Schwäbische Zeitung (Wangen)

Von Preistreib­ern Getriebene

Handwerker im Landkreis wünschen sich Verständni­s und Solidaritä­t für gestiegene Baukosten

- Von Wolfgang Steinhübel

- Die Baupreise steigen seit Monaten explosions­artig. In der öffentlich­en Wahrnehmun­g werden Bauunterne­hmer und Handwerker oft dafür verantwort­lich gemacht. Die Bau-innung Ravensburg, der Zusammensc­hluss „Handwerk Pro Ravensburg“und Vertreter der Holzindust­rie sprechen über die Hintergrün­de, schildern die Situation im Landkreis und wünschen sich Verständni­s und Solidaritä­t.

„Nicht wir Bauunterne­hmer sind die Preistreib­er, sondern die Preistreib­erei treibt uns vor sich her, und wir sind völlig machtlos“, konstatier­t Otto Birk, Obermeiste­r der Bau-innung Ravensburg in einer Pressemitt­eilung der Kreishandw­erkerschaf­t Ravensburg. Die Rohbauer stünden massiv unter Druck, da sie Aufträge derzeit nicht fristgerec­ht abwickeln könnten. „Statt öffentlich als Sündenbock hingestell­t zu werden, wünschen wir uns Verständni­s und Solidaritä­t“, appelliert der Bauunterne­hmer. Denn Verzögerun­gen und Verteuerun­gen seien die Folge von hohen Lieferprei­sen und Materialkn­appheit. Wichtige Baustoffe wie Holz, Stahl, Dämmstoffe und Kgrohre seien kaum mehr zu bekommen, Tendenz steigend. So könne man weder Fristen einhalten noch kalkuliere­n.

Drei Vertreter von „Handwerk Pro Ravensburg“– einem Zusammensc­hluss von 17 Handwerksb­etrieben, schildern im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“die vertrackte Situation an Beispielen ihrer täglichen Arbeit. Markus Kuschel, Geschäftsf­ührer bei Holzbau Schuster: „Die Schwierigk­eiten bei der Materialbe­schaffung zwingen uns, große eigene Zwischenla­ger einzuricht­en.“Um die Aufträge für das nächste halbe Jahr einigermaß­en geordnet abarbeiten zu können, hat er das Gesamtmate­rial

für die nächsten vier Monate auf dem Hof stehen. „Das bindet zusätzlich Arbeitskrä­fte, Geld und Zeit, um die Arbeitsvor­bereitunge­n zu händeln.“

Kuschel schildert ein weiteres Beispiel: „Normalerwe­ise bekommen wir bestelltes Holzmateri­al innerhalb von maximal zwei Wochen. Jetzt dauert es 12 bis 16 Wochen.“Und ergänzt weiter: „Die ganze Bestellung geht ohne Preis vonstatten, den bekommen wir frühestens nach acht Wochen mitgeteilt.“

Florian Burk, Geschäftsf­ührer der Firmengrup­pe Burk: „So etwas haben wir noch nie erlebt.“Er berichtet auch von künstliche­r Verknappun­g. Im Stahlberei­ch zum Beispiel gebe es zwei große Player, die die Situation ausnutzten, um höhere Preise zu generieren. Burk spricht noch einen weiteren Aspekt an: „Wenn sich der Markt irgendwann nivelliert und die Preise wieder etwas fallen, dann haben viele Betriebe durch ihre vorsichtig­e Vorratshal­tung Material zu teuer eingekauft.“Der Ravensburg­er Architekt Frieder Wurm verweist auf die schwierige Lage bei den Kommunen. Die Unkalkulie­rbarkeit bei den Materialpr­eisen erschwert hier die Zusammenar­beit. Ebenso Franz Moosherr, Geschäftsf­ührer der Kreishandw­er-kerschaft Ravensburg: „Kein Betrieb kann seriös planen, wenn die neuen Kosten zum Zeitpunkt der Materialbe­stellung die Preise der früheren Angebotser­stellung bei Weitem übertreffe­n“, mahnt der Jurist. Er plädiert für eine Novellieru­ng der Vergabever­ordnung, in der durch die Wiedereinf­ührung der Stoffpreis­gleitklaus­el den Baubetrieb­en die Möglichkei­t gegeben wird, die Materialpr­eissteiger­ung rechtssich­er geltend zu machen.

Frieder Wurm zeigt noch eine weitere Problemati­k auf: „Für die Kommunen wird es schwer werden, unter diesen Umständen preisgünst­igen Wohnraum zu schaffen. Das wird eine große gesellscha­ftspolitis­che Herausford­erung.“

Bei manchen Ravensburg­er Bauhandwer­kern geht jetzt die Angst um. Bei Kreishandw­erkerschaf­t und Bau-innung kommen immer mehr Hilferufe an, der Beratungsb­edarf sei so groß wie noch nie, stellt Franz Moosherr, fest. „Die Kraftakte werden immer gewaltiger, und der Optimismus schrumpft von Tag zu Tag.“

Hilfreich in dieser Situation ist es, dass die vielen Beteiligte­n am Bau gut vernetzt sind. Man kennt sich und zeigt Verständni­s. Wurm: „Unser Vorteil ist, dass wir miteinande­r reden können.“Markus Kuschel ergänzt: „Wir versuchen, jedem Wunsch nachzukomm­en.“

Aus der Vogelpersp­ektive, über den Tellerrand hinaus, bewertet Oliver Broszeit, Geschäftsf­ührer der Broszeit Group, die angespannt­e Situation. Sein Unternehme­n ist internatio­nal im Holzfachha­ndel und in der verarbeite­nden Holzindust­rie tätig. Broszeit: „Es läuft vielfach aus dem Ruder. So lag zum Beispiel der Großhandel­spreis für Dachlatten vor einem Jahr bei circa 400 Euro pro Kubikmeter. Heute sind wir bei 1 200 Euro. Tendenz steigend.“Die Lager im Großhandel sind leer. „Jeder Händler lebt von der Hand in den Mund.“

Ohne Neuaufträg­e würde es bis zu einem Jahr dauern, um die Lager wieder zu füllen. Er hat auch einen Vorschlag zur Minderung der Krise: „Jetzt ist die ganz große Politik gefragt. Meiner Meinung nach müsste die EU einen Exportstop­p verhängen.“Und sein Tipp an Handwerk und Handel, um die nächste Zeit gut über die Runden zu kommen: „Billig und günstig geht nicht mehr. Handwerk und Handel müssen mehr miteinande­r kommunizie­ren und zum Beispiel mit Gesamtabna­hmekonzept­en agieren.“Und an diejenigen gerichtet, die in nächster Zukunft neu bauen wollen. „Ich würde definitiv noch abwarten.“

 ?? FOTO: DPA/PATRICK PLEUL ?? Die Baupreise steigen derzeit rasant, das liegt auch an der Materialkn­app beim Holz.
FOTO: DPA/PATRICK PLEUL Die Baupreise steigen derzeit rasant, das liegt auch an der Materialkn­app beim Holz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany