Über Fußball klappt die Verständigung
Manuel Müller berichtet im Meckenbeurer TSV-HEIM von seiner Arbeit für ein Hilfsprojekt in Medellín
- Für Fußball gibt es überall die gleichen Regeln, so hat es Manuel Müller bei seinem Aufenthalt in Kolumbien erlebt: „Wenn es mit der Sprache nicht geklappt hat, haben wir halt gelacht, und auf dem Platz ging es sofort. Fußball ist die Sprache, die alle verstanden haben.“
Müller arbeitete einen Monat als Freiwilliger beim Hilfsprojekt „ciudad refugio“in Medellín, einer Stadt in Kolumbien, wo Drogen alltäglich sind und Corona nicht das einzige Problem ist. „Waffenbesitz ist normal“, schildert Müller. Im Vereinsheim des TSV Meckenbeuren berichtete er vor Kurzem von seinen Eindrücken.
Medellín hat drei Millionen Einwohner und viele Drogensüchtige. „Ciudad refugio“(Stadt der Zuflucht) bietet Übernachtungsmöglichkeiten für Obdachlose, ein Programm zur Resozialisierung von Drogensüchtigen und Obdachlosen samt Betreuungsprogrammen für Kinder und Jugendliche. Manuel Müller, sportlicher Leiter des TSV Meckenbeuren, hat überall mit angefasst.
Der Tag begann für ihn oft früh – wenn er um 3.30 Uhr mit zwei Männern aus dem Resozialisierungsprogramm den Ofen in der Bäckerei anheizte. Manchmal galt es auch, zu einer Fleischfabrik zu fahren, um dort Reste einzuladen. „Die durften wir verkaufen“, erzählt er. Auch durch das Umpacken von Gewürzen verdienen Bewohner der Ciudad dazu.
Im Haus, das in einem der ärmeren Stadtteile der Millionenstadt sechsstöckig über die meist flache Bebauung der Umgebung aufragt, gibt es, wie Müller berichtet, sehr strenge Strukturen: Das Erdgeschoss ist Raum für die zahlreichen Bibelstunden, die zum Programm gehören. Im ersten Stock leben die Männer. Im zweiten Geschoss wohnen Frauen. Kontakt zwischen der Etagen ist verboten. Die dritte Ebene beherbergt Familien – oft Flüchtlinge aus Venezuela und die Frauen, die schon ein Jahr im Projekt erfolgreich hinter sich gebracht haben.
Etwa 80 Menschen leben ständig im Haus. Im fünften Stock ist auf einer Dachterrasse ein kleines Fußballfeld. „Wenn uns da ein Ball ausgekommen ist, musste ich bis runter auf die Straße laufen, um ihn wieder zu bekommen“, erzählt Müller. Hier spielt er zum Beispiel mit Jugendlichen, die über das Wochenende im Haus betreut werden, Fußball. „Da konnten alle Kinder kommen“, die Eltern hätten oft wenig Zeit für ihre Kinder, hat er beobachtet. „Die Kinder suchen Aufmerksamkeit und Zuwendung“, erzählt Müller, dem die Arbeit mit den Jugendlichen besonders viel Spaß gemacht hat.
Kontakt hat er nur mit den Männern, die im Projekt leben. Die Bewohner bauen gerade ein zweites gleich strukturiertes Gebäude, damit mehr Platz ist.
„Wenn abends die Obdachlosen zum Übernachten ins Erdgeschoss eingelassen werden, wird streng kontrolliert. Drogen oder Waffen werden eingesammelt und erst am nächsten Morgen zurückgegeben. Einmal haben wir eine Machete gefunden. Das war eine richtig krasse Erfahrung“, erzählt Müller von seinen Erfahrungen an der Pforte. „Wenn die Leute die Drogen nicht zurückbekommen würden, kämen sie nicht wieder zum Übernachten. Ich habe noch nie so viele Obdachlose gesehen wie in dieser Stadt“, beschreibt er. Um 21 Uhr ist überall im Haus Schlafenszeit.
Mit den ständigen Mitarbeitern des Projektes fuhr Müller in eine Straße, wo „alle vorstellbaren Drogen gehandelt werden“. Ciudad refugio wirbt dort für seine Programme. Müller sah Menschen mit offenen Brüchen, mit Fleischwunden oder Schwangere, die Drogen nahmen. Ein Kind klammert sich an ihn, während die Mutter in der Straße Drogen verkauft. „Der Fokus auf Drogen war extrem dort“, sagt er. „Du machst was Gutes, auch wenn du nicht jedem helfen kannst“, tröstet er sich.
Manuel Müller hat aus Deutschland rund 2000 Euro Spendengeld mitgebracht. „Das ist in einer spontanen Aktion über einen social media Aufruf zusammengekommen“, freut er sich über die Hilfsbereitschaft. Geld, mit dem Müller in Kolumbien einiges auf die Beine zu stellen vermochte: Er organisierte einen Ausflug zum Baden für die Männer, die im Projekt leben, und ein Fußballturnier im Erdgeschoss des Rohbaus. Er besorgte Grundnahrungsmittel für 130 Tüten, die an Bedürftige verteilt werden. „Seit Corona in Kolumbien Löcher in öffentliche Kassen gerissen hat, wird versucht, das zum Beispiel über eine Besteuerung von Grundnahrungsmitteln hereinzubekommen“, erfuhr Müller von den Demonstranten, die täglich durch die Straßen zogen.
Müller spendierte Pizza und Eis für die Kinder im Betreuungsprogramm oder kaufte, bevor er in die Stadt ging, 100 Bananen und Brot, das er einfach verteilte. Für einen jungen Mann finanzierte Müller einen Reisepass, um ihm die Arbeitssuche zu erleichtern. „Religion ist in Kolumbien ein Rettungsanker“, glaubt Müller. Ein Gespräch darüber werde er nie vergessen, erzählt er: „Es ist schön, dass dich am Ende einer erlöst, sagte ein 18 jähriger zu mir.“
Manuel Müller kommt auch mit vielen positiven Eindrücken zurück nach Meckenbeuren. „Beim Kicken gibt jeder alles, egal wie alt er ist“, beobachtet er auf dem Fußballplatz: In Arbeitsschuhen oder mit Sandalen werde gespielt. „Ich habe richtig gute Spieler gesehen. Die geben in jedem Zweikampf 100 Prozent“.
Beeindruckt ist er auch von der Bereitschaft zu teilen. „Die Menschen gehen mehr aufeinander zu“, findet Müller: „Das gibt einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Die haben nichts, aber die lamentieren nicht und machen einfach das Beste daraus.“
Mehr zu dem Hilfsprojekt, das Manuel Müller in Medellin unterstützt hat, findet sich unter der Internetadresse