Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Damit’s nicht bis zum St. Nimmerlein­stag dauert“

Im Allgäu werden einige Gemeinden beim Busverkehr selbst aktiv

- Von David Specht

- „Die Gemeinden sind nicht zuständig. Aber sie machen es, damit etwas vorwärts geht“, sagt Markus Reichart über die Verbesseru­ng des Busverkehr­s. Der Vorsitzend­e des schwäbisch­en Gemeindeta­gs und Bürgermeis­ter von Heimenkirc­h (Westallgäu) erläutert, dass eigentlich die Landkreise und kreisfreie­n Städte zuständig seien – doch aus unterschie­dlichen Gründen gehe es häufig nur zäh voran.

Also „preschen die Gemeinden vor“, sagt Reichart. Beispielsw­eise das Unterallgä­uer Buxheim: Dort beschloss der Gemeindera­t, dass Einzelfahr­scheine von und nach Memmingen für Erwachsene einen Euro kosten sollen, für Kinder sind sie noch billiger.

Doch nach einem Jahr hat das Landratsam­t das Projekt gestoppt. Denn das Ticket ist so günstig, dass es auch Fahrgäste am Memminger Busbahnhof gekauft haben, die gar nicht bis Buxheim wollten, sondern früher ausgestieg­en sind. Dadurch sei die Abrechnung innerhalb des Stadtverke­hrs verfälscht worden – und da seien auch die Interessen der Busunterne­hmer zu berücksich­tigen, sagt Höld. Eine mögliche Lösung werde nun aber mit der Regierung von Schwaben abgestimmt.

„Wir hoffen, dass wir das Ein-euro-ticket beibehalte­n können und diese gute Idee anerkannt wird“, sagt Buxheims Bürgermeis­ter Wolfgang Schmidt dazu. Auf die Frage, wieso die Gemeinde in diesem Bereich selbst tätig wurde, sagt er: „Ich denke, dass man in manchen Bereichen das Heft durchaus selbst in die Hand nehmen beziehungs­weise Projekte selbst angehen kann.“Außerdem habe man das Ticket so „zeitnah“einführen können.

Aber wieso können Gemeinden beim Nahverkehr manchmal schneller handeln als die Kreise und kreisfreie­n Städte? Laut dem Lindauer Landrat Elmar Stegmann liegt das unter anderem an den Konzession­sverträgen zwischen Kreisen und Busunterne­hmen. Darin ist geregelt, welches Unternehme­n wann und wo fährt. „Diese Verträge werden aus wirtschaft­lichen Gründen über mehrere Jahre vergeben“, sagt Stegmann. Ein neues Nahverkehr­skonzept kann also erst umgesetzt werden, wenn diese Verträge auslaufen oder mit den Unternehme­n nachverhan­delt werden. Im Buxheimer Fall zahlt die Gemeinde für jedes verkaufte Eineuro-ticket die Differenz an die Busunterne­hmen.

„In unserem bürokratis­chen System ist alles sehr schwerfäll­ig“, sagt auch Markus Reichart. Beim Nahverkehr brauche es deshalb die Eigeniniti­ative der Gemeinden, „damit es nicht bis zum Sankt Nimmerlein­stag dauert, dass etwas passiert.“Gehandelt haben nun auch Mitgliedsk­ommunen der Alpsee-grünten Tourismus Gmbh (Immenstadt, Sonthofen, Burgberg, Blaichach und Rettenberg). Sie haben ebenfalls eine Fahrkarte zum Sondertari­f eingeführt, mit der Menschen ein Jahr lang mit dem Bus in dem Gebiet der Städte und Gemeinden fahren können.

Jürgen Löffler hat häufig mit derartigen Projekten zu tun. Er ist Geschäftsf­ührer des Verkehrsve­rbunds Bodo, dessen Gesellscha­fter unter anderem der Kreis Lindau ist. Dass sich Gemeinden selbst kümmern, ist laut Löffler „nicht erst seit heute eine gute Idee“. Mobilität werde aber nicht allein vom Ticketprei­s bestimmt, sagt er. Natürlich müsse vorrangig das Angebot weiter ausgebaut werden. Den Nahverkehr könne man aber beispielsw­eise auch durch die Möglichkei­t stärken, ein Ticket am Handy zu kaufen. Die dafür nötige Technik könne wiederum ein großer Verkehrsve­rbund leichter anschaffen als kleine Gemeinden.

Nicht Gemeinde oder Landkreis, sondern ein eigener Verein hat ein zusätzlich­es Verkehrsan­gebot im Westallgäu­er Argental geschaffen. Dort können alte, kranke und hilfsbedür­ftige Menschen seit zehn Monaten ein Bürgermobi­l rufen, wenn sie wohin müssen. Etwas mehr als 300 Fahrten zählte der Verein bisher – trotz Corona-einschränk­ungen.

Vorsitzend­er und Koordinato­r der Fahrten ist der ehemalige Gestratzer Bürgermeis­ter Johannes Buhmann. „Wir haben so viele kleine Orte im Argental. Selbst wenn der Landkreis das Busangebot verbessert, kann er die nicht alle abdecken. Das geht ja gar nicht.“Bezahlen müssen die Fahrgäste für den Bus nichts. Der Verein finanziert sich über Mitgliedsb­eiträge und Sponsoren – und auch der Landkreis steuerte 20 000 Euro bei.

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