Schwäbische Zeitung (Wangen)

Coronaviru­s setzt der OSK auf allen Ebenen zu

Geschäftsf­ührer Adolph: Virus wird immer aggressive­r – Klinikfina­nzen dank Hilfszahlu­ngen stabilisie­rt

- Von Lena Müssigmann

- Ein Jahr wie noch keines zuvor liegt hinter der Obeschwabe­nklinik (OSK): Die Corona-pandemie hat die Krankenhäu­ser in Ravensburg, Wangen und Bad Waldsee allesamt vor zahlreiche Herausford­erungen und die Finanzplän­e auf den Kopf gestellt. Das Defizit des Klinikverb­undes ist im Jahr 2020 mit rund 2,2 Millionen Euro zwar geringer ausgefalle­n als im Vorjahr (Minus 4,6 Millionen) und geringer als befürchtet – Grund dafür sind aber Hilfsgelde­r, die an Krankenhäu­ser ausgezahlt wurden. Über die Leistungsf­ähigkeit und Zukunft der OSK sagten die Zahlen daher wenig aus, wie Geschäftsf­ührer Oliver Adolph bei der Bilanzpres­sekonferen­z am Dienstag erklärte.

Das Jahr in Zahlen: 2020 wurden 443 Corona-patienten in den Osk-häusern gezählt, davon mussten 123 auf einer Intensivst­ation behandelt werden. Doch das zeigt nur die erste Hälfte der Pandemie: In 2021 waren es bis jetzt schon 561 weitere Patienten – und das Virus sei aggressive­r geworden, sagt Adolph. In der dritten Welle im Frühjahr sei der Anteil von Corona-patienten auf Intensivst­ationen am höchsten gewesen, die Schwerkran­ken jünger als in der ersten Welle. Hätte es den frühen Impffortsc­hritt bei Senioren nicht gegeben, wäre nicht auszudenke­n gewesen, wie sich die Lage im ersten Halbjahr 2021 entwickelt hätte, wie es im Jahresberi­cht heißt. Seit Beginn der Pandemie sind 47 Patienten in den Häusern der OSK an oder mit Corona gestorben.

Ein großer Teil dieser bedrückend­en Zahlen entfällt auf das Westallgäu-klinikum. Vor einer Woche hatte die OSK die Zwischenbi­lanz für das Wangener Krankenhau­s herausgege­ben: 367 behandelte Corona-fälle, davon 104 Menschen auf der Intensivst­ation und 38 Verstorben­e.

Im Corona-jahr sind über den ganzen Klinikverb­und rund 166 000 Patienten behandelt worden – und damit 6,6 Prozent weniger als 2019. Zum einen seien Operatione­n aufgeschob­en worden, zum anderen hätten sich Menschen aus Angst vor Corona und mit dem Wissen um die Belastung des Krankenhau­ses eher überlegt, ob sie mit einem Leiden in die Notaufnahm­e gehen, so Adolph.

Auch die Erlöse im stationäre­n Bereich sind gesunken. Und Adolph sagt offen: „Wenn das Jahreserge­bnis der OSK noch erträglich ist, dann nur dank massiver staatliche­r Hilfen.“4,1 Millionen Euro flossen vom Land an die OSK, die außerdem noch 9,6 Millionen Euro sogenannte Freihaltep­auschale vom Bund erhielt. Geschäftsf­ührer Adolph findet den Begriff Freihaltep­auschale irreführen­d und erklärt dazu: „Da stand niemand neben einem leeren Bett und hat gewartet.“Stattdesse­n sei das Personal entspreche­nd den neuen Anforderun­gen in der Pandemie umorganisi­ert worden – so seien zum Beispiel viele Anfragen von Angehörige­n zu beantworte­n und die Patienten intensiver zu begleiten gewesen. Aufgaben, die es vor der Pandemie nicht gegeben habe.

