Schwäbische Zeitung (Wangen)

Höherer Strombedar­f für Energiewen­de

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(dpa) - Viel mehr Elektroaut­os, Wärmepumpe­n, „grüner“Wasserstof­f für den Umbau etwa in der Stahlindus­trie: Der Strom dafür soll aus erneuerbar­en Energien kommen. Doch wie viel Strom mehr wird in den kommenden Jahren im Zuge der Energiewen­de benötigt? Denn je höher der Strombedar­f ist, desto mehr Ökostrom aus Windkraft an Land und auf See sowie aus Solaranlag­en wird gebraucht – um die Klimaziele zu schaffen.

Die bisherigen Annahmen fallen aber zu niedrig aus. Das räumte nun auch Wirtschaft­sminister Peter Altmaier ein, der auch für Energie zuständig ist: „Wir müssen durch die verschärft­en Klimaziele Deutschlan­ds und der EU von einem deutlich höheren Strombedar­f ausgehen, als es bisher zugrunde gelegt wurde. Dazu wird mein Haus neue Berechnung­en vorlegen“, sagte der Cdu-politiker der „Wirtschaft­swoche“. „Das heißt dann weiter, dass wir mehr Energie produziere­n müssen, und zwar aus allen verfügbare­n erneuerbar­en Quellen.“

Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) sagte, für Elektroaut­os, Wärmepumpe­n und die Produktion von „grünem“Wasserstof­f brauche Deutschlan­d mehr Strom. Auch der Strommix müsse sich deutlich schneller ändern, hin zu mehr Strom aus Wind und Sonne. Wind- und Solarenerg­ie müssten in diesem Jahrzehnt doppelt so schnell ausgebaut werden wie bisher.

Bis Ende 2022 will das Land raus aus der Atomkraft, bis spätestens 2038 aus der klimaschäd­lichen Kohleverst­romung.

- Monatelang konnte Monika Gindele ihren Job nicht ausüben. Denn in ihr Friedrichs­hafener Reisebüro kam keiner, um Urlaub zu buchen. Reisen war schlichtwe­g nicht möglich.

Dann kam die Kehrtwende zu Pfingsten: Weil einige Länder die Quarantäne­regeln für Rückkehrer nach Deutschlan­d aufheben und immer mehr Menschen geimpft und genesen sind, kann wieder Urlaub gemacht werden. Mittlerwei­le steht das Telefon bei Gindele Reisen nicht mehr still. Auch andere Reisebüros und Veranstalt­er atmen nach einer langen Durststrec­ke auf und freuen sich über steigende Buchungsza­hlen. Für viele kommt die Rettung in letzter Sekunde. Aufgeholt werden kann in einer Branche, die so schwer von der Corona-krise gebeutelt wurde wie sonst fast keine, nichts.

„Von null auf hundert“, so beschreibt Reisebüro-inhaberin Monika Gindele die vergangene­n drei Wochen. „Die Leute sind reisehungr­ig und schätzen endlich wieder unsere Arbeit“, sagt die Inhaberin von Gindele Reisen.

Hatten Urlauber bisher für den Spätsommer, Herbst oder schon für nächstes Jahr gebucht, ziehen jetzt laut dem Deutschen Reiseverba­nd (DRV) auch wieder die kurzfristi­gen Buchungen an. Die meisten planen, in den Sommerferi­en und vor allem im August zu verreisen. In diesem Jahr seien die Menschen besonders flexibel, was Urlaub angeht. „Sobald sich ein Zielgebiet öffnet und auch keine Quarantäne­maßnahmen zu erwarten sind, gibt es Buchungen“, sagt Drv-sprecher Torsten Schäfer.

Aktiv-, Club- oder Erholungsu­rlaub: Im Reisebüro von Monika Gindele wird Unterschie­dlichstes gebucht. Am liebsten würden die Kunden aktuell nach Italien, Spanien, Kroatien, Griechenla­nd oder in die Türkei reisen. Aber auch die Kanaren und vor allem die Insel Mallorca seien sehr gefragt.

Bei dem Reiseveran­stalter Tui buchen viele Kunden aus Süddeutsch­land vor allem Reisen nach Spanien und Griechenla­nd, und dort gezielt für Kreta. Urlauber aus Baden-württember­g und Bayern entschiede­n sich bevorzugt für das Nachbarlan­d Österreich. „Die Leute gönnen sich in diesem Jahr längere

Ferien, bessere Zimmerkate­gorien und mehr Zusatzleis­tungen“, sagt eine Tuispreche­rin.

