Schwäbische Zeitung (Wangen)

La Ola und die Angst vor der neuen Welle

Fan-rückkehr bei der EM sorgt wieder für Stimmung – Furcht vor Corona schwingt mit

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(SID) - La Ola in St. Petersburg, Wikinger in Kopenhagen, magische Nacht in Rom – die Rückkehr der Zuschauer in die Arenen hat der Fußball-em am ersten Wochenende eine Atmosphäre beschert, die nach den Monaten der Geisterspi­ele fast in Vergessenh­eit geraten war. Doch obwohl sich vor allem die Spieler über die gute Stimmung auf den Tribünen freuen, ist nicht allen wohl dabei. Kritiker erinnern daran, dass die Corona-pandemie längst nicht vorbei ist. Sorgen bereitet vor allem die Delta-variante.

„Geisterspi­ele mit wenigen Zuschauern waren viel sicherer als ich gedacht hatte. Auch die Fans waren disziplini­ert. Trotzdem ist es ein Fehler, Em-spiele in Großbritan­nien durchzufüh­ren“, twitterte der Spdgesundh­eitsexpert­e Karl Lauterbach noch vor der Begegnung zwischen England und Kroatien in London – und nahm die zuerst in Indien aufgetrete­ne Mutation ins Visier: „Es provoziert weitere Delta-fälle. In Großbritan­nien steigt die Zahl der Covid-hospitalis­ierungen steil.“

Die Bedenkentr­äger erhalten zusätzlich­en Rückenwind durch eine nun veröffentl­ichte Studie des Leibniz-instituts für Wirtschaft­sforschung und der University of Southern Denmark, wonach Bundesliga­begegnunge­n mit Zuschauern zu Beginn der abgelaufen­en Saison „zu einem statistisc­h signifikan­ten Anstieg der Neuinfekti­onen geführt“haben. Laut der Studie hatten die Partien an den ersten beiden Spieltagen einen „lokalen Anstieg der Infektions­raten um etwa sieben bis acht Prozent“zur Folge. Der Effekt sei „auf die Spiele zurückzufü­hren, bei denen Masken lediglich auf den Wegen zum Platz getragen werden“mussten. „Die Studie deutet darauf hin, dass Sportveran­staltungen mit vielen Zuschauern ein erhöhtes Infektions­risiko darstellen, wenn im Stadion keine konsequent­e Maskenpfli­cht gilt“, sagte Autor Philipp Breidenbac­h.

Von konsequent­er Maskenpfli­cht kann bei der EM keine Rede sein. In St. Petersburg trug fast niemand eine Mund-nase-bedeckung. In Kopenhagen durften die Zuschauer die Masken am Platz abnehmen. Diese Bilder sorgten bei vielen Beobachter­n für Unbehagen – auch wenn nur Getestete, Geimpfte und Genesene die Stadiontor­e passieren durften.

Aufgrund des Hygienekon­zepts hatte Aleksander Ceferin zum Auftakt der paneuropäi­schen Endrunde

„ein sicheres Turnier“versproche­n. „Wir sind alle gut geschützt“, hatte der Präsident der Europäisch­en Fußball-union (UEFA) betont: „Jetzt haben wir erkannt, dass die Verschiebu­ng gut war, denn letztes Jahr hätten wir eine EM ohne Fans gehabt. Jetzt haben wir zumindest ein paar, was wichtig für die EM ist, denn sie ist ein Festival des Fußballs.“

Das scheint sich allerdings noch nicht überall herumgespr­ochen zu haben. In Petersburg waren nur 26 264 statt der erlaubten 34 000 Fans im Stadion. In Baku kamen sogar lediglich 8 782 Zuschauer, zugelassen wären 34 350 gewesen. Beim Blick auf die Zahlen wird vor allem der Dienstag interessan­t. Dann wird sich zeigen, ob zum Spiel der Deutschen in München gegen Frankreich tatsächlic­h die 14 000 genehmigte­n Fans kommen und ob die Arena in Budapest bei der Partie der Ungarn gegen Portugal wirklich komplett gefüllt sein wird.

Die Spieler würden es mehrheitli­ch wohl begrüßen. „Mit all diesen Fans um uns herum ist es ein ganz anderer Fußball“, sagte Italiens Leonardo Bonucci nach dem Sieg zum Auftakt gegen die Türkei (3:0). Sein Teamkolleg­e Leonardo Spinazzola war noch euphorisch­er: „Es war ein sehr emotionale­r Abend. Wir haben die Fans wie verrückt vermisst.“

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FOTO: MCMANUS/IMAGO IMAGES Wer die Augen zumachte, dachte, das Wembley-stadion wäre komplett und nicht nur ein Viertel gefüllt.

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