Traumrenditen und neue Herausforderungen für Daimler
Wie der baden-württembergische Automobilkonzern die Krise so schnell hinter sich gelassen hat und die Klimavorgaben der EU erfüllen will
(dpa/sz) - Manchmal ändert sich der Blick auf die Welt innerhalb von nur einem Jahr gewaltig. Noch im Juli 2020 schien der Stuttgarter Auto- und Lastwagenbauer Daimler angesichts eines Quartalsverlusts in Milliardenhöhe und explodierender Kosten in einer ernsten Schieflage, nur zwölf Monate später ist die Situation eine ganz andere: Allein für das zweite Quartal zwischen April und Ende Juni vermeldete der Konzern am Donnerstag einen überraschend hohen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 5,2 Milliarden Euro. Damit hielt das Unternehmen in etwa das Niveau aus dem ersten Jahresviertel – und übertraf zum wiederholten Mal die Markterwartungen. Und das, obwohl andauernde Lieferengpässe von wichtigen elektronischen Bauteilen der Fahrzeugbranche seit Monaten zu schaffen machen.
Noch im Vorjahreszeitraum hatten die Stuttgarter wegen des Einbruchs der Automärkte in der Pandemie einen operativen Verlust von 1,7 Millionen Euro ausgewiesen und unter dem Strich sogar ein Minus von 1,9 Milliarden Euro angehäuft. Es herrschte zeitweilig Alarmstimmung, der ohnehin eingeleitete Sparkurs bei Daimler wurde nochmals massiv verschärft, und die Sorge vor einer andauernden Flaute war spürbar. Nicht nur Mitarbeiter des Stuttgarter Konzerns fürchteten unruhigere Zeiten, auch die Politik wurde hellhörig, sind Autobauer und -zulieferer doch maßgebliche Wirtschaftsmotoren.
Im Rückblick war die Nervosität übertrieben und womöglich auch unbegründet, denn vor allem Premiumhersteller wie Daimler mit seiner Auto-stammmarke Mercedes-benz erfreuten sich nach dem coronabedingten Einbruch wieder schnell einer stark wachsenden Nachfrage.
Der Konzern verkaufte im ersten Halbjahr rund 1,16 Millionen Mercedes-autos – und verpasste damit seinen Absatzbestwert aus dem Jahr 2018 nur knapp. In ihrem wichtigsten Markt China konnten die Schwaben einen Verkaufsrekord vermelden, hier stieg die Zahl der verkauften Mercedes-pkw auf mehr als etwa 440 000. Welche Auswirkungen das alles auf den Umsatz und den Nettogewinn im zweiten Quartal hatte, will der Konzern am kommenden Mittwoch bekannt geben.
Längst nicht nur Daimler profitiert von dem Marktaufschwung, mit BMW und Audi vermeldeten zuletzt beispielsweise zwei direkte Konkurrenten in der Oberklasse Rekordabsätze für das erste Halbjahr. Der branchenweite Mangel an wichtigen Bauteilen sorgt zwar für verlängerte Bestellfristen und verhindert aktuell noch höhere Absatzzahlen, andererseits belasten diese Probleme die Erträge der Konzerne bislang kaum. Auch Volkswagen hatte zuletzt hohe Gewinne im Tagesgeschäft vermeldet. Die Autobauer behelfen sich angesichts der knappen Ressourcen unter anderem damit, dass sie gewinnträchtigere Modelle bevorzugt mit den knappen Teilen bestücken. So profitiert auch Daimler davon, dass Kunden mehr und mehr zu größeren Autos greifen und der Konzern auf dem Markt hohe Preise durchsetzen kann.
Obendrein machen sich gerade beim operativen Gewinn inzwischen die Auswirkungen etlicher Sparprogramme bemerkbar, die sich Daimler in den Vorjahren auferlegt hatte. Die Unternehmensspitze hatte den Abbau Zehntausender Jobs auf den Weg gebracht, als Gründe hatten ihr der Umbau von Verbrennungs- zu Elektromotoren und die Corona-folgen gedient. Gewerkschaften und Betriebsräte hatten Einschnitte akzeptiert, auch weil der Konzern Mitte 2020 tiefrote Zahlen schrieb und etliche Mitarbeiter in die Kurzarbeit schicken musste.
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sagt, insbesondere der Abbau Zehntausender Stellen habe das Unternehmen verschlankt und zu einer signifikanten Kostenersparnis geführt, die auch im operativen Ergebnis sichtbar werde. Zumal Einmalkosten für allerhand Abfindungen bereits zum Großteil in der 2020er-bilanz gesteckt hätten.
Den mit weitem Abstand größten Teil seines Geldes verdient Daimler übrigens nach wie vor mit klassischen Verbrennerfahrzeugen. Die Zahl der verkauften vollelektrischen Pkw machte im ersten Halbjahr gerade mal etwas mehr als drei Prozent aller ausgelieferten Autos aus. In den kommenden Jahren aber muss Daimler sich stark umstellen – wie viele Wettbewerber auch. Denn die Eukommission will von 2035 an Verbrennungsmotoren faktisch verbieten – der Co2-ausstoß soll auf null sinken. Zu der Herausforderung äußerte sich Daimler am Donnerstag nur indirekt: Der Schlüssel zum Erfolg sei das starke Angebot an hochattraktiven Fahrzeugen, die zunehmend elektrisch würden, sagte Daimler-chef Ola Källenius, und das kombiniert mit dem „unermüdlichen Fokus auf profitables Wachstum und Kostenkontrolle.“Das könnten auch Eckpunkte der neuen Strategie sein, die Källenius, in der nächsten Woche vorstellen will. Denn ohne ein Umschalten auf noch mehr Elektroautos dürfte das Ziel der Eu-kommission nicht zu erreichen sein.
„Ich glaube, dass man mit dem EQS die Leute, die bereit sind, viel Geld in die Hand zu nehmen, begeistern kann“, sagt Frank Schwope, Analyst der Nordlb. Daimler sei vielleicht manchmal etwas schwerfälliger, aber am Ende schafften es die Ingenieure, „absolut konkurrenzfähige Autos an ihre Klientel zu verkaufen“. Deshalb rechnet er damit, dass die die Verkaufszahlen von Elektroautos in den nächsten Jahren sukzessive deutlich zunehmen dürften.
Es seien noch mehr als zwei Autogenerationen Zeit, meint auch Jürgen Pieper, Autoanalyst des Bankhauses Metzler. Zeit genug, um etwa auch die Mitarbeiterschaft neu zu orientieren. „Man hat teilweise die falschen Fachkräfte an Bord. Für Batterien braucht man eben ganz andere Spezialisten als für Verbrennungsmotoren. Aber das alles kann man in 14 Jahren schaffen“, sagt Pieper. Quartalsergebnisse wie das aktuelle zeigten immer wieder, dass die Leistungsfähigkeit dieser Industrie sehr hoch ist.