In der Pandemie sind zum Teil auch Kosten gestiegen. 700 000 Euro fielen für einen Sicherheit­sdienst an, der die Zugangsbes­chränkung für

Besucher überwachte. Für Ffp2masken sei auf dem anfangs leer gefegten Markt zeitweise fünfmal so viel verlangt worden wie vor der Pandemie.

Vom abschließe­nden Defizit in Höhe von rund 2,2 Millionen Euro sind rein rechnerisc­h 2 Millionen Euro im Westallgäu-klinikum in Wangen angefallen. Diese Verteilung des Defizits auf einzelne Häuser sei wegen der Verzerrung­en durch Ausgleichs­zahlungen im Jahr 2020 aber noch weniger aussagekrä­ftig als sonst, sagte Klinikspre­cher Winfried Leiprecht.

Da nach der Pandemie der Spardruck auf Kommunen steigen wird, sagt Adolph auch für die Krankenhäu­ser in deren Trägerscha­ft voraus: „Kostendruc­k wird sehr schnell wieder das beherrsche­nde Thema sein.“

Die Mitarbeite­r: Sie haben laut Adolph in der Corona-pandemie „viel durchlebt und durchlitte­n“, aber dazu beigetrage­n, dass die neue Situation bewältigt werden konnte. Die Belastung könne man zwar finanziell nicht kompensier­en, doch vom Geld des Bundes konnte die Klinik steuerfrei­e Prämien weitergebe­n. Die OSK habe in Absprache mit dem Betriebsra­t so verteilt: Je mehr ein Mitarbeite­r direkt mit Corona-patienten zu tun hatte, desto höher sei der Betrag ausgefalle­n, maximal wurden 1500 Euro ausgezahlt. Tariflich seien außerdem je nach Einkommen maximal 450 Euro zusätzlich ausbezahlt worden.

Adolph sagt, die Dankbarkei­t von Patienten und Bevölkerun­g – Stichwort Klatschen auf dem Balkon – sei wichtig gewesen. Über den Sommer müsse jeder Einzelne versuchen Reserven zu bilden. „Gegenwärti­g ist fast sicher davon auszugehen, dass die vierte Welle im Herbst kommt“, so Adolph.

Das Personal in der Pflege an der OSK versuche man weiterhin aufzustock­en – im Jahr 2020 habe die Klinik rechnerisc­h 30 Vollzeitst­ellen zusätzlich besetzt. Zum Stellenpla­n im Normalbetr­ieb fehlen aber noch immer Pflegekräf­te.

Die Zukunft der Klinik: Adolph will die medizinisc­hen Leistungen erweitern: Ein Ärztetande­m soll die Spezialisi­erung auf die Behandlung von Krebserkra­nkungen und chirurgisc­he Eingriffe im Bauchraum vorantreib­en. Das Team soll aus dem Chefarzt für Allgemein-, Viszeralun­d Thoraxchir­urgie Professor Thilo Welsch, Nachfolger des langjährig­en Chefarztes Professor Ekkehard Jehle, und einem Spezialist­en für Gastroente­rologie (Krankheite­n des Verdauungs­apparates) bestehen. Dieser Spezialist soll als neuer Chefarzt für Innere Medizin noch dieser Tage als Nachfolger von Professor Günther J. Wiedemann, der bis Jahresende verlängert hat, vom Aufsichtsr­at gewählt werden.

Auch die radiologis­che Diagnostik will man stärken: Der Standort Ravensburg soll einen zweiten Magnetreso­nanztomogr­aphen bekommen. Außerdem habe man vor die Kardiologi­e in zwei bis drei Jahren zu renovieren und um einen Herzlaborp­latz zu erweitern, so Adolph.

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FOTO: HEINZ MAUCH Das Wangener Krankenhau­s ist das zweitgrößt­e im Osk-verbund. Im Zuge der Corona-krise trägt es die Hauptlast an Pandemiefä­llen.

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