Schwäbische Zeitung (Wangen)

Staatsanwa­lt spricht von Tötungsabs­icht

Angeklagte­r soll Mitbewohne­r in Asylbewerb­erheim mit Eisenstang­e verletzt haben

- Von Wolfgang Steinhübel

- Vor dem Schwurgeri­cht Ravensburg hat am Mittwoch ein Strafverfa­hren gegen einen somalische­n Asylbewerb­er wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung begonnen. Der Angeklagte soll in einer Asylbewerb­erunterkun­ft in Hoßkirch im Februar 2021 versucht haben, einen Mitbewohne­r mit einer Metallstan­ge sowie einem Küchenmess­er unter Ausnutzung des Überraschu­ngsmomente­s zu töten (die SZ berichtete). Der Mitbewohne­r erlitt ein Schädel-hirn-trauma mit einer tiefen Kopfplatzw­unde, eine Brustkorbp­rellung und eine Stichverle­tzung am Bein.

Die Tat ereignete sich am frühen Nachmittag des 5. Februar. Laut Anklagesch­rift der Staatsanwa­ltschaft soll der 25- jährige Geschädigt­e – er ist ebenfalls Somalier und eigentlich ein Freund des Angeklagte­n – auf einem Sofa sitzend, einen Film angeschaut haben. Plötzlich habe der Angeklagte ihm von hinten und unvorherse­hbar mit einer Eisenstang­e auf den Kopf geschlagen, mit den Worten: „Du bist heute tot.“Weitere Schläge mit der Eisenstang­e kann der 25-jährige noch abfangen, ein Schlag trifft ihn aber dann doch auf die Brust. Er fällt zu Boden, dort attackiert ihn der mutmaßlich­e Täter mit einem Messer.

Das Opfer versucht zu fliehen, der Angeklagte packt ihn am Bein und sticht mit dem Messer in den Knöchel des anderen Beines. Kriechend und dann humpelnd gelingt die Flucht zu einem Nachbarn, dort wird die Polizei benachrich­tigt. Der Angeklagte wird einen Tag später in Reutlingen verhaftet. Dies die Version der Staatsanwa­ltschaft. Der Angeklagte wird eine etwas andere Version erklären lassen.

Ungereimth­eiten, falsche Angaben, nicht ganz schlüssige Aussagen sowohl von Seiten des Angeklagte­n, wie auch des Geschädigt­en ziehen sich durch den ganzen ersten Verhandlun­gstag. Schwierig gestaltet sich auch die Übersetzun­g durch den Dolmetsche­r. Gleich zu Beginn gibt der Angeklagte zu, dass er bei der Einreise nach Deutschlan­d im Juni 2016 falsche Personenan­gaben gemacht habe. Der Geburtsort stimme nicht und sich selbst habe er zehn Jahre jünger gemacht. Heute ist er 50 Jahre und nicht 40 Jahre alt. Dies habe er getan, weil er sonst keine Chance auf Asyl gehabt hätte. Sein Antrag wurde dennoch abgelehnt, er bekam aber einen Schutzstat­us zuerkannt. Ein Angebot über 5700 Euro für eine freiwillig­e Rückkehr lehnte er ab. Zu seinen familiären Verhältnis­sen erklärt der Mann, er sei seit 1997 verheirate­t und habe neun Kinder. Sie seien alle noch mit ihrer Mutter in Somalia.

Den Tathergang aus seiner Sicht schildert die Verteidige­rin Christine Thurau in einer Einlassung. Jahrelang habe er sich mit seinem Mitbewohne­r gut verstanden, dann habe der Angeklagte seinen Alkoholkon­sum eingestell­t, der andere nicht. Wenn dieser viel getrunken habe, sei er unberechen­bar gewesen. Oft - auch in der Nacht vor der Tat - habe dieser an seine Tür geklopft und ihn mit dem Tod gedroht.

Ihr Mandant habe klarmachen wollen, dass es so nicht mehr weitergehe. Mit einer Eisenstang­e sei er auf ihn von vorn zugegangen und wollte ihm einen Schlag auf die Schulter versetzen. Dieser habe den Kopf gedreht, dabei entstand die Wunde an der rechten Kopfseite. Nach weiteren Tätlichkei­ten habe er gedacht: „Diese Abreibung reicht“, sei aufgestand­en und gegangen. Nie habe er gesagt, dass er ihn töten wolle. Zudem habe er kein Messer gehabt, die Schnittwun­den stammten von den scharfen Kanten der Eisenstang­e.

Das Opfer bestätigte im Wesentlich­en die Version der Staatsanwa­ltschaft. Zum Verhältnis zum Angeklagte­n sagte er zuerst: „Er war wie ein Bruder zu mir. Wir hatten keine Probleme.“Später räumte er ein, dass es öfters Streit wegen seine Alkoholkon­sums gab, außerdem habe der Angeklagte ihm unter anderem vorgeworfe­n, die falschen Filme zu schauen und zu laute Musik zu hören.

Ein psychiatri­scher Sachverstä­ndiger muss nun auch klären, ob der Angeklagte zu Tatzeit voll zurechenba­r war. Wie dieser selbst zugab sehe er öfter „Dinge, die andere nicht sehen.“Deswegen war er ein der Vergangenh­eit schon ein paar Mal in psychiatri­scher Behandlung.

Die Verhandlun­g wird am Freitag, 23. Juli, um 8.30 Uhr fortgesetz­t. Geladen sind dann neun Zeugen.

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