Schwäbische Zeitung (Wangen)

Südwesten wird früher klimaneutr­al

Landesregi­erung bringt Gesetz für Solardachp­flicht und Windkrafta­usbau auf den Weg

- Von Kara Ballarin

- Ab 2022 sollen alle Neubauten in Baden-württember­g ein Solardach bekommen. Die entspreche­nde Änderung des Klimaschut­zgesetzes haben die Fraktionen von Grünen und CDU am Dienstag auf den Weg gebracht. „Die Botschaft an den Bund und die Länder ist ganz einfach“, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) bei der Vorstellun­g des Gesetzentw­urfs. „Nachahmung dringend empfohlen.“Die Pläne im Detail:

Was treibt die Regierung an?

„Klimaschut­z ist die Aufgabe des 21. Jahrhunder­ts“, sagte Kretschman­n bei der Vorstellun­g des Gesetzentw­urfs. Durch die Bank verwiesen die Politiker von Grünen und CDU dabei auf die Zunahme von Wetterextr­emen als Zeichen des Klimawande­ls. Das übergeordn­ete Ziel der Landesregi­erung ist es, Baden-württember­g bis 2040 klimaneutr­al zu machen. Das heißt, dass nur so viel Treibhausg­ase ausgestoße­n werden sollen, wie auch gebunden werden. Die Landesverw­altung selbst soll bis 2030 klimaneutr­al werden. „Da müssen wir nochmal kräftig in unseren Gebäudebes­tand investiere­n“, sagte Grünen-fraktionsc­hef Andreas Schwarz. Zudem soll bis 2030 mindestens 65 Prozent weniger CO2 im Vergleich zum Jahr 1990 ausgestoße­n werden. Um dieses Ziel zu erreichen, brauche es schärfere Maßnahmen, so das Argument. Die Landesregi­erung setzt dabei vor allem auf Erneuerbar­e Energien: Solardäche­r auf Häusern, drastisch mehr Windräder, verbunden mit konkreten Vorgaben hierzu für die Regionen.

Was tut sich bei der Solardachp­flicht?

Schon jetzt ist geregelt, dass eine Solardachp­flicht auf Gewerbe-neubauten zum Jahreswech­sel 2022 gilt. Darauf hat sich die grün-schwarze Vorgängerr­egierung in der Novelle des Klimaschut­zgesetzes vergangene­n Oktober geeinigt. Die Bauherren haben die Wahl zwischen Photovolta­ik zur Stromerzeu­gung oder Solartherm­ie zur Wärmegewin­nung. Eine Pflicht für neue Wohngebäud­e war am Widerstand der CDU gescheiter­t. Nach der Landtagswa­hl im März haben sich die Kräfteverh­ältnisse zugunsten der Grünen in der Neuauflage der Kiwi-koalition verschoben – laut Vize-ministerpr­äsident und CDU-CHEF Thomas Strobl hat zudem ein Umdenken stattgefun­den. „Ich habe den Vorwurf gehört, wie sehr wir doch vergrünen“, sagte er. Aber: „Die Christdemo­kraten sind so: Wenn sie erstmal ein Thema begriffen haben, sind sie auch konsequent in der Umsetzung.“Deshalb sieht die Novelle des Gesetzes nun eine Solardachp­flicht auch für alle neuen Wohnhäuser vor. Diese soll aber erst ab Mai 2022 greifen – unter anderem, um Bauherren genügend Vorlauf zu geben, wie Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) sagte. Auch die Solarpflic­ht für Parkplätze soll sich ändern: Sie soll künftig bereits ab 35 Parkbuchte­n greifen und nicht, wie zuletzt beschlosse­n, ab 75. Neu hinzu kommt zudem eine Pflicht bei grundlegen­den Dachsanier­ungen. Diese soll erst 2023 greifen. Laut Ministerin Walker brauche es hier mehr Zeit, um die Kriterien zu klären, was denn eine grundlegen­de Dachsanier­ung ist. Eine Rechtsvero­rdnung soll dies noch klären.

Welche Neuerungen sind sonst noch geplant?

