„Um der Freude willen gebaut“
50 Jahre Schwarzer-grat-aussichtsturm: Zum Jubiläum werden Fotos gesucht
- Seit knapp zwei Wochen ist der Aussichtsturm auf dem Schwarzen Grat bei Isny wieder geöffnet und darf aktuell mit Mund-nasenschutz betreten werden. Das Ausflugsziel auf dem mit 1118,5 Meter höchsten Berg Württembergs feiert dieses Jahr Jubiläum: Vor 50 Jahren wurde der Neubau nach Plänen des Isnyer Architekten Franz Kellner eröffnet, die Zahl der Besucher allein am ersten Wochenende schätzten Berichterstatter damals auf 5000 Wanderer.
„In normalen Zeiten hätten wir das Fünfzigjährige in der gleichen Größenordnung gefeiert wie bei der Turmweihe am Himmelfahrtstag 1971. Jetzt konnte es coronageschuldet halt nur ein Grußwort sein beim ökumenischen Pfingstgottesdienst, nur eine kurze Erinnerung an die Katastrophe vom November 1967 und an die Mühen um einen zukunftsfähigen Ersatz“, erläutert Gerlinde Maier, Vorsitzende der Isnyer Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins im Rückblick.
Rund 2000 Besucher seien damals zur Turmweihe am 20. Mai 1971 gekommen, die Zeitungen berichteten von Prominenz aus Politik und Kirche, Vereinsvertretern, Musikund Trachtenkapellen aus der Region, die diesem „Ausflugsziel erster Ordnung“ihre Aufwartung machten.
Den „bequemen Isnyern“wurde über die Zeitung empfohlen, um 8.46 Uhr den Zug bis Großholzleute zu nehmen, um von dort über die Schletter bis zum Schwarzen Grat zu wandern. Stramme Wanderer sollten sich um 8 Uhr am Burgplatz einfinden, um dann in drei Stunden beim Fest einzutreffen. Ab 10 Uhr würden jedenfalls Musikkapellen aufspielen, und um 14 Uhr finde ein ökumenischer Gottesdienst statt.
In späteren Berichten ist zu lesen, dass zu den runden Geburtstagen des Bauwerks jeweils Albvereins-familienfeste rund um den Turm stattgefunden haben, teils sogar mit bischöflicher Präsenz, auf jeden Fall mit heimatländischer Unterhaltungsmusik und überbordender Geselligkeit. In den Ansprachen wurde an Superlativen nicht gespart: „Naherholungsziel der ganzen Region“– „Um der Freude willen gebaut“– „Unverzichtbarer südöstlichster Eckpfeiler des Schwäbischen Albvereins“– „Wer von oben hinabschaut ins Land, der weiß, was Heimat ist.“
Aus alten Dokumenten ist auch zu erfahren, dass ein erster Turm schon im Jahr 1878 errichtet worden ist. Der Zweite, ein nur sieben Meter hoher Pavillon aus dem Jahr 1905, habe bereits wegen der Höhe des Fichtenbestandes keine gute Aussicht mehr erlaubt. „Im November 1967 war der Pavillon abgebrannt, einfach weg, wie vom Blitz getroffen“, erinnert sich Franz Kellner, der Architekt des drei Jahre später zu bauenden, neuenturms. Wilde Spekulationen seien durchs Land gegeistert – schlussendlich blieb als Erklärung übrig: „Vom Blitz getroffen.“
Der damalige Vorstand des Albvereins, Primus Wangler, sei fleißig nach Stuttgart gepilgert, um die Landesspitze des Albvereins für einen Neubau zu gewinnen, weiß Gerlinde Maier. Mitglieder hätten zugesagt, bei der Ertüchtigung oder gar Neuanlage der Wege Hand anzulegen, damit Lastwagen bis zur Baustelle fahren können. Die Herrschaft von Quadt habe eine große Holzspende versprochen, schließlich habe der Albvereinspräsident in Stuttgart einem Turmneubau zugestimmt. Veranschlagte Kosten: 165 000 D-mark.
Der heute 87-jährige Architekt Franz Kellner wurde mit der Planung beauftragt. „Das war mein erster und auch mein einziger Turm, den ich in meinem langen Leben gezeichnet habe“, sagt Kellner mit Genugtuung. „Unter Berücksichtigung der Topographie des Hügels auf 1118 Metern Höhe und des maximalen Höhenwachstums der Fichten habe ich 27 Meter Turmhöhe mit neun Stockwerken vorgeschlagen und so auch geplant.“Weil bei diesen Dimensionen in freier Lage und auf dieser Höhe gewaltige Kräfte wirken können, habe er den Baustatiker Sepp Richard hinzugezogen. Mit den Fundamenten sei die Firma Schmid & Sohn beauftragt worden, für das tragende Gerüst die Zimmerei Reischmann, für den Treppenbau die Zimmerei Speckle, alle aus Isny.
Weil das Areal für keinen Kran zugänglich war, sei es die größte Herausforderung gewesen, alle Bauteile so zu dimensionieren, dass sie ausschließlich händisch gestemmt werden konnten. Über 150 Festmeter Holz, zum Großteil gespendet, seien in vier Monaten verbaut worden. Primus Wangler, der Vereinsvorsitzende, habe dem Architekten und Bauleiter vorzügliche Planung und Führung der Baustelle bescheinigt, ist in alten Berichten zu lesen.
Eigentümer des Territoriums auf dem Schwarzen Grat ist heute die Familie Dornier, Eigentümer des Turms die Vereinszentrale des Schwäbischen Albvereins mit Sitz in Stuttgart. Schon seit dem Jahr 1927 liegen Obhut und Pflege der Türme bei der Ortsgruppe Isny, deren Vorsitzende Gerlinde Maier aus Sommersbach seit 25 Jahren ist. Für den Platz bezahle die Ortsgruppe einen Pachtzins an die Grundbesitzer.
Seit den 1980er-jahren wird im Sommerhalbjahr an schönen Sonntagen durch den Ortsverein der kleine Kiosk geöffnet, viele Jahre in der Hauptverantwortung der Familie
Ortrud und Rudi Tischer, die vergangenen rund 20 Jahre durch Gerda und Franz Butscher.
Vor den Feierlichkeiten 2021, die sich coronabedingt nur auf den ökumenischen Gottesdienst am Pfingstmontag beschränkten, haben Isnyer Mitglieder des Schwäbischen Albvereins und Verantwortliche des Stadtmuseums mit viel Geduld in den Archiven gegraben. Die Bilder, Filme und Berichte, die zum Vorschein kamen, sind jetzt in einer der „Topothek“, einem virtuellen Fotoalbum zusammengestellt.
Die Recherchen führten außerdem zu einer kleinen Sonderausstellung im Isnyer Rathaus, die Museumsleiterin Ute Seibold und Topothek-betreuerin Melanie Lanz arrangierten. Doch die Sammlung mit Fotos vom Turm auf dem Schwarzen Grat in der „Topothek“ist noch längst nicht vollständig. „Vor allem, weil es wegen der Pandemie nicht möglich war, unser eigenes Archiv zu bearbeiten, was wir aber nachholen wollen“, erklären Jürgen Tischer vom Schwäbischen Albverein und Museumsleiterin Seibold. Ein Besuch im Internet lohne sich deshalb immer wieder.
Wer selbst noch Bilder besitzt, auch aus älteren Zeiten und von den Vorgänger-türmen auf dem Schwarzen Grat, kann sich mit dem Stadtmuseum oder dem Schwäbischen Albverein in Verbindung setzen, „damit wir unsere Sammlung ergänzen können“.