„Damit’s nicht bis zum St. Nimmerleinstag dauert“
Im Allgäu werden einige Gemeinden beim Busverkehr selbst aktiv
- „Die Gemeinden sind nicht zuständig. Aber sie machen es, damit etwas vorwärts geht“, sagt Markus Reichart über die Verbesserung des Busverkehrs. Der Vorsitzende des schwäbischen Gemeindetags und Bürgermeister von Heimenkirch (Westallgäu) erläutert, dass eigentlich die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig seien – doch aus unterschiedlichen Gründen gehe es häufig nur zäh voran.
Also „preschen die Gemeinden vor“, sagt Reichart. Beispielsweise das Unterallgäuer Buxheim: Dort beschloss der Gemeinderat, dass Einzelfahrscheine von und nach Memmingen für Erwachsene einen Euro kosten sollen, für Kinder sind sie noch billiger.
Doch nach einem Jahr hat das Landratsamt das Projekt gestoppt. Denn das Ticket ist so günstig, dass es auch Fahrgäste am Memminger Busbahnhof gekauft haben, die gar nicht bis Buxheim wollten, sondern früher ausgestiegen sind. Dadurch sei die Abrechnung innerhalb des Stadtverkehrs verfälscht worden – und da seien auch die Interessen der Busunternehmer zu berücksichtigen, sagt Höld. Eine mögliche Lösung werde nun aber mit der Regierung von Schwaben abgestimmt.
„Wir hoffen, dass wir das Ein-euro-ticket beibehalten können und diese gute Idee anerkannt wird“, sagt Buxheims Bürgermeister Wolfgang Schmidt dazu. Auf die Frage, wieso die Gemeinde in diesem Bereich selbst tätig wurde, sagt er: „Ich denke, dass man in manchen Bereichen das Heft durchaus selbst in die Hand nehmen beziehungsweise Projekte selbst angehen kann.“Außerdem habe man das Ticket so „zeitnah“einführen können.
Aber wieso können Gemeinden beim Nahverkehr manchmal schneller handeln als die Kreise und kreisfreien Städte? Laut dem Lindauer Landrat Elmar Stegmann liegt das unter anderem an den Konzessionsverträgen zwischen Kreisen und Busunternehmen. Darin ist geregelt, welches Unternehmen wann und wo fährt. „Diese Verträge werden aus wirtschaftlichen Gründen über mehrere Jahre vergeben“, sagt Stegmann. Ein neues Nahverkehrskonzept kann also erst umgesetzt werden, wenn diese Verträge auslaufen oder mit den Unternehmen nachverhandelt werden. Im Buxheimer Fall zahlt die Gemeinde für jedes verkaufte Eineuro-ticket die Differenz an die Busunternehmen.
„In unserem bürokratischen System ist alles sehr schwerfällig“, sagt auch Markus Reichart. Beim Nahverkehr brauche es deshalb die Eigeninitiative der Gemeinden, „damit es nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag dauert, dass etwas passiert.“Gehandelt haben nun auch Mitgliedskommunen der Alpsee-grünten Tourismus Gmbh (Immenstadt, Sonthofen, Burgberg, Blaichach und Rettenberg). Sie haben ebenfalls eine Fahrkarte zum Sondertarif eingeführt, mit der Menschen ein Jahr lang mit dem Bus in dem Gebiet der Städte und Gemeinden fahren können.
Jürgen Löffler hat häufig mit derartigen Projekten zu tun. Er ist Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Bodo, dessen Gesellschafter unter anderem der Kreis Lindau ist. Dass sich Gemeinden selbst kümmern, ist laut Löffler „nicht erst seit heute eine gute Idee“. Mobilität werde aber nicht allein vom Ticketpreis bestimmt, sagt er. Natürlich müsse vorrangig das Angebot weiter ausgebaut werden. Den Nahverkehr könne man aber beispielsweise auch durch die Möglichkeit stärken, ein Ticket am Handy zu kaufen. Die dafür nötige Technik könne wiederum ein großer Verkehrsverbund leichter anschaffen als kleine Gemeinden.
Nicht Gemeinde oder Landkreis, sondern ein eigener Verein hat ein zusätzliches Verkehrsangebot im Westallgäuer Argental geschaffen. Dort können alte, kranke und hilfsbedürftige Menschen seit zehn Monaten ein Bürgermobil rufen, wenn sie wohin müssen. Etwas mehr als 300 Fahrten zählte der Verein bisher – trotz Corona-einschränkungen.
Vorsitzender und Koordinator der Fahrten ist der ehemalige Gestratzer Bürgermeister Johannes Buhmann. „Wir haben so viele kleine Orte im Argental. Selbst wenn der Landkreis das Busangebot verbessert, kann er die nicht alle abdecken. Das geht ja gar nicht.“Bezahlen müssen die Fahrgäste für den Bus nichts. Der Verein finanziert sich über Mitgliedsbeiträge und Sponsoren – und auch der Landkreis steuerte 20 000 Euro bei.