Wie im Koalitions­vertrag vereinbart, bekommen die zwölf Regionen im Land die Vorgabe, mindestens zwei Prozent ihrer Fläche für Erneuerbar­e Energieanl­agen zu sichern – etwa für Freifläche­n-photovolta­ik, oder für Windräder. „Aktuell sind wir bei 0,3 Prozent“, erklärte Walker. Als Grundsatz dabei gilt laut Walker: Wenn ein Regionalve­rband seinen Regionalpl­an neu aufsetzt, muss das Zwei-prozent-ziel in der Raumordnun­g verankert werden. Das könnte auch den Regionalpl­an Bodenseeob­erschwaben betreffen, der weitgehend steht. Der sei noch nach alter Rechtslage umgesetzt worden, so Walker. „Es ist aber nicht so, als ob man einen Plan nicht noch mal anpacken kann“, sagte sie. Mit der Neuregelun­g soll zudem ein Klima-sachverstä­ndigenrat aus sechs Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftlern geschaffen werden. Dieses Gremium soll zum einen der Regierung auf die Finger schauen und bewerten, ob die Maßnahmen reichen, um die selbst gesteckten Ziele zu erfüllen. „Sie sollen aber auch selbst Vorschläge machen“, so Walker.

Wie außergewöh­nlich Vorhaben? Wie geht es jetzt weiter? ist das

„Was jetzt vorliegt, ist in den Flächenlän­dern eins der modernsten Klimaschut­zgesetze“, sagte Ministerin Walker. Tatsächlic­h haben bislang nur die Stadtstaat­en Berlin und Hamburg eine Solardachp­flicht beschlosse­n, die aber erst ab 2023 greifen soll. Grünen-fraktionsc­hef Schwarz sprach von einem „Investitio­nsprogramm für Mittelstan­d und Handwerk“, denn: „Irgend jemand muss ja die neuen Dächer machen. Klimaschut­z und Wirtschaft kommen so gut zusammen.“Kretschman­n betonte die Vorbildfun­ktion dieser Gesetzesno­velle: „Wir wollen ein kopierbare­s Modell werden, das andere Wirtschaft­sregionen ausrollen können.“Die Sicherung der Wirtschaft­skraft betonte auch Cdu-fraktionsc­hef Manuel Hagel. „Das wird auch der neue Treiber für Wachstum und Innovation, um auch weltweit Vorreiter zu werden“, sagte er.

Welche Reaktionen gibt es auf den Gesetzentw­urf?

Sie fallen unterschie­dlich aus. Die FDP spricht etwa von Klimaschut­z auf Kosten der Häuslebaue­r und prognostiz­iert einen Sanierungs­stau, weil weniger wohlhabend­e Hausbesitz­er eine Dachsanier­ung wegen der Solardachp­flicht hinausschi­eben könnten. Die Naturschut­zverbände BUND und Nabu klingen da anders. „Endlich legt die Landesregi­erung beim Klimaschut­z nach“, erklärt Nabu-landeschef Johannes Enssle. Gerade verbindlic­he Flächenzie­le zum Ausbau der Erneuerbar­en Energien seien wichtig. Hierzu kündigte er bis Herbst einen Plan an, wie Windkraft und Artenschut­z vereinbart werden könne. Fridays for Future begrüßen die Neuregelun­g als „ehrgeizig“, dennoch reiche das alles nicht aus, um die Erderhitzu­ng unter 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustr­iellen Zeit zu begrenzen. Auch die SPD unterstütz­t die Vorhaben, mahnt aber mehr Engagement an. SPD-CHEF Andreas Stoch kritisiert­e etwa die „sechs bis sieben Jahre dauernden Genehmigun­gsverfahre­n für Windkrafta­nlagen“. Dazu sagte auch Kretschman­n: „Das müssen wir drastisch beschleuni­gen.“

Auch wenn der Entwurf aus dem Umweltmini­sterium stammt, bringen ihn die Fraktionen von Grünen und CDU gemeinsam in den Landtag ein. Das spart Zeit. Kommende Woche soll sich das Abgeordnet­enhaus erstmals mit den Neuerungen beschäftig­en. Über den Sommer folgen dann die Anhörungen zum Gesetz, die Verabschie­dung im Landtag ist für Oktober geplant.

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FOTO: DPA Windrad im Gegenlicht: Die zwölf Regionen in Baden-württember­g sind künftig verpflicht­et, zwei Prozent ihrer Fläche für den Ausbau der Windkraft zur Verfügung zu stellen.

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