So putzt Renault den neuen Kangoo heraus
Der Freund der Familie macht sich fein: Mehr Platz, mehr Komfort und bald auch eine elektrische Variante
Renault hält der Raumfahrt tapfer die Treue: Zwar haben sich Scenic und Espace vom traditionellen Van weiter zum geräumigen SUV entwickelt, sind damit überflüssig geworden und stehen vor dem Aus. Doch dafür klettert der Kastenwagen Kangoo die Imageleiter hinauf. Wenn in diesen Tagen zu Preisen ab zunächst 23 800 Euro die dritte Generation des Multitalents in den Handel kommt, wird aus dem Transporter ein schicker Freund der Familie, der sich innen wie außen kräftig herausgeputzt und obendrein viel neue Technik bekommen hat. Schließlich gibt es den Pampersbomber nun auch mit Autobahn- und Stauassistent, Müdigkeitswarner sowie einem Totwinkel-helfer, der sogar in die Lenkung eingreift.
Mit dem Aufstieg verliert der Kangoo zwar das Niedliche, Verspielte, Kindliche und damit viel von dem Charme, der ihn gegenüber Konkurrenten wie dem VW Caddy bislang ausgemacht hat. Doch wirkt er mit aufrechtem Grill, serienmäßigen Led-leuchten und markant ausgestellten Radhäusern von außen jetzt deutlich ernsthafter und erwachsener und innen sehr viel edler. Nicht umsonst zieren nun schmucke Chromringe viele Schalter – zumindest in den gehobenen Varianten. Zwischen dem noch immer reichlich verarbeiteten Hartplastik schimmern Zierkonsolen in offenporigem Holzimitat, wie man sie bei anderen Marken sogar bis in die Oberklasse finden kann. Wenn es jetzt noch digitale Instrumente und vielleicht eine elektrische Handbremse gäbe und der freistehende Bildschirm für das Navi etwas schlanker, dafür aber größer wäre, dann müsste sich der Kangoo auch hinter einem VW Touran oder der Einstiegsversion eines BMW 2-Tourers nicht verstecken.
Bei aller Finesse hat sich der Familienfreund aber seinen Sinn fürs Praktische bewahrt. So gibt es bei kräftig gewachsenem Format mit 20 Zentimetern mehr Länge und fast zehn Zentimetern mehr Breite in dem nun 4,49 Meter langen Kangoo reichlich Platz auf allen Sitzen und einen riesigen Kofferraum mit 519 bis 2031 Litern Fassungsvermögen. Außerdem
haben die Franzosen vom schubladenartigen Handschuhfach über die Deckenkonsole bis hin zur Ablage oberhalb des Lenkrades noch einmal 49 Liter Raum für den alltäglichen Kleinkram geschaffen. Dazu gibt es Türen, die vorne mit ziemlich genau 90 Grad weiter öffnen denn je und hinten natürlich wieder geschoben werden, einen besonders einfachen Klappmechanismus für die Rückbank sowie einen besonders flachen für den Beifahrersitz, bei dem man nicht nur die Lehne umlegt, sondern das gesamte Möbel im Boden versenkt – und zumindest bei der gewerblichen Version mit Kastenaufbau statt Kombi eine neue Türkonstruktion, die auf der Beifahrerseite ohne B-säule auskommt. Damit riskiert der Kangoo die ganz große Klappe.
Auch beim Fahren spürt man den Fortschritt. Weniger bei den Motoren, die mit 102 und 120 PS für die 1,3Liter-benziner oder 95 PS (Anfang 2022 auch 75 oder 115 PS) für den Diesel mit 1,5 Liter Hubraum nach wie vor eher vernünftig sind als vergnüglich und ohne Innovationen wie ein 48-Volt-system auskommen müssen. Auch die Fahrleistungen der Vierzylinder sind mit bestenfalls 12,9 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h und 183 km/h Höchstgeschwindigkeit nicht wirklich imposant.
Doch dafür wirkt der Kangoo in jeder Hinsicht souveräner und solider als bislang. Das Fahrwerk mag auch für große Lasten ausgelegt und deshalb etwas hart sein, doch bügelt es zumindest grobe Unregelmäßigkeiten tapfer weg. Nur das unbeladene Auto trampelt bisweilen unwillig über Frostaufbrüche oder Bodenwellen. Aber vor allem ist das Geräuschniveau spürbar gesunken, sodass es im Auto nicht mehr dröhnt und knistert wie in einer Keksdose und endlich Ruhe herrscht beim Reisen. Und es geht sogar noch leiser. Denn bald gibt es den Kangoo auch als Elektroauto mit 75 kw Leistung und einem 44 kwh großen Akku für mehr als 250 Kilometer Reichweite.
Auch bei der Finesse wird der Kangoo womöglich bald noch einmal nachlegen. Denn wie schon in der letzten Generation wird es ihn auch wieder bei Mercedes geben. Und diesmal begnügen sich die Schwaben nicht mit dem Citan, sondern adeln den französischen Vetter gar vollends zum Pkw und verkaufen ihn auch als T-klasse.