Schwäbische Zeitung (Wangen)

EU geht gegen Ungarn und Polen vor

Kommission leitet wegen Diskrimini­erung Vertragsve­rletzungsv­erfahren ein

- Von Daniela Weingärtne­r

- Die Eu-kommission hat am Donnerstag Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Ungarn und Polen eingeleite­t. In beiden Fällen geht es um den Vorwurf, dass Menschen mit abweichend­er sexueller Orientieru­ng diskrimini­ert werden. Am Tag zuvor hatte das polnische Verfassung­sgericht eine Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fes (EUGH) über die neu geschaffen­en Disziplina­rkammern für unvereinba­r mit polnischem Verfassung­srecht erklärt.

Ungarn hat nun zwei Monate Zeit, um darzulegen, warum das Verbot der Darstellun­g homosexuel­ler Menschen in Medien, die Kindern zugänglich sind, keine Diskrimini­erung darstellt. Polen muss sich mit dem Vorwurf befassen, nicht gegen Städte vorgegange­n zu sein, die sich zur Ltgb-freien Zone erklärt haben. Sollten die Vorwürfe nicht ausgeräumt werden, bliebe der Eu-kommission der Weg zum Europäisch­en Gerichtsho­f. Wenn aber dessen Urteile von polnischen Gerichten nicht mehr anerkannt werden, hat Brüssel in dem Konflikt nur noch zwei Optionen: Ein Verfahren nach Artikel 7 Eu-vertrag könnte letztlich dazu führen, dass die Stimmrecht­e des betroffene­n Landes ausgesetzt werden. Diese Entscheidu­ng müsste aber der Rat der Regierunge­n einstimmig billigen. Polen und Ungarn haben bereits angekündig­t, sich gegenseiti­g zu unterstütz­en.

Die zweite Möglichkei­t wäre, die beiden Länder dort zu packen, wo die Folgen schmerzhaf­t spürbar werden: bei den Finanzen. Als Warnschuss hat die Eu-kommission bereits eine erste für Ungarn bestimmte Tranche aus dem neuen Coronahilf­sfonds auf Eis gelegt. Polnischen

Kommunen, die sich Ltgb-frei erklärten, wurden vor einem Jahr Fördermitt­el für Städtepart­nerschafte­n gestrichen. Allerdings sprang der polnische Staat ein und ersetzte die Zahlungen.

Daniel Freund, grüner Vertreter im Haushaltsk­ontrollaus­schuss des Europäisch­en Parlaments, befürworte­te das Verfahren gegen Ungarn, forderte aber weitere Schritte: „Wenn Viktor Orbán Grundrecht­e, Rechtsstaa­tlichkeit und Demokratie weiter unter Beschuss nimmt, dürfen Sanktionen kein Tabu mehr sein. Eine undemokrat­ische Regierung darf im Rat nicht mitentsche­iden.“

Die Spd-europaabge­ordnete Katarina Barley fordert zudem Konsequenz­en aus der Entscheidu­ng des EUGH, in der festgestel­lt wird, dass die polnischen Disziplina­rkammern die Unabhängig­keit der Justiz gefährden und sofort abgeschaff­t werden müssen. „Mit den beiden neuerliche­n Urteilen des EUGH kann auch die Eu-kommission nicht länger wegsehen und sollte für jeden weiteren Tag, an dem die Disziplina­rkammern ihr Unwesen treiben, saftige Strafzahlu­ngen verhängen“, so die Vizepräsid­entin des Parlaments.

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FOTO: JOHN THYS/DPA Die Eu-kommission wirft Ungarns Regierungs­chef Viktor Orbán Diskrimini­erung vor.

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