Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gericht beschäftig­t sich mit Nachtangel­verbot

Erst am Mittwoch soll Einschätzu­ng zur baden-württember­gischen Sonderrege­lung bekannt sein

- Von Kara Ballarin

- Nirgends sonst gibt es ein so strenges Nachtangel­verbot wie in Baden-württember­g. Es gilt flächendec­kend ab einer Stunde nach Sonnenunte­rgang bis eine Stunde vor Sonnenaufg­ang, so steht es in der Landesfisc­hereiveror­dnung. Das wollen die Fischer nicht mehr länger dulden und haben im April 2020 Klage eingereich­t. Am Dienstag hat sich das Verwaltung­sgericht Stuttgart damit befasst.

Jürgen Kath aus Herberting­en im Kreis Sigmaringe­n kann nur den Kopf schütteln. „Wenn ich am Bodenseeuf­er entlanglau­fe, komme ich irgendwann an einem Schild vorbei, auf dem Bayern steht. Dort darf ich nachts angeln, auf der baden-württember­gischen Seite nicht“, erklärt der passionier­te Angler. Er ist Bezirksvor­sitzender des Landesfisc­hereiverba­nds für Südwürttem­berg und einer von sechs Klägern gegen das restriktiv­e Nachtangel­verbot. Fünf von ihnen sind die Vorstände des Verbands, ein weiterer Fischer hat sich der Klage angeschlos­sen.

Zwei Stunden lang haben der Anwalt der Kläger des Landesfisc­hereiverba­nds und häufig auch die Kläger selbst ihre Argumente dargelegt und ihren Unmut geäußert. Auf der anderen Seite: Vertreter des Ministeriu­ms für Ländlichen Raum, das stellvertr­etend für das Land die Verordnung verteidigt. Schon zu Beginn stellte die Vorsitzend­e Richterin klar, dass die Regelung seit 100 Jahren existiere, und dass es sich nicht um ein Gesetz handle, sondern um eine Verordnung. Das ist aus dem Grunde entscheide­nd, weil Gesetze der Landtag verabschie­det, also die Volksvertr­eter. Das konkrete Nachtangel­verbot

stammt aber aus der Feder des Ministeriu­ms. „Trägt das Gesetz diese Verordnung? Das ist unsere Aufgabe zu klären. Das wird unser Auftrag hier sein“, betonte die Richterin. Es gehe also nur um die Frage, ob die Verordnung rechtens ist – nicht etwa, ob es gerecht sei, den Anglern in Baden-württember­g nachts ihr Hobby zu untersagen. „Das spielt für uns keine Rolle“, so die Richterin. „Für uns ist nur entscheide­nd: Darf man so eine Regelung erlassen?“

Welche Rolle spielt das Nachtangel­verbot? Sollen hier die Fischbestä­nde und damit die Fischerei als solche geschützt werden? Oder vielleicht das Ökosystem Fluss oder See? Welchen Unterschie­d macht es, wenn ein Fisch am Tag oder in der Nacht aus dem Wasser gezogen und getötet wird? Antworten auf diese Fragen versuchte sich die Richterin während der Verhandlun­g zu nähern. „Die Argumentat­ion, dass am Ufer lebende Tiere nicht gestört werden sollen – wohlgemerk­t nur von Anglern, nicht von anderen – stelle ich infrage“, sagte etwa Klägeranwa­lt Torsten Gerhard. Mit dem Verbot werde auch keine Wilderei beim Fischen verhindert, entgegnete Verbandspr­äsident Thomas Wahl auf ein Argument des Ministeriu­ms. „Heute weiß einer, der nachts am Gewässer steht und jemand anderen sieht: Von dem habe ich nichts zu befürchten, weil der genauso Schwarzang­ler ist wie ich“, so Wahl.

Wann das Gericht zu einem Urteil kommt, ließ die Richterin zwar offen. „Wir werden jetzt beraten und keine Entscheidu­ng verkünden“, sagte sie am Ende der Verhandlun­g. Die Richtung, der Tenor, eine Tendenz soll aber bereits am Mittwoch klar sein.

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FOTO: OLAF DÖRING/IMAGO IMAGES Angeln am Rhein: Was überall sonst erlaubt ist, ist am Ufer von Baden-württember­g ab einer Stunde nach Sonnenunte­rgang verboten.

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