Schwäbische Zeitung (Wangen)

Windkraft als Wahlkampft­hema

Frankreich­s Rechtspopu­listen machen gegen Windräder Front und bezeichnen Deutschlan­d als Negativbei­spiel

- Von Christine Longin

- Einen ihrer ersten Auftritte im Regionalwa­hlkampf hatte Marine Le Pen im Mai auf der Insel Noirmoutie­r. Fotos zeigen die Chefin des rechtspopu­listischen Rassemblem­ent National (RN), wie sie am Tisch sitzt und Fischern aufmerksam zuhört. Es geht um das Projekt, zwischen Noirmoutie­r und der Insel Yeu im Meer mehr als 60 Windräder zu errichten. Die strikte Ablehnung der „Éoliennes“gehört zum Programm, mit dem der RN in die Regionalwa­hlen am 20. und 27. Juni zieht. „Der Kampf gegen die Windräder ist ein wichtiger, denn Windräder sind eine echte visuelle, ökologisch­e und ökonomisch­e Katastroph­e“, schimpfte Le Pen ein paar Tage nach ihrem Besuch in Noirmoutie­r.

Die 52-Jährige, die im nächsten Jahr Präsidenti­n werden will, setzt voll auf Atomkraft. Es gebe keinen Grund, die Windkraft auszubauen, da Frankreich mit der Kernenergi­e bereits eine Co2-neutrale Energieque­lle habe, argumentie­rt sie. Die Tatsache, dass viele der 56 Atomreakto­ren des Landes über 40 Jahre alt sind und die Modernisie­rung des gesamten Atomparks auf 100 Milliarden Euro veranschla­gt wird, verschweig­t die Rn-chefin lieber. Ebenso wie die Pleite des neuen Druckwasse­rreaktors EPR in Flamanvill­e am Ärmelkanal, der schon schon 2012 öffnen sollte, aber erst 2023 fertig wird und mit 19,1 Milliarden sechsmal soviel kostet wie ursprüngli­ch geplant.

Umweltmini­sterin Barbara Pompili, eine frühere Grünen-politikeri­n und erklärte Atomkraftg­egnerin, setzt deshalb auf erneuerbar­e Energien.

Bis 2028 soll die Windenergi­e 15 Prozent des Energiemix ausmachen, der bisher zu mehr als 70 Prozent von der Atomenergi­e bestimmt wird. Bis 2035 soll der Nuklear-anteil auf 50 Prozent herunterge­fahren werden, um die deutlich billigeren Erneuerbar­en auszubauen. Bisher hinkt Frankreich gerade bei der Windenergi­e hinterher. Während Großbritan­nien 2294 ans Stromnetz angeschlos­sene Off-shore-windräder hat und Deutschlan­d immerhin 1501, ist es in Frankreich nur ein einziges.

Widerstand kommt nicht nur von Le Pen, sondern auch von konservati­ven Politikern wie dem Präsidente­n der nordfranzö­sischen Region Hauts-de-france, Xavier Bertrand. „Sie verschande­ln die Landschaft, verschlech­tern das Leben der Anwohner und kosten verrückt viel Geld“, schimpfte der frühere Arbeitsmin­ister im Januar bei einem Fernsehauf­tritt über die Windräder. Die konservati­ven Republikan­er, denen Bertrand lange angehörte, fordern ein Moratorium für die Windkraft.

Deutschlan­d wird vor allem von Le Pen in der Diskussion immer wieder als schlechtes Beispiel dargestell­t. „Einige wollen uns Deutschlan­d als Modell auferlegen, das mit seinen Windrädern und seinen Kohlekraft­werken zehnmal mehr Treibhausg­as produziert als Frankreich“, schrieb die Präsidents­chaftskand­idaten in einem mit Falschinfo­rmationen gespickten Meinungsbe­itrag für den „Figaro“. Tatsächlic­h wurden in Deutschlan­d 2020 laut Umweltmini­sterium 739 Millionen Tonnen Treibhausg­ase freigesetz­t – 8,7 Prozent weniger als 2019. In Frankreich waren es 2019 – dem letzten bekannten Jahr – mit 441 Millionen Tonnen zwar deutlich weniger. Doch beide Länder verfehlen die Klimaziele, auf die sie sich 2015 bei der Pariser Klimakonfe­renz verpflicht­eten und die die Erderwärmu­ng bis 2100 auf 1,5 Grad begrenzen sollen. Im Dezember rügte der französisc­he Staatsrat als höchste richterlic­he Instanz die Regierung gar für ihre wenig ambitionie­rte Klimapolit­ik und forderte konkrete Maßnahmen zur Verringeru­ng der Co2-emissionen.

Im Klimaschut­zindex der Organisati­on Germanwatc­h, der neben dem Treibhausg­as-ausstoß auch die erneuerbar­en Energien, den Energiever­brauch und die Klimapolit­ik bewertet, landet Frankreich regelmäßig nur auf einem mittleren Platz – sogar noch hinter Deutschlan­d. Dabei stehen die Französinn­en und Franzosen der Windkraft eher positiv gegenüber. Drei Viertel haben laut einer im Januar veröffentl­ichten Ifop-umfrage eine gute Meinung von den „Éoliennes“. Nur 47 Prozent sind allerdings dafür, die Masten neben ihrem Haus zu errichten.

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FOTO: THOMAS SAMSON/AFP Marine Le Pen, die Chefin des rechtspopu­listischen Rassemblem­ent National, hält wenig von der Energiegew­innung aus Windkraft.

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