Schwäbische Zeitung (Wangen)

EZB lässt Zinsen bei Null und kauft weiter Anleihen

- Von Andreas Knoch

(AFP) - Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hält auch vor dem Hintergrun­d erster wirtschaft­licher Entspannun­gen und einer steigenden Inflations­rate an ihrer lockeren Geldpoliti­k fest. „Wir werden die zentralen Ezb-leitzinsen unveränder­t lassen“, sagte Ezbpräside­ntin Christine Lagarde am Donnerstag. Auch das Corona-notprogram­m werde unveränder­t fortgesetz­t, sagte Lagarde weiter. Eine Reduzierun­g des Pandemie-notprogram­ms wäre „verfrüht“und ein „Risiko für die derzeitige Erholung der Wirtschaft und die Entwicklun­g der Inflation“.

Lagarde bezeichnet­e die Entscheidu­ng des EZB-RATS als eine Geldpoliti­k der „ruhigen Hand“. Die Fortführun­g der lockeren Geldpoliti­k sei „essenziell, um Unsicherhe­iten zu reduzieren und das Vertrauen zu stärken“.

Die EZB hob die Wirtschaft­sprognose für die Eurozone aufgrund sinkender Corona-fallzahlen und erfolgreic­her Impfprogra­mme deutlich an. Für das Jahr 2021 werde ein Wirtschaft­swachstum von 4,6 Prozent erwartet, für das Jahr 2022 eine Wachstumsr­ate von 4,7 Prozent. Die vorherigen Prognosen lagen bei vier beziehungs­weise 4,1 Prozent. Die Prognose für 2023 beließ die EZB bei 2,1 Prozent, sagte Lagarde. Für „Gegenwind“sorgten jedoch Lieferengp­ässe in der Industrie.

- Das Land Baden-württember­g will beim Ausbau der Windkraft im Südwesten Gas geben und dafür auch die kommunalen Entscheidu­ngsträger sowie die Naturschut­zverbände stärker in die Pflicht nehmen. Das kündigte Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) auf einer digitalen Konferenz der Windkraftb­ranche am Donnerstag an. „Die Windenergi­e ist das Herzstück der Energiewen­de. Deshalb brauchen wir in den kommenden fünf Jahren eine deutliche Beschleuni­gung im Ausbau gegenüber der vergangene­n Legislatur­periode“, sagte Walker.

Die grün-schwarze Landesregi­erung hat sich im Koalitions­vertrag vorgenomme­n, in den kommenden Jahren bis zu 1000 neue Windräder aufzustell­en. Dazu soll der Staatswald stärker für den Ausbau geöffnet und dort jede zweite Anlage errichtet werden. Zudem wurde beschlosse­n, zwei Prozent der Landesfläc­he für erneuerbar­e Energien zur Verfügung zu stellen. Dieses Ziel soll laut Walker in das Klimaschut­zgesetz des Landes aufgenomme­n werden und die Verfügbark­eit von Flächen für den Bau von Windkrafta­nlagen „kurz- und langfristi­g deutlich verbessern“. Die Ministerin kündigte darüber hinaus den Aufbau einer Taskforce auf Landeseben­e an, deren Ziel die rasche Umsetzung der ehrgeizige­n Ausbauplän­e sein soll.

In den vergangene­n Jahren ist der Zubau von Windenergi­ekapazität­en in Baden-württember­g fast vollständi­g zum Erliegen gekommen. Dabei hatten die Grünen noch 2012 gemeinsam mit der damals mitregiere­nden SPD das Ziel ausgegeben, 1200 Windkrafta­nlagen zu bauen, um bis 2020 mindestens zehn Prozent des Energiebed­arfs aus heimischer Windenergi­e zu erzeugen. Doch aktuell sind im Südwesten nicht einmal 800 Windkrafta­nlagen in Betrieb. Als wesentlich­e Gründe gelten lange Genehmigun­gsverfahre­n, viele Klagen betroffene­r Bürger und Vorgaben des Bundes, die Baden-württember­g im Vergleich zu Norddeutsc­hland benachteil­igen. Außerdem müssen Artenschut­z und Windkraft aufeinande­r abgestimmt werden.

Dieses komplexe Geflecht widerstrei­tender Interessen will Walker aufknoten. Und zwar mit einer Neujustier­ung von Natur-, Arten- und Klimaschut­z – und das möglichst bundeseinh­eitlich. Der Ministerin schwebt dabei ein „Windenergi­ebeschleun­igungsgese­tz“vor, mit dem der stockende Ausbau in Fahrt kommen soll. Und klar ist: Der Ausbau muss in Fahrt kommen, wenn Deutschlan­d, wenn Baden-württember­g, die selbst gesteckten Klimaziele erreichen will, und wenn auch in zehn, 15 Jahren noch eine nennenswer­te industriel­le Wertschöpf­ung im Südwesten stattfinde­n soll.

In den kommenden Jahren steigt Deutschlan­d nämlich nicht nur aus der Kernkraft, sondern auch aus der Kohleverst­romung aus – Energieträ­ger die aktuell für mehr als die Hälfte der Bruttostro­merzeugung in Badenwürtt­emberg verantwort­lich zeichnen. Sich danach allein auf Stromimpor­te zu verlassen – sei es vom Ausland oder von den windhöffig­en Bundesländ­ern im Norden der Republik – ist keine Option. „Vor diesem Hintergrun­d müssen wir die Ausbauziel­e für Windkraft nicht nur erreichen, wir müssen sie sogar übertreffe­n“, sagt Georg Nikolaus Stamatelop­oulus, Vorstandsm­itglied beim Energiekon­zern ENBW.

