Der Zwiebelrostbraten schlägt die Dinnete
In dieser eigenartigen Zeit – aus epidemiologischer Sicht weder Fisch noch Fleisch – ist es unter den typischen Erschwernissen wie Corona-test, Maske und Abstandsgebot gar nicht so leicht, entspannt Gast zu sein. Noch dazu, wenn sich der Frühsommer nicht als strahlende Dame präsentiert, sondern vielmehr als verheulte Schlechtwetter-diva. Da wird auf Außenterrassen die Dichtigkeit der Sonnenschirme zum Qualitätskriterium. Im Falle des traditionsreichen Gasthauses Kupferle am Ravensburger Marienplatz lässt sich dazu sagen: nicht ganz dicht – aber zur Abwehr der gröbsten Schauerzustände reicht’s.
Zum Glück setzt das Unwetter erst kurz nach dem Espresso bei Abschluss des Menüs ein.
Von diesem lässt sich erfreulicherweise sagen: deutlich weniger verhagelt als die Großwetterlage. Für Stimmungsaufhellung
sorgen die männlichen Servicekräfte, die freundlich, aber bestimmt nach einem ebenso negativen wie aktuellen Corona-test fragen und dann schnell vergessen machen, dass noch immer irgendwie alles anders ist. Es gilt eben: Nur ein offenes Lokal ist ein gutes Lokal.
Gut ist jedenfalls die schwäbische Suppenschüssel, serviert in einer sogenannten Löwenterrine. In einer milden, aber schmackhaften Brühe drängeln sich geradezu Maultaschenstücke, Flädle und Saitenwursträdle – Backerbsen und Schnittlauchröllchen nicht zu vergessen. Wer die ganze Schüssel leert, muss aufpassen, bei den anderen Speisen nicht schlapp zu machen. Schade wär’s zum Beispiel um den doch sehr soliden Zwiebelrostbraten, der getoppt ist von schön weich und süßlich geschmälzten Zwiebeln. Das Fleisch ist überraschend aromatisch und sehr zart, was für ein gut gereiftes Stück spricht. Die Zubereitung im Bereich medium konzentriert den Saft besonders schön. Mit den offenbar vorkonfektionierten Bratkartoffeln, die auf gut Schwäbisch ein bisschen lätischig sind, gewinnt die Küche eher keinen Blumentopf. Dafür kommt schon eher der üppige Salat Kupferle infrage. Er versammelt neben großzügigen Mengen knackfrischer Blattsalate buntes Gemüse, darüber hinaus einen Salat aus frischen grünen Bohnen und einen soliden Kartoffelsalat. Ein cremiges Dressing hält das Ensemble geschmacklich gut zusammen. Für ein herbes Geschmacksmoment sorgt der gebratene Ziegenkäse, dessen Oberfläche leicht karamellisiert ist.
Was klar hinter den Erwartungen eines heimatverbundenen Schwaben zurückbleibt, ist die Dinnete, die erkennbar aus einem vorgebackenen Rohling mit saurer Sahne besteht – zwar üppig mit Speck, Zwiebeln und verschwenderisch mit Kümmel versehen, aber doch weder richtig knusprig noch saftig. Als rustikaler
Begleiter des zweiten oder dritten Bieres sicher besser geeignet denn als solitäres Gericht.
Und trotzdem: Das Kupferle – ein urbanes Ganztageslokal, das vom Feierabendbier über den großen Mittagspausenhunger bis zum Kaffeekränzchen vielen Ansprüchen gerecht werden soll – ist einen Besuch wert. Frische und in weiten Teilen handgemachte Wirtshausküche sprechen klar dafür. Und vielleicht klappt’s in Zukunft auch mit der Dinnete besser, wenn erst ein neuer Koch zur Küche stößt. Der wird nämlich aktuell gesucht.
Restaurant Kupferle Marienplatz 20
88212 Ravenburg
Tel. 0751-21998 www.kupferle.de
Geöffnet täglich von 11.30-21 Uhr, samstags ab 10 Uhr. Hauptgerichte 9,20-22,80 Euro.
Weitere „Aufgegabelt“-folgen: www.schwäbische.de/aufgegabelt