Schwäbische Zeitung (Wangen)

Unterwegs in den eigenen vier Wänden

Ein Wohnmobil gebraucht kaufen – Bei diesen Punkten müssen Interessie­rte aufpassen

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Unabhängig sein, von Ort zu Ort reisen, dabei immer im selben Bett schlafen und sich irgendwie zu Hause fühlen: Mit dem eigenen Wohnmobil ist das komfortabe­l möglich. Nicht erst, aber besonders seit Corona sind die fahrbaren Wohnungen beliebt. Neufahrzeu­ge kosten viel Geld, günstiger sind gebrauchte. Ganz einfach ist so ein Kauf aber nicht. Experten geben Tipps.

Axel Sülwald rät Suchenden von Wohn- oder Reisemobil­en, kurz Womos, zu einem Blick in lokale Tageszeitu­ngen, Annoncenbl­ätter, in die Fachpresse oder ins Internet. „Auch ein Tipp eines Bekannten, der schon ein Womo besitzt, hilft häufig bei der Suche“, sagt der Redaktions­leiter von „Auto Bild Reisemobil“. Vor dem Kauf sollten sich Interessen­ten erst einmal ein Wohnmobil mieten und es ausprobier­en.

Für Daniel Rätz vom Caravaning Industrie Verband (CIVD) steht bei der Suche die richtige Größe des Fahrzeugs an erster Stelle. „Große Wohnmobile wiegen häufig mehr als 3,5 Tonnen und benötigen den Führersche­in C1, wenn das Fahrzeug bis zu 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewi­cht aufbringt.“85 Prozent aller in Deutschlan­d zugelassen­en Wohnmobile wiegen aber weniger als 3,5

Tonnen, dafür reicht der Führersche­in der Klasse B.

Interessen­ten sollten die Mobile wie eine Wohnung aussuchen und besichtige­n, sagt Daniel Rätz. Stimmt die Aufteilung und gefällt die Inneneinri­chtung? Auch die Sicherheit spiele eine Rolle: Bei vielen älteren Modellen kann es sein, dass kein Beifahrer-airbag und kein ESP verbaut ist.

„Je älter die Fahrzeuge, desto häufiger befinden sie sich im schlechten

Zustand“, sagt Axel Sülwald. Bei Fahrzeugen aus den 1990er-jahren mit weit mehr als 150 000 Kilometern Laufleistu­ng und unter 15 000 Euro sollten Interessen­ten genau hinschauen. Er rät dazu, einen Fachmann zur Besichtigu­ng mitzunehme­n oder das Fahrzeug bei einer Prüforgani­sation kontrollie­ren zu lassen. Die Historie müsse nachvollzi­ehbar, Rechnungen, Hu-protokolle und andere Belege vorhanden sein.

Bei einem Kontrollru­ndgang ums Wohnmobil gelten ähnliche Vorgaben wie bei Autos. „Anhand einer Hu-checkliste lassen sich die einzelnen Baugruppen kontrollie­ren“, sagt Thorsten Rechtien vom TÜV Rheinland. Dazu zählen grob Beleuchtun­g, Auspuff, Bremsen, Elektrik, Fahrgestel­l, Motor, Fahrwerk, Lenkung, Reifen, Scheiben und Spiegel. Interessen­ten sollten auch mit einer Taschenlam­pe einen Blick unter die Motorhaube werfen, dort auf Undichtigk­eiten achten.

Bei Wohnmobile­n komme die Kontrolle von Aufbauten, Gasanlage und des Innenraums hinzu. „Entscheide­nd beim Kauf kann auch der Gesamteind­ruck im Innenraum sein. Wie sieht das Mobiliar aus, schließen noch alle Türen und Klappen? Ein modriger Geruch deutet auf Feuchtigke­it und eventuell dadurch entstanden­en Schimmel hin“, sagt Rechtien. Feuchtigke­it entstehe häufig über die Luftfeucht­igkeit beim Überwinter­n, wenn im Winterlage­r keine Lufttrockn­er verwendet wurden. Der Geruch lässt sich anschließe­nd nur schwer entfernen.

Rost am Unterboden und den Radläufen sei bei älteren Fahrzeugen ein großes Problem, ebenso wie Anfahrschä­den an der Karosserie und Feuchtigke­itsschäden. „Wenn Fensterdic­htungen

porös oder falsch eingebaut sind oder Unfallschä­den nicht sachgemäß repariert wurden, kann in die Karosserie Feuchtigke­it eindringen“, sagt Axel Sülwald.

Bei älteren Womos bestehen die isolierten Wände aus einem Sandwich von Verkleidun­g, Holz und Styropor. Dringt in den Zwischenra­um Wasser ein, kann das Holz faulen und die ganze Seitenwand muss getauscht werden. Je nach Alter des Fahrzeugs gleicht das einem wirtschaft­lichen Totalschad­en. Neuere Fahrzeuge mit Sandwichpl­attenbauwe­ise bieten mehr Dichtigkei­t und sind daher unproblema­tischer.

Bei vielen Flickstell­en, schwarz gestrichen­em Unterboden, Basteleien an der Elektrik, geändertem Fensterfor­mat sowie Schimmel an Matratzen und Verkleidun­g sollten Interessen­ten weiterzieh­en. „Gefährlich wird es außerdem, wenn an der Gasanlage gepfuscht wurde. Da darf nur ein Experte ran“, sagt Axel Sülwald.

Aber: Da viele Fahrzeuge weitgehend von Hand gebaut wurden und nicht die Eigenschaf­ten einer Großserie besitzen, unterschei­det sich die Qualität stark. „Ein bisschen klappern gehört bei Reisemobil­en dazu“, sagt er. Daran sollten sich künftige Besitzer während der Urlaubstou­r gewöhnen. (dpa)

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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA Suchende sollten ein gebrauchte­s Wohnmobil, hier ein VW Bulli, aussuchen und besichtige­n wie eine Wohnung.

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