Ein Stück Stoff als umstrittenes Symbol
Innenminister wollen einheitlich gegen Missbrauch von Reichsfahnen vorgehen
(dpa/kna) - Die Innenminister von Bund und Ländern wollen einheitlich gegen das Zeigen von Reichsfahnen und Reichskriegsflaggen aus der Kaiser- und Ns-zeit in der Öffentlichkeit vorgehen. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl, sagte, der sogenannte Mustererlass für Polizei und Ordnungsbehörden liege jetzt vor. „Damit haben wir eine Lösung gefunden für eine bundesweit einheitliche Handhabe“, erklärte der Cdu-politiker vor der Konferenz der Innenminister in der kommenden Woche im südbadischen Rust.
In den Fokus der Öffentlichkeit waren die Flaggen geraten, als Corona-leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten im August 2020 in Berlin versucht hatten, mit schwarz-weiß-rot gestreiften Reichsfahnen das Reichstagsgebäude zu stürmen. Danach waren Länder wie Bayern vorgeprescht und hatten eigene Regelungen gefunden. Strobl wollte dagegen eine gemeinsame Lösung. „Bei so einem Thema halte ich es für unangebracht und konnte das nicht nachvollziehen, wenn einzelne Länder eine Insellösung machen.“
Die Fahnen werden nach Auffassung der Innenminister vermehrt von rechtsextremistischen Gruppen als Symbol und Ersatz für die verbotene Hakenkreuzfahne genutzt. Mit dem Erlass bekämen die Behörden einen Rahmen, um „konsequent gegen den Missbrauch von Reichsflaggen, Reichskriegsflaggen und anderen Symbolen, insbesondere durch Angehörige der rechtsextremen Szene, vorzugehen“, erklärte Strobl. So werden konkrete Hinweise gegeben, wann eine Gefahr für die öffentliche Ordnung vorliegen kann. Polizei und Ordnungsbehörden sollen das Zeigen unterbinden und die Fahnen sicherstellen. Die Fahnenschwenker müssen wegen einer Ordnungswidrigkeit mit einem Verfahren rechnen. Gefahr für die öffentliche Ordnung besteht etwa, wenn solche Flaggen an einem Ort oder Datum mit historischer Symbolkraft gehisst werden. Auch wenn ausländerfeindliche Parolen skandiert werden, dürfen solche Fahnen nicht gezeigt werden. Ebenso sind sie tabu bei „paramilitärisch anmutenden Versammlungen, beispielsweise durch Kombination mit Trommeln, Fackeln, Uniformen, Marschieren in Formation oder dem Bestehen des Anscheins einer Anlehnung an Fahnenaufmärsche der Nationalsozialisten“, heißt es.
Die Flaggen-frage hat in der deutschen Geschichte eine hohe Bedeutung. „Jeder Mensch hat eine Leber, eine Milz, eine Lunge und eine Fahne“, spottete Anfang der 1930er-jahre der Berliner Journalist Kurt Tucholsky. Er prangerte an, dass die Eliten der Weimarer Republik mit der schwarz-rot-goldenen Flagge der Demokratie nichts zu tun haben wollten und sich eher mit dem Schwarz-weiß-rot der Kaiserzeit und der roten Hakenkreuzfahne identifizierten.
Unter den Begriff Reichskriegsflaggen fallen die Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes und Deutschen Reiches von 1867 bis 1921, die Kriegsflagge des Deutschen Reiches von 1922 bis 1933, die Kriegsflagge des Deutschen Reiches von 1933 bis 1935, die Reichsflagge ab 1892 sowie die Flagge des „Dritten Reichs“von 1933 bis 1935.