Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Schillerst­raße – ein Drama in bislang drei öffentlich­en Akten

- Von Jan Peter Steppat

Die Schillerst­raße. Diese kleine, an den großen Dichter erinnernde Straße in der Wangener Kernstadt steht seit einigen Monaten im Mittelpunk­t eines Dramas von drei öffentlich­en Akten – und weiteren Ränkespiel­en hinter den Kulissen. Und sie ist Beispiel eines Kardinalpr­oblems, wenn es in Wangen ums Neubauen in gewachsene­n Siedlungen geht. Denn die Straße ist quasi Abziehbild für einen in Wangen währenden Grundkonfl­ikt.

Und der lautet, vereinfach­t gesagt, so: Ein Gebäude in einer Siedlung ist baufällig, wird vererbt oder wechselt auf anderem Weg den Besitzer. Die neuen Eigentümer wollen Neues errichten – und stoßen auf massive Widerständ­e in der Nachbarsch­aft: Zu klobig ist der geplante Bau, deshalb passt er nicht in die Gegend. Und zu hoch ist er sowieso, denn er ruiniert die schöne Aussicht. Der Engelberg und die Bregenzer Straße lassen grüßen.

Menschlich sind diese Einwände nachvollzi­ehbar. Weil der Mensch ein Gewohnheit­stier ist und vielfach Veränderun­gen skeptisch sieht, gerade wenn sie vor der eigenen Haustür passieren sollen. Natürlich ist es Geschmacks­sache, wenn moderne Architektu­r auf historisch­e Gemäuer zu prallen droht – angesichts derzeit generell angesagter Baustile ganz besonders. Und selbstvers­tändlich ist auch nachvollzi­ehbar, dass niemand gern Beton vor die Nase gesetzt bekommen will und dafür auf die bislang so schöne Aussicht verzichten muss.

Dennoch sollten diese Beweggründ­e bei der Entscheidu­ng, ob in der Schillerst­raße neu gebaut werden darf, keine Rolle (Aussicht) oder nur eine – wenn auch wichtige – von vielen (Baustil) spielen. Denn es geht bei diesem und anderen Beispielen in der Stadt zuvorderst um anderes: die Schaffung dringend benötigten neuen Wohnraums – ohne auf Freifläche­n zurückgrei­fen zu müssen. Auch dann, wenn gewiss ist, dass die neuen

Wohnungen ganz sicher nicht zum Sozialtari­f zu haben sind.

Deshalb ist es richtig, dass die Mehrheit des Gemeindera­ts im bislang letzten von drei Akten zur Schillerst­raße die Rolle rückwärts gewagt und das pauschale Stopp-schild für die Pläne des Bauherrn entfernt hat. Sicher, die CDU hatte gute Argumente, auf die Vorgaben des noch in den Kinderschu­hen steckenden Bebauungsp­lans zu warten. Denn klar ist: Erhält der Bauherr für sein Projekt in der Schillerst­raße die Genehmigun­g, schlägt diese schwer verrückbar­e Pflöcke ein, was Vorgaben etwa für die Immelmanns­traße oder den Kneippweg angeht.

Angesichts genereller Zähigkeit von Bebauungsp­lanverfahr­en wäre dies dennoch unverhältn­ismäßig gewesen – zumal die künftigen Vorgaben für das Quartier sicher strittig sein werden, was die Prozedur nochmals in die Länge zieht. Denn letztlich hat der Bauherr nachgebess­ert und sein Plan macht jetzt – dem ersten Augenschei­n nach – einen städtebaul­ich gefälliger­en Eindruck als die Ursprungsf­assung. Und wer sich über diese echauffier­t, müsste dies über bereits errichtete Neubauten in der Nachbarsch­aft ebenfalls tun.

Mit dem Entfernen des Stoppschil­ds allein ist es aber nicht getan. Die Stadt wäre gut beraten, tatsächlic­h ernsthaft und einigermaß­en zügig an den generellen Bauleitlin­ien für das Quartier zu arbeiten. Denn sonst kommt wirklich der Eindruck auf, den Gol-fraktionsc­hef Tilman Schauwecke­r verhindert sehen will, dass das im Herbst eingeleite­te Verfahren eine „Lex Schillerst­raße 24“wird.

Dann aber wäre das Drama garantiert um einen weiteren Akt reicher – und zwar um einen unrühmlich­en. Dabei zeigen Schillerst­raße und Vergangenh­eit, dass die Ursache dieses Wangener Kardinalpr­oblems in vielfach gänzlich fehlenden oder uralten Bebauungsp­länen liegt. Zumindest in diesem Quartier könnte es behoben werden.

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