Ab in den Süden
Viele Deutsche wollen ins Ausland reisen – Die steigenden Buchungszahlen gleichen die Corona-verluste bei Reisebüros undveranstaltern aber bei Weitem nicht aus
Mit einem blauen Auge davongekommen ist Reisebüro-inhaber Tony Weinhart aus Ulm. Weil er die Kosten nicht mehr decken konnte, musste er sein Reisebüro Sky train – zumindest den Laden – aufgeben. Den Mietvertrag hat er im vergangenen Juni gekündigt, um Kosten zu sparen. Gebucht werden kann in seinem Onlinereisebüro trotzdem noch, die Anrufe seiner Kunden nehmen er und seine Frau seitdem von zu Hause aus an.
Das Leiden aus dem vergangenen Jahr, das er mit vielen Kollegen teilte: Weil unzählige Reisen nicht angetreten werden konnten, mussten die Reisebüros sie rückabwickeln, ohne dafür einen Cent zu bekommen. „Das war schlimmer als schlimm“, sagt Weinhart. Mittlerweile gehe es ihm finanziell wieder etwas besser, eine Geschäftsstelle wird er sich aber nicht mehr leisten können.
Viele der Angestellten in der Reisebranche sind noch in Kurzarbeit. Monika Gindele vom Reisebüro in Friedrichshafen sagt, sie kann es sich noch nicht leisten, ihre Mitarbeiter wieder voll zu bezahlen. Zu tun gebe es aber genug. Denn die Beratungsanfragen werden mehr. Wo gelten welche Regel? Wann braucht man einen Test? Welches Land ist Risikogebiet oder Hochinzidenzland? Welche Regeln gelten an den Flughäfen? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Reisebüros müssen sich gut auskennen.
Ähnliches berichten auch andere Reiseanbieter. Um den Mehraufwand auszugleichen, kostet eine Beratung im Tui-reisecenter in Bad Waldsee zum Beispiel 30 Euro. Wirkliche zahlen muss aber nur, wer am Ende nicht bucht. Andernfalls wird der Betrag wieder abgezogen. „Seit die Gebühr eingeführt wurde, kommt keiner mehr nur für die Beratung“, sagt die Inhaberin des Reisebüros Susanne Kapitel. Die sogenannte Servicepauschalen haben während der Krise viele eingeführt. Die Der-reisebüros waren im vergangenen Winter die erste große Kette.
Um Kunden für die Sommersaison 2021 anzulocken, werben Reiseveranstalter, indem sie mehr Sicherheiten für Pauschalurlauber bieten. Mit sogenannten Flextarife kann häufig kostenlos 14 Tage vorher storniert oder umgebucht werden.
Für Susanne Kapitel von dem Reisebüro in Bad Waldsee geht es wie für viele ihrer Kollegen wieder aufwärts. Ihr „persönlicher Horror“sei aber eine vierte Pandemiewelle. „Das wäre tödlich für die Reisebüros“, glaubt sie. Entscheidend für die Reisewirtschaft sei der Fortschritt der Impfungen – „und zwar weltweit“. Herdenimmunität nur in Europa bringe wenig.
„Wenn Länder außerhalb der europäischen Grenzen weiterhin im Lockdown sind oder sich neue Varianten bilden, wirkt sich das direkt auf die Tourismusbranche hier vor Ort aus“, sagt die Reisebüro-inhaberin. Eines sei klar: „Es muss auch wieder möglich sein, in die Ferne zu reisen.“