtssicher geltend zu machen.
Frieder Wurm zeigt noch eine weitere Problematik auf: „Für die Kommunen wird es schwer werden, unter diesen Umständen preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Das wird eine große gesellschaftspolitische Herausforderung.“
Bei manchen Ravensburger Bauhandwerkern geht jetzt die Angst um. Bei Kreishandwerkerschaft und Bau-innung kommen immer mehr Hilferufe an, der Beratungsbedarf sei so groß wie noch nie, stellt Franz Moosherr, fest. „Die Kraftakte werden immer gewaltiger, und der Optimismus schrumpft von Tag zu Tag.“
Hilfreich in dieser Situation ist es, dass die vielen Beteiligten am Bau gut vernetzt sind. Man kennt sich und zeigt Verständnis. Wurm: „Unser Vorteil ist, dass wir miteinander reden können.“Markus Kuschel ergänzt: „Wir versuchen, jedem Wunsch nachzukommen.“
Aus der Vogelperspektive, über den Tellerrand hinaus, bewertet Oliver Broszeit, Geschäftsführer der Broszeit Group, die angespannte Situation. Sein Unternehmen ist international im Holzfachhandel und in der verarbeitenden Holzindustrie tätig. Broszeit: „Es läuft vielfach aus dem Ruder. So lag zum Beispiel der Großhandelspreis für Dachlatten vor einem Jahr bei circa 400 Euro pro Kubikmeter. Heute sind wir bei 1 200 Euro. Tendenz steigend.“Die Lager im Großhandel sind leer. „Jeder Händler lebt von der Hand in den Mund.“
Ohne Neuaufträge würde es bis zu einem Jahr dauern, um die Lager wieder zu füllen. Er hat auch einen Vorschlag zur Minderung der Krise: „Jetzt ist die ganz große Politik gefragt. Meiner Meinung nach müsste die EU einen Exportstopp verhängen.“Und sein Tipp an Handwerk und Handel, um die nächste Zeit gut über die Runden zu kommen: „Billig und günstig geht nicht mehr. Handwerk und Handel müssen mehr miteinander kommunizieren und zum Beispiel mit Gesamtabnahmekonzepten agieren.“Und an diejenigen gerichtet, die in nächster Zukunft neu bauen wollen. „Ich würde definitiv noch abwarten.“