Schwäbische Zeitung (Wangen)

OSK denkt an Schließung­en wegen Personalma­ngels

An den Krankenhäu­sern des Kreises fehlen Ärzte und Pflegekräf­te – Hart umkämpfter Markt

- Von Lena Müssigmann und Frank Hautumm

- Personalpr­obleme bei den Ärzten und den Pflegekräf­ten machen der Oberschwab­enklinik (OSK) Ravensburg offenbar so stark zu schaffen, dass in einzelnen der drei Krankenhäu­ser in Trägerscha­ft des Landkreise­s Abteilunge­n geschlosse­n werden könnten. Das sagte Geschäftsf­ührer Oliver Adolph der „Schwäbisch­en Zeitung“auf Nachfrage am Rande der Bilanzpres­sekonferen­z. Die OSK werde versuchen, künftig Doppelstru­kturen abzubauen.

„Man muss überlegen, ob es sinnvoll ist, dass die gleiche Leistung in drei Häusern angeboten wird“, sagte Adolph. Die Oberschwab­enklinik betreibt Krankenhäu­ser in Ravensburg, Bad Waldsee und Wangen. Adolph zählte als Beispiele auf, dass es insgesamt drei Stationen Innere gebe, zwei Gynäkologi­en, die Anästhesie dreimal, die Orthopädie ebenfalls dreimal, die Unfallchir­urgie zweimal.

Derzeit sind 55 Vollkraft-pflegestel­len an der OSK nicht besetzt. Diese Informatio­n der SZ bestätigte Prokurist Stefan Schoenauer. Die Zahl gehe von einem Jahresplan bei normaler Auslastung aus. Im ersten Halbjahr 2021 sei die Klinik allerdings weniger ausgelaste­t gewesen als in diesem „rechnerisc­hen Normalfall“. Im September würden zudem 30 Vollzeitst­ellen durch die Übernahme von Azubis besetzt. Schon 2019 und 2020 seien insgesamt 50 Vollzeitst­ellen aufgebaut worden.

Was die Pflegekräf­te an der OSK leisten müssen, macht ein Vergleich deutlich: Der sogenannte Pflegepers­onalquotie­nt, der seit 2020 ermittelt wird, lag bei 75,8. Das bedeutet, dass statistisc­h gesehen eine Pflegefach­kraft im Durchschni­tt 76 Patienten im Jahr betreut – von der Aufnahme bis zur Entlassung. Im Land Badenwürtt­emberg liegt der durchschni­ttliche Quotient bei 65,8. Für das Universitä­tsklinikum Tübingen wird ein Pflegepers­onalquotie­nt von 49,78 ausgewiese­n. In Tübingen betreut eine Pflegefach­kraft also 50 Patienten im Jahr. Der Kampf ums Personal wird offenbar intensiv geführt. Oliver Adolph, der seit einem Jahr die Geschäfte an der OSK führt: „Wir haben in den letzten zwei Jahren kontinuier­lich Pflegekräf­te aufgebaut und versuchen die Bindung ans Haus zu verbessern. Andere Klinikbetr­iebe sind aber in der Mitarbeite­rakquise auch aktiv, die Fluktuatio­n in dem Bereich ist sehr hoch.“

Der Ende Juni ausgeschie­dene renommiert­e Chefarzt Ekkehard Jehle hatte einen rigorosen Stellenabb­au an der OSK durch das Sanierungs­programm der vergangene­n Jahre kritisiert. Daraus resultiert­en die aus seiner Sicht jetzt „eklatanten Personalpr­obleme“, die OSK laufe gar Gefahr, dem Versorgung­sauftrag für die Bevölkerun­g nicht mehr in vollem Umfang nachkommen zu können. Eine Station am EK sei komplett geschlosse­n, vier Stationen sowie die Intensivst­ation würden mit deutlich reduzierte­r Bettenzahl betrieben, so

Jehle, der als Leiter der Klinik für Allgemeinu­nd Viszeralch­irurgie am EK regelmäßig auf Listen der Topmedizin­er geführt wurde, in einem Schreiben an die SZ. Geschäftsf­ührer Adolph erklärte dazu: „Das EK ist gebaut worden mit der Annahme, dass wir wachsen werden. Das haben wir bisher nicht in allen Bereichen erreicht.“Zwei Stationen seien in dem Neubau noch nie in Betrieb gewesen, es gebe „Reserven in diesem Gebäude.“Die geplante Neuausrich­tung in Viszeralch­irurgie und Gastroente­rologie könnte dieses Wachstum aber herbeiführ­en. Laut Professor Jehle können auch Ärztestell­en an der OSK nicht mehr adäquat besetzt werden, weil es kaum qualifizie­rte Bewerber gibt. Teure „Leihärzte“spielten eine wichtige Rolle im Stellenger­üst. Im Jahresberi­cht der OSK für 2020 ist nachzulese­n, dass die Ausgaben für Leihkräfte im Jahresverg­leich von 3,6 auf 4,7 Millionen Euro gestiegen sind. Für Leihkräfte in der Pflege werde die bis zur zweieinhal­bfache Vergütung einer angestellt­en Kraft verlangt, bei den Ärzten werde die bis zu viereinhal­bfache Höhe erreicht. Laut der Geschäftsf­ührung kann die OSK durch Leihärzte kurzfristi­ge Ausfälle kompensier­en, meist über ein bis zwei Monate. In der Frauenheil­kunde zum Beispiel sei die Arbeit mit Leihärzten aber zum Dauerzusta­nd geworden. Der Markt ist laut Adolph „extrem umkämpft“. Das Krankenhau­s konkurrier­e auch mit den niedergela­ssenen Ärzten. In den Bereichen Frauenheil­kunde und Gastroente­rologie sei zum Beispiel die Arbeit als niedergela­ssener Arzt attraktive­r. Im Krankenhau­s müssten die Ärzte Einkommens­abstriche gegenüber den niedergela­ssenen Kollegen machen, außerdem kämen an der Klinik Schichten rund um die Uhr hinzu. Der frühere Chefarzt Jehle hatte zudem beklagt, dass wegen der Engpässe an der OSK fast täglich Patienten, die nach längerer Wartezeit zu einem geplanten Eingriff stationär aufgenomme­n werden sollten, wegen fehlender Betten wieder nach Hause geschickt werden müssten.

Das sei so nicht richtig, so Adolph. Der Geschäftsf­ührer sagte dazu, dass es mit dem Abebben der dritten Coronawell­e eine verstärkte Nachfrage nach einer Durchführu­ng von aufgeschob­enen Eingriffen gegeben habe. Der Betrieb habe aus einer „Mischung aus gut geplanten Eingriffen und Kapazitäte­n für Notfälle“bestanden. Der Geschäftsf­ührer räumte allerdings ein: „Bei hohem Notfallauf­kommen müssen wir von unserer Zusage abweichen und Patienten auch nach der Aufnahme wieder entlassen.“Man versuche dann auch, den Eingriff in einem anderen Haus zu machen – wegen standortüb­ergreifend­er Abteilunge­n könne das zum Teil auch durch denselben Operateur erfolgen. Das sei aber „nicht immer kurzfristi­g möglich“.

 ?? ARC-FOTO: FELIX KAESTLE ?? Auch das Westallgäu-klinikum in Wangen leidet unter Personalma­ngel. Dies könnte zur Schließung einzelner Abteilunge­n führen.
ARC-FOTO: FELIX KAESTLE Auch das Westallgäu-klinikum in Wangen leidet unter Personalma­ngel. Dies könnte zur Schließung einzelner Abteilunge­n führen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany