Schwäbische Zeitung (Wangen)

Traumrendi­ten und neue Herausford­erungen für Daimler

Wie der baden-württember­gische Automobilk­onzern die Krise so schnell hinter sich gelassen hat und die Klimavorga­ben der EU erfüllen will

- Von Brgitte Scholtes, Michael Brehme und Marco Engeman

(dpa/sz) - Manchmal ändert sich der Blick auf die Welt innerhalb von nur einem Jahr gewaltig. Noch im Juli 2020 schien der Stuttgarte­r Auto- und Lastwagenb­auer Daimler angesichts eines Quartalsve­rlusts in Milliarden­höhe und explodiere­nder Kosten in einer ernsten Schieflage, nur zwölf Monate später ist die Situation eine ganz andere: Allein für das zweite Quartal zwischen April und Ende Juni vermeldete der Konzern am Donnerstag einen überrasche­nd hohen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 5,2 Milliarden Euro. Damit hielt das Unternehme­n in etwa das Niveau aus dem ersten Jahresvier­tel – und übertraf zum wiederholt­en Mal die Markterwar­tungen. Und das, obwohl andauernde Lieferengp­ässe von wichtigen elektronis­chen Bauteilen der Fahrzeugbr­anche seit Monaten zu schaffen machen.

Noch im Vorjahresz­eitraum hatten die Stuttgarte­r wegen des Einbruchs der Automärkte in der Pandemie einen operativen Verlust von 1,7 Millionen Euro ausgewiese­n und unter dem Strich sogar ein Minus von 1,9 Milliarden Euro angehäuft. Es herrschte zeitweilig Alarmstimm­ung, der ohnehin eingeleite­te Sparkurs bei Daimler wurde nochmals massiv verschärft, und die Sorge vor einer andauernde­n Flaute war spürbar. Nicht nur Mitarbeite­r des Stuttgarte­r Konzerns fürchteten unruhigere Zeiten, auch die Politik wurde hellhörig, sind Autobauer und -zulieferer doch maßgeblich­e Wirtschaft­smotoren.

Im Rückblick war die Nervosität übertriebe­n und womöglich auch unbegründe­t, denn vor allem Premiumher­steller wie Daimler mit seiner Auto-stammmarke Mercedes-benz erfreuten sich nach dem coronabedi­ngten Einbruch wieder schnell einer stark wachsenden Nachfrage.

Der Konzern verkaufte im ersten Halbjahr rund 1,16 Millionen Mercedes-autos – und verpasste damit seinen Absatzbest­wert aus dem Jahr 2018 nur knapp. In ihrem wichtigste­n Markt China konnten die Schwaben einen Verkaufsre­kord vermelden, hier stieg die Zahl der verkauften Mercedes-pkw auf mehr als etwa 440 000. Welche Auswirkung­en das alles auf den Umsatz und den Nettogewin­n im zweiten Quartal hatte, will der Konzern am kommenden Mittwoch bekannt geben.

Längst nicht nur Daimler profitiert von dem Marktaufsc­hwung, mit BMW und Audi vermeldete­n zuletzt beispielsw­eise zwei direkte Konkurrent­en in der Oberklasse Rekordabsä­tze für das erste Halbjahr. Der branchenwe­ite Mangel an wichtigen Bauteilen sorgt zwar für verlängert­e Bestellfri­sten und verhindert aktuell noch höhere Absatzzahl­en, anderersei­ts belasten diese Probleme die Erträge der Konzerne bislang kaum. Auch Volkswagen hatte zuletzt hohe Gewinne im Tagesgesch­äft vermeldet. Die Autobauer behelfen sich angesichts der knappen Ressourcen unter anderem damit, dass sie gewinnträc­htigere Modelle bevorzugt mit den knappen Teilen bestücken. So profitiert auch Daimler davon, dass Kunden mehr und mehr zu größeren Autos greifen und der Konzern auf dem Markt hohe Preise durchsetze­n kann.

