Staatsanwalt spricht von Tötungsabsicht
Angeklagter soll Mitbewohner in Asylbewerberheim mit Eisenstange verletzt haben
- Vor dem Schwurgericht Ravensburg hat am Mittwoch ein Strafverfahren gegen einen somalischen Asylbewerber wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begonnen. Der Angeklagte soll in einer Asylbewerberunterkunft in Hoßkirch im Februar 2021 versucht haben, einen Mitbewohner mit einer Metallstange sowie einem Küchenmesser unter Ausnutzung des Überraschungsmomentes zu töten (die SZ berichtete). Der Mitbewohner erlitt ein Schädel-hirn-trauma mit einer tiefen Kopfplatzwunde, eine Brustkorbprellung und eine Stichverletzung am Bein.
Die Tat ereignete sich am frühen Nachmittag des 5. Februar. Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft soll der 25- jährige Geschädigte – er ist ebenfalls Somalier und eigentlich ein Freund des Angeklagten – auf einem Sofa sitzend, einen Film angeschaut haben. Plötzlich habe der Angeklagte ihm von hinten und unvorhersehbar mit einer Eisenstange auf den Kopf geschlagen, mit den Worten: „Du bist heute tot.“Weitere Schläge mit der Eisenstange kann der 25-jährige noch abfangen, ein Schlag trifft ihn aber dann doch auf die Brust. Er fällt zu Boden, dort attackiert ihn der mutmaßliche Täter mit einem Messer.
Das Opfer versucht zu fliehen, der Angeklagte packt ihn am Bein und sticht mit dem Messer in den Knöchel des anderen Beines. Kriechend und dann humpelnd gelingt die Flucht zu einem Nachbarn, dort wird die Polizei benachrichtigt. Der Angeklagte wird einen Tag später in Reutlingen verhaftet. Dies die Version der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte wird eine etwas andere Version erklären lassen.
Ungereimtheiten, falsche Angaben, nicht ganz schlüssige Aussagen sowohl von Seiten des Angeklagten, wie auch des Geschädigten ziehen sich durch den ganzen ersten Verhandlungstag. Schwierig gestaltet sich auch die Übersetzung durch den Dolmetscher. Gleich zu Beginn gibt der Angeklagte zu, dass er bei der Einreise nach Deutschland im Juni 2016 falsche Personenangaben gemacht habe. Der Geburtsort stimme nicht und sich selbst habe er zehn Jahre jünger gemacht. Heute ist er 50 Jahre und nicht 40 Jahre alt. Dies habe er getan, weil er sonst keine Chance auf Asyl gehabt hätte. Sein Antrag wurde dennoch abgelehnt, er bekam aber einen Schutzstatus zuerkannt. Ein Angebot über 5700 Euro für eine freiwillige Rückkehr lehnte er ab. Zu seinen familiären Verhältnissen erklärt der Mann, er sei seit 1997 verheiratet und habe neun Kinder. Sie seien alle noch mit ihrer Mutter in Somalia.
Den Tathergang aus seiner Sicht schildert die Verteidigerin Christine Thurau in einer Einlassung. Jahrelang habe er sich mit seinem Mitbewohner gut verstanden, dann habe der Angeklagte seinen Alkoholkonsum eingestellt, der andere nicht. Wenn dieser viel getrunken habe, sei er unberechenbar gewesen. Oft - auch in der Nacht vor der Tat - habe dieser an seine Tür geklopft und ihn mit dem Tod gedroht.
Ihr Mandant habe klarmachen wollen, dass es so nicht mehr weitergehe. Mit einer Eisenstange sei er auf ihn von vorn zugegangen und wollte ihm einen Schlag auf die Schulter versetzen. Dieser habe den Kopf gedreht, dabei entstand die Wunde an der rechten Kopfseite. Nach weiteren Tätlichkeiten habe er gedacht: „Diese Abreibung reicht“, sei aufgestanden und gegangen. Nie habe er gesagt, dass er ihn töten wolle. Zudem habe er kein Messer gehabt, die Schnittwunden stammten von den scharfen Kanten der Eisenstange.
Das Opfer bestätigte im Wesentlichen die Version der Staatsanwaltschaft. Zum Verhältnis zum Angeklagten sagte er zuerst: „Er war wie ein Bruder zu mir. Wir hatten keine Probleme.“Später räumte er ein, dass es öfters Streit wegen seine Alkoholkonsums gab, außerdem habe der Angeklagte ihm unter anderem vorgeworfen, die falschen Filme zu schauen und zu laute Musik zu hören.
Ein psychiatrischer Sachverständiger muss nun auch klären, ob der Angeklagte zu Tatzeit voll zurechenbar war. Wie dieser selbst zugab sehe er öfter „Dinge, die andere nicht sehen.“Deswegen war er ein der Vergangenheit schon ein paar Mal in psychiatrischer Behandlung.
Die Verhandlung wird am Freitag, 23. Juli, um 8.30 Uhr fortgesetzt. Geladen sind dann neun Zeugen.