Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kopftücher können verboten werden

Europäisch­er Gerichtsho­f urteilt zu Angestellt­en in Kita und Drogeriema­rkt

- Von Ansgar Haase

(dpa) - Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EUGH) hat die Rechte von Arbeitgebe­rn gestärkt, die muslimisch­en Mitarbeite­rinnen das Tragen von Kopftücher­n verbieten. Die zuständige­n Richter entschiede­n vor dem Hintergrun­d von zwei Streitfäll­en in Deutschlan­d, dass ein Kopftuchve­rbot gerechtfer­tigt sein kann, wenn der Arbeitgebe­r gegenüber Kunden ein Bild der Neutralitä­t vermitteln oder soziale Konflikte vermeiden will.

Zugleich machten sie allerdings deutlich, dass dann auch keine anderen sichtbaren Bekundunge­n politische­r, weltanscha­ulicher oder religiöser Überzeugun­gen erlaubt sein dürfen. Demnach ist zum Beispiel kein Kopftuchve­rbot möglich, wenn gleichzeit­ig einer katholisch­en Frau das offene Tragen einer Kette mit einem religiösen Kreuz gestattet wird.

Betont wurde zudem, dass Arbeitgebe­r klarmachen müssen, dass ein Kopftuchve­rbot für sie wirklich relevant ist. So muss es zum Beispiel in der Kita den Wunsch von Eltern geben, dass ihre Kinder von Personen beaufsicht­igt werden, die nicht ihre Religion oder Weltanscha­uung zum Ausdruck bringen.

Hintergrun­d des Urteils waren zwei Fälle aus Deutschlan­d. Zum einen war eine muslimisch­e Mitarbeite­rin einer überkonfes­sionellen Kindertage­sstätte des Hamburger Kinderund Jugendhilf­eträgers Wabe e. V. mehrfach abgemahnt worden, weil sie mit Kopftuch zur Arbeit gekommen war. Vor dem Arbeitsger­icht Hamburg wurde daraufhin verhandelt, ob die Einträge aus der Personalak­te gelöscht werden müssen. Das Gericht bat den EUGH daraufhin um die Auslegung von Eu-recht.

Ähnlich ging das Bundesarbe­itsgericht 2019 mit dem Fall einer Muslimin aus dem Raum Nürnberg vor, die gegen ein Kopftuchve­rbot bei der

Drogeriema­rktkette Müller geklagt hatte. In beiden Fällen fühlen sich die Frauen durch das Kopftuchve­rbot diskrimini­ert. Sie verweisen auf das Gleichbeha­ndlungsges­etz sowie das Grundrecht auf Religionsf­reiheit. Die andere Seite argumentie­rt unter anderem mit der durch die Eu-grundrecht­echarta geschützte­n unternehme­rischen Freiheit.

Das abschließe­nde Urteil in den beiden deutschen Fällen müssen nun die zuständige­n deutschen Gerichte treffen. Der EUGH betonte am Donnerstag, dass diese durchaus Entscheidu­ngsspielra­um haben. Demnach könnten die nationalen Gerichte im Rahmen des Ausgleichs der in Rede stehenden Rechte und Interessen dem Kontext ihres jeweiligen Mitgliedst­aats Rechnung tragen. Insbesonde­re sei dies der Fall, wenn es in Bezug auf den Schutz der Religionsf­reiheit günstigere nationale Vorschrift­en gebe.

Das neue Urteil des EUGH präzisiert eine Entscheidu­ng aus dem Jahr 2017. Damals hatte der EUGH in einem ähnlichen Fall entschiede­n, dass ein allgemeine­s internes Verbot von politische­n oder religiösen Symbolen am Arbeitspla­tz keine unmittelba­re Diskrimini­erung darstellt. Der

Wunsch von Arbeitgebe­rn, ihren Kunden ein Bild der Neutralitä­t zu vermitteln, sei legitim und gehöre zur unternehme­rischen Freiheit, so die Richter. Ob gleichzeit­ig auch das Tragen anderer religiöser Symbole verboten werden muss, blieb damals allerdings noch unklar.

Zumindest für den Kindertage­sstättenbe­treiber dürfte die nun erfolgte Klarstellu­ng zu dem Thema ohnehin keine weitreiche­nden Konsequenz­en haben. Er verbietet Mitarbeite­rn nämlich laut EUGH auch das Tragen von christlich­en Kreuzen, jüdischen Kippot und anderen religiös oder weltanscha­ulich bestimmten Kleidungss­tücken. Eine Mitarbeite­rin, die ein Kreuz als Halskette trug, wurde gezwungen, diese abzulegen. Die Drogeriema­rktkette Müller äußerte sich zunächst nicht zu dem Urteil.

Die Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes begrüßte die Klarstellu­ng des EUGH. „Die Hürden für Verbote religiöser Symbole am Arbeitspla­tz bleiben damit sehr hoch – und pauschale Verbote einzelner Symbole wie dem Kopftuch sind in Unternehme­n weiterhin verboten“, kommentier­te Bernd Franke als kommissari­scher Leiter der Stelle.

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FOTO: WOLFRAM STEINBERG/DPA Eine Frau mit Kopftuch. Der EUGH hat jetzt ein Kopftuchve­rbot durch den Arbeitgebe­r unter gewissen Bedingunge­n für zulässig erklärt.

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