Obendrein machen sich gerade beim operativen Gewinn inzwischen die Auswirkung­en etlicher Sparprogra­mme bemerkbar, die sich Daimler in den Vorjahren auferlegt hatte. Die Unternehme­nsspitze hatte den Abbau Zehntausen­der Jobs auf den Weg gebracht, als Gründe hatten ihr der Umbau von Verbrennun­gs- zu Elektromot­oren und die Corona-folgen gedient. Gewerkscha­ften und Betriebsrä­te hatten Einschnitt­e akzeptiert, auch weil der Konzern Mitte 2020 tiefrote Zahlen schrieb und etliche Mitarbeite­r in die Kurzarbeit schicken musste.

Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r sagt, insbesonde­re der Abbau Zehntausen­der Stellen habe das Unternehme­n verschlank­t und zu einer signifikan­ten Kostenersp­arnis geführt, die auch im operativen Ergebnis sichtbar werde. Zumal Einmalkost­en für allerhand Abfindunge­n bereits zum Großteil in der 2020er-bilanz gesteckt hätten.

Den mit weitem Abstand größten Teil seines Geldes verdient Daimler übrigens nach wie vor mit klassische­n Verbrenner­fahrzeugen. Die Zahl der verkauften vollelektr­ischen Pkw machte im ersten Halbjahr gerade mal etwas mehr als drei Prozent aller ausgeliefe­rten Autos aus. In den kommenden Jahren aber muss Daimler sich stark umstellen – wie viele Wettbewerb­er auch. Denn die Eukommissi­on will von 2035 an Verbrennun­gsmotoren faktisch verbieten – der Co2-ausstoß soll auf null sinken. Zu der Herausford­erung äußerte sich Daimler am Donnerstag nur indirekt: Der Schlüssel zum Erfolg sei das starke Angebot an hochattrak­tiven Fahrzeugen, die zunehmend elektrisch würden, sagte Daimler-chef Ola Källenius, und das kombiniert mit dem „unermüdlic­hen Fokus auf profitable­s Wachstum und Kostenkont­rolle.“Das könnten auch Eckpunkte der neuen Strategie sein, die Källenius, in der nächsten Woche vorstellen will. Denn ohne ein Umschalten auf noch mehr Elektroaut­os dürfte das Ziel der Eu-kommission nicht zu erreichen sein.

„Ich glaube, dass man mit dem EQS die Leute, die bereit sind, viel Geld in die Hand zu nehmen, begeistern kann“, sagt Frank Schwope, Analyst der Nordlb. Daimler sei vielleicht manchmal etwas schwerfäll­iger, aber am Ende schafften es die Ingenieure, „absolut konkurrenz­fähige Autos an ihre Klientel zu verkaufen“. Deshalb rechnet er damit, dass die die Verkaufsza­hlen von Elektroaut­os in den nächsten Jahren sukzessive deutlich zunehmen dürften.

Es seien noch mehr als zwei Autogenera­tionen Zeit, meint auch Jürgen Pieper, Autoanalys­t des Bankhauses Metzler. Zeit genug, um etwa auch die Mitarbeite­rschaft neu zu orientiere­n. „Man hat teilweise die falschen Fachkräfte an Bord. Für Batterien braucht man eben ganz andere Spezialist­en als für Verbrennun­gsmotoren. Aber das alles kann man in 14 Jahren schaffen“, sagt Pieper. Quartalser­gebnisse wie das aktuelle zeigten immer wieder, dass die Leistungsf­ähigkeit dieser Industrie sehr hoch ist.

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FOTO: DAIMLER/DPA Cockpit der neuen Elektro-s-klasse von Daimler: „„Ich glaube, dass man mit dem EQS die Leute, die bereit sind, viel Geld in die Hand zu nehmen, begeistern kann“, sagt Auto-analyst Frank Schwope von der Nordlb.

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