OSK denkt an Schließungen wegen Personalmangels
An den Krankenhäusern des Kreises fehlen Ärzte und Pflegekräfte – Hart umkämpfter Markt
- Personalprobleme bei den Ärzten und den Pflegekräften machen der Oberschwabenklinik (OSK) Ravensburg offenbar so stark zu schaffen, dass in einzelnen der drei Krankenhäuser in Trägerschaft des Landkreises Abteilungen geschlossen werden könnten. Das sagte Geschäftsführer Oliver Adolph der „Schwäbischen Zeitung“auf Nachfrage am Rande der Bilanzpressekonferenz. Die OSK werde versuchen, künftig Doppelstrukturen abzubauen.
„Man muss überlegen, ob es sinnvoll ist, dass die gleiche Leistung in drei Häusern angeboten wird“, sagte Adolph. Die Oberschwabenklinik betreibt Krankenhäuser in Ravensburg, Bad Waldsee und Wangen. Adolph zählte als Beispiele auf, dass es insgesamt drei Stationen Innere gebe, zwei Gynäkologien, die Anästhesie dreimal, die Orthopädie ebenfalls dreimal, die Unfallchirurgie zweimal.
Derzeit sind 55 Vollkraft-pflegestellen an der OSK nicht besetzt. Diese Information der SZ bestätigte Prokurist Stefan Schoenauer. Die Zahl gehe von einem Jahresplan bei normaler Auslastung aus. Im ersten Halbjahr 2021 sei die Klinik allerdings weniger ausgelastet gewesen als in diesem „rechnerischen Normalfall“. Im September würden zudem 30 Vollzeitstellen durch die Übernahme von Azubis besetzt. Schon 2019 und 2020 seien insgesamt 50 Vollzeitstellen aufgebaut worden.
Was die Pflegekräfte an der OSK leisten müssen, macht ein Vergleich deutlich: Der sogenannte Pflegepersonalquotient, der seit 2020 ermittelt wird, lag bei 75,8. Das bedeutet, dass statistisch gesehen eine Pflegefachkraft im Durchschnitt 76 Patienten im Jahr betreut – von der Aufnahme bis zur Entlassung. Im Land Badenwürttemberg liegt der durchschnittliche Quotient bei 65,8. Für das Universitätsklinikum Tübingen wird ein Pflegepersonalquotient von 49,78 ausgewiesen. In Tübingen betreut eine Pflegefachkraft also 50 Patienten im Jahr. Der Kampf ums Personal wird offenbar intensiv geführt. Oliver Adolph, der seit einem Jahr die Geschäfte an der OSK führt: „Wir haben in den letzten zwei Jahren kontinuierlich Pflegekräfte aufgebaut und versuchen die Bindung ans Haus zu verbessern. Andere Klinikbetriebe sind aber in der Mitarbeiterakquise auch aktiv, die Fluktuation in dem Bereich ist sehr hoch.“
Der Ende Juni ausgeschiedene renommierte Chefarzt Ekkehard Jehle hatte einen rigorosen Stellenabbau an der OSK durch das Sanierungsprogramm der vergangenen Jahre kritisiert. Daraus resultierten die aus seiner Sicht jetzt „eklatanten Personalprobleme“, die OSK laufe gar Gefahr, dem Versorgungsauftrag für die Bevölkerung nicht mehr in vollem Umfang nachkommen zu können. Eine Station am EK sei komplett geschlossen, vier Stationen sowie die Intensivstation würden mit deutlich reduzierter Bettenzahl betrieben, so
Jehle, der als Leiter der Klinik für Allgemeinund Viszeralchirurgie am EK regelmäßig auf Listen der Topmediziner geführt wurde, in einem Schreiben an die SZ. Geschäftsführer Adolph erklärte dazu: „Das EK ist gebaut worden mit der Annahme, dass wir wachsen werden. Das haben wir bisher nicht in allen Bereichen erreicht.“Zwei Stationen seien in dem Neubau noch nie in Betrieb gewesen, es gebe „Reserven in diesem Gebäude.“Die geplante Neuausrichtung in Viszeralchirurgie und Gastroenterologie könnte dieses Wachstum aber herbeiführen. Laut Professor Jehle können auch Ärztestellen an der OSK nicht mehr adäquat besetzt werden, weil es kaum qualifizierte Bewerber gibt. Teure „Leihärzte“spielten eine wichtige Rolle im Stellengerüst. Im Jahresbericht der OSK für 2020 ist nachzulesen, dass die Ausgaben für Leihkräfte im Jahresvergleich von 3,6 auf 4,7 Millionen Euro gestiegen sind. Für Leihkräfte in der Pflege werde die bis zur zweieinhalbfache Vergütung einer angestellten Kraft verlangt, bei den Ärzten werde die bis zu viereinhalbfache Höhe erreicht. Laut der Geschäftsführung kann die OSK durch Leihärzte kurzfristige Ausfälle kompensieren, meist über ein bis zwei Monate. In der Frauenheilkunde zum Beispiel sei die Arbeit mit Leihärzten aber zum Dauerzustand geworden. Der Markt ist laut Adolph „extrem umkämpft“. Das Krankenhaus konkurriere auch mit den niedergelassenen Ärzten. In den Bereichen Frauenheilkunde und Gastroenterologie sei zum Beispiel die Arbeit als niedergelassener Arzt attraktiver. Im Krankenhaus müssten die Ärzte Einkommensabstriche gegenüber den niedergelassenen Kollegen machen, außerdem kämen an der Klinik Schichten rund um die Uhr hinzu. Der frühere Chefarzt Jehle hatte zudem beklagt, dass wegen der Engpässe an der OSK fast täglich Patienten, die nach längerer Wartezeit zu einem geplanten Eingriff stationär aufgenommen werden sollten, wegen fehlender Betten wieder nach Hause geschickt werden müssten.
Das sei so nicht richtig, so Adolph. Der Geschäftsführer sagte dazu, dass es mit dem Abebben der dritten Coronawelle eine verstärkte Nachfrage nach einer Durchführung von aufgeschobenen Eingriffen gegeben habe. Der Betrieb habe aus einer „Mischung aus gut geplanten Eingriffen und Kapazitäten für Notfälle“bestanden. Der Geschäftsführer räumte allerdings ein: „Bei hohem Notfallaufkommen müssen wir von unserer Zusage abweichen und Patienten auch nach der Aufnahme wieder entlassen.“Man versuche dann auch, den Eingriff in einem anderen Haus zu machen – wegen standortübergreifender Abteilungen könne das zum Teil auch durch denselben Operateur erfolgen. Das sei aber „nicht immer kurzfristig möglich“.