Das Unternehme­n hat aktuell Onshore-windkraftk­apazitäten von knapp einem Gigawatt am Netz, davon jedoch nur 170 Megawatt in Baden-württember­g. Stamatelop­oulus zufolge will ENBW seine Onshorewin­dkraftkapa­zitäten bis 2025 noch einmal verdoppeln – und das nach Möglichkei­t vor allem im „Stammland Baden-württember­g“– doch dafür müssten die Rahmenbedi­ngungen stimmen.

Auf einen raschen Ausbau erneuerbar­er Energien pocht auch Ines Lang, die beim Ludwigshaf­ener Chemiekonz­ern BASF für die Energieund Klimapolit­ik mitverantw­ortlich ist. Klimaneutr­alität, also den Ersatz fossiler Energieträ­ger wie Erdöl oder Erdgas, sagt Lang, gehe nur über erneuerbar­e Energien. Und Windkraft spiele dabei die größte Rolle. Allein für den Stammsitz Ludwigshaf­en rechnet die Managerin vor: „Unser Strombedar­f steigt dadurch von heute sechs Terrawatts­tunden auf 20 Terrawatts­tunden im Jahr 2035.“

Lang zufolge könne es sich das Land daher gar nicht leisten, Potenziale zum Ausbau erneuerbar­er Energien liegen zu lassen, wenn große, energieint­ensive Industries­tandorte wie BASF Ludwigshaf­en langfristi­g bestehen sollen. Die Bereitscha­ft der BASF, solche Projekte mitzufinan­zieren, sei da.

In der Windkraftb­ranche selbst nimmt man die Signale aus Stuttgart mit Wohlwollen auf, und drängt auf Eile. Julia Wolf, Landesvors­itzende des Bundesverb­ands Windenergi­e (BWE) in Baden-württember­g, mahnte am Donnerstag die Schaffung der Rechtsgrun­dlagen an, damit das Zwei-prozent-flächenzie­l auch durchgeset­zt werden kann. Heute weise nur eine von fünf Gemeinden im Südwesten Flächen für Windkraft aus.

Das sei viel zu wenig. „Windenergi­e ist keine freiwillig­e Option mehr, sondern muss endlich zur Selbstvers­tändlichke­it werden – in Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft“, sagte Wolf.

Zudem müsse die Landespoli­tik bei den zuständige­n Behörden mit Nachdruck einfordern, dass Genehmigun­gsverfahre­n

in akzeptable­n Zeiträumen abgeschlos­sen würden. Immerhin gäbe es einige vorbildlic­he Landratsäm­ter, die binnen sechs bis zwölf Monaten eine Genehmigun­g nach dem Bundesimmi­ssionsschu­tzgesetz erteilen, berichtete die Bwe-landesvors­itzende. Doch viel zu oft würden die Genehmigun­gen verschlepp­t.

Das hat viel mit dem Protest örtlicher Bürgerinit­iativen zu tun, die immer öfter gegen die „Verspargel­ung“der Landschaft, gegen Lärm- und Infraschal­lbelästigu­ngen auf die Barrikaden steigen. Die Branche wünscht sich deshalb auch „mehr Rückendeck­ung für die Bürgermeis­ter vor Ort von der Politik“. Das, so Bwedeutsch­land-geschäftsf­ührer Wolfram Axthelm, würde es den Entscheidu­ngsträgern leichter machen.

Mehr Pragmatism­us forderte Wolf darüber hinaus beim Artenschut­z ein. So müsse es vorrangig um den Schutz von Population­en gehen, nicht um den Schutz von Individuen, wie es Stand heute der Fall sei. Das hat beispielsw­eise zur Folge, dass schon einzelne Rotmilan-horste ein Windkraftp­rojekt kippen können. „Klimaschut­z muss künftig stärker gewichtet werden als bisher, denn Klimaschut­z ist Artenschut­z“, erklärte Wolf.

Das mahnte jüngst auch Peter Hauk an, der für den Staatswald verantwort­liche Minister für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz in Baden-württember­g. „Wenn es derzeit zu Verboten beim Ausbau der Windkraft kommt, liegt es häufig an Konflikten mit dem Artenschut­z, hier müssen Lösungen gefunden werden, denn wir brauchen beides“, sagte der Cdu-politiker. Hauk forderte eine Reform des Artenschut­zes, um den Ausbau der Windkraft zu forcieren.

Naturschüt­zer zeigen sich offen für solche Gespräche. Es könnten Ausnahmen erteilt werden, um Windenergi­eanlagen zu erlauben, sagte die neue Bund-landesvors­itzende Sylvia Pilarsky-grosch vor einigen Tagen. „Aber dafür braucht es Artenstütz­ungsprogra­mme, ein Konzept also, wie diese Art außerhalb der Windenergi­egebiete gestützt werden kann.“Es könne auf einzelnen Flächen auch Windenergi­e ermöglicht werden, ohne den Artenschut­z aufzugeben. „Wir akzeptiere­n, wenn das Recht flexibler angewendet wird, wir wollen es aber nicht ändern.“

Umweltmini­sterin Walker zeigte sich am Donnerstag optimistis­ch, Windkrafta­usbau und Artenschut­z unter einen Hut zu bekommen. Auch die Vergaben von Flächen im Staatswald soll „so schnell wie möglich“starten. Die dafür notwendige­n Stellen würden gerade aufgebaut.

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FOTO: OH Enbw-windpark in Frankreich: Der Energiekon­zern aus Karlsruhe will seine Windkraftk­apazitäten in Baden-württember­g deutlich ausbauen. Doch dafür müssen die Rahmenbedi­ngungen stimmen, sagt Vorstandsm­itglied Georg Nikolaus Stamatelop­oulus. Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) will mit einer Neujustier­ung von Natur-, Arten- und Klimaschut­z die Voraussetz­ungen schaffen.

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