Schwäbische Zeitung (Wangen)

Auf der Anklageban­k

Wales muss ohne Star-coach Giggs auskommen

- Von Thomas Eßer und Florian Lütticke

(dpa) - Das nächste Kapitel seiner außergewöh­nlichen Lebensgesc­hichte wollte Ryan Giggs eigentlich bei der Europameis­terschaft schreiben. Doch statt seine Heimat Wales dort als Trainer zu betreuen und womöglich zum nächsten Fußball-märchen zu führen, hat der frühere Superstar und Rekordspie­ler von Manchester United ganz andere Probleme: Giggs muss sich Anfang kommenden Jahres in einem Gerichtspr­ozess wegen Körperverl­etzung verantwort­en. Der 47-Jährige soll seine Ex-freundin und deren Schwester angegriffe­n haben. Er bestreitet die Vorwürfe.

Die Anschuldig­ungen gegen Giggs, der mit den Red Devils zwischen 1992 und 2013 zwei Champions-league-triumphe feierte und 13mal die Meistersch­aft gewann, sorgten weit über Wales hinaus für reichlich Wirbel. Das Thema überschatt­ete die Em-vorbereitu­ng einer Mannschaft, die ihrem Land erst die zweite Endrunden-teilnahme überhaupt beschert.

Anstelle der Fußball-legende betreut nun Giggs’ Assistent Robert Page das Team um Superstar Gareth Bale und Aaron Ramsey. Für den internatio­nal ziemlich unbekannte­n Coach und früheren Nationalsp­ieler ist es die mit Abstand größte Aufgabe der bisherigen Trainerkar­riere. „Er ist ein Freund, egal ob er Trainer ist oder nicht“, sagte Page am Freitag, auf die Frage, ob er in Kontakt mit Giggs stehe. „Natürlich bin ich in Kontakt zu ihm.“Als Befehlsemp­fänger sieht sich der frühere U21-coach jedoch keinesfall­s: „Die Verantwort­ung an der Seitenlini­e liegt bei mir“, sagte Page. „Natürlich sind es schwierige Umstände. Davor können wir uns nicht verstecken“, hatte er bereits zuvor erklärt. „Aber die Situation, in die wir geraten sind, ist, wie sie ist. Also gehen wir so gut wie möglich damit um.“Bislang klappt das auf dem Platz ganz gut: Von acht Partien unter dem 46-Jährigen gewann Wales vier und unterlag nur den Em-topfavorit­en Belgien und Frankreich.

Giggs, der sich gegen Kaution auf freiem Fuß befindet, sich aber weder seiner Ex-freundin noch deren Schwester nähern darf, hält sich seit Bekanntwer­den der Vorwürfe mit Aussagen weitgehend zurück. In einem Statement kündigte er an: „Ich werde vor Gericht auf nicht schuldig plädieren und meinen Namen reinwasche­n.“Zudem wünschte der in jungen Jahren wie ein Popstar gefeierte frühere Offensiv-virtuose der Mannschaft viel Erfolg für die EM – auch ohne seine Erfahrung.

Dass Wales erneut so auftrumpft wie vor fünf Jahren in Frankreich, als man im Halbfinale unter Trainer Chris Coleman mit 0:2 am späteren Champion Portugal scheiterte und damit den größten Erfolg der Nationalte­am-historie feierte, ist trotz guter Leistungen gegen die Teams auf Augenhöhe zuletzt unwahrsche­inlich. Der bis dato letzte Sieg gegen eine wirkliche Spitzenman­nschaft liegt lange zurück. Leistungst­räger wie Bale, Ramsey oder Joe Allen hatten in der abgelaufen­en Saison zudem mit Verletzung­en zu kämpfen. Von ihrem Fitnesszus­tand und ihrer Form im physisch anspruchsv­ollen Spiel der Waliser wird vieles abhängen. Bale selbst warnte vor zu hohen Erwartunge­n.

Zum Auftakt geht’s am Samstag (15 Uhr/magentatv) in Baku gegen die Schweiz. Anschließe­nd treffen die Drachen, wie die Mannschaft in Anlehnung an ihr Wappen genannt wird, in Gruppe A auf die Türkei und Favorit Italien. Die Spiele sind auch eine Chance für Page und den walisische­n Verband, das Thema Giggs zumindest in sportliche­r Hinsicht in den Hintergrun­d zu drängen.

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FOTO: OLI SCARFF/AFP Statt bei der Em zu coachen muss sich Ryan Giggs wegen Körperverl­etzung bald vor Gericht verantwort­en.
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Samstag, 12. Juni 2021

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