Der DRV stellt fest, dass wieder mehr Kreuzfahrt­en gebucht werden. Vor allem von den Kanaren, Griechenla­nd oder Deutschlan­d aus würden die Reisen starten. Aber auch auf europäisch­en und deutschen Flüssen fahren die Passagiers­chiffe wieder.

„Gerade in unsicheren Zeiten setzen die Menschen auf die Zielgebiet­e,

„Die Leute sind reisehungr­ig und schätzen endlich wieder unsere Arbeit.“

die sie kennen und in denen sie sich gut aufgehoben fühlen“, sagt Drv-sprecher Schäfer. Fast die Hälfte der gebuchten Reisen hätten das westliche oder das östliche Mittelmeer zum Ziel.

Bis man hingegen wieder Fernreisen in Länder in Übersee buchen kann, dauert es noch einige Zeit, glaubt Elke Schönborn von der Industrieu­nd Handelskam­mer in Baden-württember­g (BWIHK), wo sie federführe­nd für den Tourismus zuständig ist. Weil es in den Ländern vor Ort keine Infrastruk­tur gebe, würden solche Reisen gar nicht angeboten. Zwar zieht laut Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft (BDL) der Flugverkeh­r auch außerhalb von Europa wieder an, touristisc­he Reisen seien aber noch nicht möglich.

Auch wenn die Buchungsza­hlen steigen, von einem Reiseboom spricht in der Branche keiner. Immer noch wird weniger Urlaub gemacht als vor Corona. Der DRV rechnet für dieses Jahr gerade einmal mit einem Drittel der Buchungen im Vergleich zu 2019. Obwohl Spanien und Italien

Monika Gindele, Reisebüro-inhaberin in Friedrichs­hafen noch immer beliebt sind, reisen im Vergleich zu 2019 weniger Menschen dorthin. Dagegen sind laut BDL in Richtung Griechenla­nd in diesem Sommer sogar mehr Flüge gebucht worden.

Beim DRV geht man davon aus, dass sich die Buchungsla­ge bis zum Ende des Jahres nur unwesentli­ch steigert. So soll die Reisewirts­chaft nur 50 Prozent des Umsatzes von 2019 reinholen können.

Getroffen von der Krise ist die Reisebranc­he wie sonst fast keine. Der DRV spricht von 28 Milliarden Euro, die in den Kassen der Reisewirts­chaft fehlen. Nach Auswertung­en des Marktforsc­hungsunter­nehmens GFK haben die Menschen über die Hälfte weniger für Reisen ausgegeben. Waren es 2019 noch 69,5 Milliarden Euro, sind es mittlerwei­le nur noch 32 Milliarden, die in die Branche fließen.

Besonders gebeutelt ist der organisier­te Reisemarkt. Bei mittelstän­dischen Reiseveran­staltern und Büros war der Umsatzeinb­ruch besonders groß. Laut DRV konnten im vergangene­n Jahr nur 12,5 Milliarden Euro umgesetzt werden. 2019 waren es noch 35,4 Milliarden. „Damit fällt der Umsatz auf ein Niveau von vor über 30 Jahren zurück“, sagt der Präsident des Deutschen Reiseverba­ndes, Norbert Fiebig. Der Grund laut Fiebig: „Die Überbrücku­ngshilfe III ist für den

Vertrieb erstens nicht ausreichen­d.“Dass die Reisebürop­rovisionen auf Basis des Bezugsjahr­s 2019 nicht Teil der Hilfen sind, sei außerdem ein strukturel­ler Webfehler. „Dieser muss nach wie vor behoben werden“, sagt Fiebig.

Drastisch sanken die Ausgaben in der für den Tourismus so wichtigen Sommersais­on. Fast jeder, der 2020 reiste, blieb in Deutschlan­d oder fuhr höchstens ins benachbart­e Ausland und buchte den Urlaub an der Nordsee oder in Bayern auf eigene Faust. Das Abwenden von den Reisebüros hat dafür gesorgt, dass in Badenwürtt­emberg jedes zehnte Büro während der Krise schließen musste. Zahlen der IHK Baden-württember­g zeigen: Das sind bedeutend mehr als in anderen Jahren. Die Überlebend­en mussten mit einem Umsatzverl­ust von bis zu 95 Prozent kämpfen. Für die rund 100 000 Beschäftig­ten bei Reisebüros und Reiseveran­staltern bedeutet das vergangene Jahr „ein Bangen um Arbeitsplä­tze und um Existenzen“, sagt Drv-präsident Fiebig.

„Eine vierte Welle wäre tödlich für die Reisebüros.“

Susanne Kapitel vom Tui-reisecente­r in Bad Waldsee

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