Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Blick ins Persönlich­e

Ein Welttag feiert das Tagebuch – Welche Prominente­n darin ihre Gefühle und Erlebnisse dokumentie­rten

- Von Sebastian Kramer

(dpa) - „Ich reise niemals ohne mein Tagebuch. Man sollte immer etwas Aufregende­s zu lesen bei sich haben“, schreibt Oscar Wilde 1895. Es gibt unzählige Tagebücher – bekannte, unbekannte und bereits vergessene. In der Regel sind die Aufzeichnu­ngen sehr persönlich, veröffentl­icht werden sie meist nur in Ausnahmefä­llen. Neben berühmten Autoren haben sich auch Rockmusike­r und Seefahrer Notizen gemacht. Ihnen gebührt eine Erinnerung anlässlich des Welttags des Tagebuchs am Samstag.

Anne Frank

(1929 bis 1945): Sie schreibt das wohl bekanntest­e Tagebuch. Das jüdische Mädchen versteckt sich von 1942 bis 1944 mit seiner Familie in Amsterdam vor den deutschen Nationalso­zialisten. Anne beschreibt dabei sehr persönlich, wie sie die Schreckens­herrschaft der Nazis erlebt. „… werde ich jemals Journalist­in und Schriftste­llerin werden? Ich hoffe es, ich hoffe es so sehr! Mit Schreiben kann ich alles ausdrücken, meine Gedanken, meine Ideale und meine Phantasien“, trägt sie am 5. April 1944 ein. Die Familie wird entdeckt. Im Februar 1945 stirbt Anne im Alter von 15 Jahren im Konzentrat­ionslager Bergen-belsen. Der Welttag des Tagebuchs am 12. Juni geht auf ihren Geburtstag zurück. Es ist zugleich der Tag, an dem sie 1942 von ihrem Vater ein Notizbuch geschenkt bekommt.

Astrid Lindgren

(1907 bis 2002): Die schwedisch­e Kinderbuch­autorin beweist schon früh ihr Schreibtal­ent. Mit den Worten „Oh! Heute hat der Krieg begonnen. Niemand wollte es glauben“, beginnt im September 1939 ihr Kriegstage­buch. Mit der Hilfe von Zeitungsar­tikeln, Briefen und Zeitdokume­nten belegt Lindgren die Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs. Anfangs fürchtet sie eine Invasion der Sowjetunio­n - später wandelt sich auch ihr Bild von Deutschlan­d. „Die Menschheit hat den Verstand verloren. Verbesseru­ng ist nicht in Sicht.“Die damals 32-jährige Mutter zweier Kinder hatte erst einige Kurzgeschi­chten in Zeitschrif­ten veröffentl­icht.

Franz Kafka

(1883 bis 1924): Der Schriftste­ller führt von 1909 bis 1923 Tagebuch. Darin vermischt er autobiogra­fische und literarisc­he Texte. „Ich werde das Tagebuch nicht mehr verlassen. Hier werde ich mich festhalten“, schreibt er am 16. Dezember 1910. Neben diesen Einträgen hält Kafka auch auf vier Reisen zwischen den Jahren 1911 und 1913 seine Eindrücke fest. „In nahezu jedem Brief und jedem Tagebuchbl­att taucht vor dem Leser das Bild des genialen Menschen auf, der das Leben als Qual empfindet“, schreibt Ludwig Winter über Kafkas Tagebuch. Beide waren Autoren des „Prager Kreises“. Besonders ergreifend sind für Winter die Aufzeichnu­ngen aus den letzten Lebensjahr­en. „Der grausige Humor, der zuweilen durchbrich­t, macht vieles in Kafkas Dichtungen erst recht verständli­ch.“

Kurt Cobain

(1967-1994): 2002 werden postum die privaten Aufzeichnu­ngen des Nirvana-sängers veröffentl­icht. In 23 Notizbüche­rn hinterläss­t der Wegbegründ­er des Grunge rund 800 eng beschriebe­ne Seiten. Unter den Schriftstü­cken befinden sich auch zahlreiche Briefe an Cobains verschiede­ne Geliebte, Zeichnunge­n, Grafiken, Fotos und Liedtexte. „Lesen Sie bitte mein Tagebuch, sehen Sie meine Sachen und lernen Sie mich kennen“, heißt es von Cobain.

Erich Kästner

(1899 bis 1974): Seine Erlebnisse im zusammenbr­echenden „Dritten Reich“beschreibt der Kinderbuch­autor in „Notabene 45“. Die Aufzeichnu­ngen beginnen im Februar 1945 kurz vor den Luftangrif­fen auf seine Heimatstad­t Dresden. Obwohl Kästner in Nazi-deutschlan­d mit einem Schreibver­bot belegt, seine Texte bei der Bücherverb­rennung 1933 vernichtet und er wiederholt verhört wurde, gilt „Notabene 45“nicht ausschließ­lich als Abrechnung mit dem Ns-regime. Ironisch kommentier­t er den alltäglich­en Wahnsinn, etwa die bis zuletzt unermüdlic­h arbeitende Bürokratie der Deutschen. Die Angriffe alliierter Truppen in der Endphase des Krieges benennt er ebenfalls eindrückli­ch.

Christoph Kolumbus

(1451 bis 1506): Eine Art Tagebuch führt auch der italienisc­he Seefahrer und Entdecker. „Um zwei Uhr morgens kam Land in Sicht“, schreibt er am 12. Oktober 1492 in sein privates Logbuch über die Ankunft in Amerika. „Dort entfaltete ich die königliche Flagge. Unseren Blicken bot sich eine Landschaft dar, die mit grün leuchtende­n Bäumen bepflanzt und reich an Gewässern und allerhand Früchten war.“Kolumbus verfasst das Logbuch nicht für sich selbst, sondern für das spanische Königspaar. So könne er die ihm neue Welt eindrucksv­oller beschreibe­n, als es ihm in mündlicher Form möglich sei.

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FOTO: INSA KOHLER/DPA Eine Kopie von Anne Franks Tagebuch liegt in der Ausstellun­g „Alles über Anne“im Anne-frank-zentrum in Berlin.

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