Wo Berufsmusiker ärztliche Hilfe bekommen
In einem Zentrum an der Rotkreuzklinik Lindenberg ist der ärztliche Leiter gleichzeitig Komponist
- Hörschäden, weil sie direkt vor den Bläsern sitzen, und Nackenprobleme, weil das Geigenspiel eine besondere Körperhaltung erfordert. Unter anderem mit solchen Problemen sind Berufsmusiker konfrontiert. Um auf ihre speziellen Leiden besser eingehen zu können, gibt es an der Rotkreuzklinik in Lindenberg seit April das Zentrum für Musikermedizin. Hier können Instrumentalisten sich beraten lassen und bekommen weiterführende Therapien verschrieben.
Warum so ein Zentrum nötig ist, liegt für dessen Leiter Dr. Alfred Huber auf der Hand: „Nichtmusiker verstehen die beruflichen Nöte von Musikern oft nicht.“Da er – neben seiner Beschäftigung als leitender Oberarzt des Gelenk- und Wirbelsäulenzentrums an der Rotkreuzklinik Lindenberg und als Facharzt für
Neurochirurgie – im zweiten Beruf Komponist ist, habe er oft ein besseres Verständnis für die Probleme der Musiker als Ärzte ohne Vorkenntnisse der Branche. So wisse er zum Beispiel genau, wie ein Streicher sich bewegt und welche körperlichen Probleme daraus resultieren können.
Huber und seine Kollegen haben seit der Einweihung des Zentrums im April etwa 30 Erkrankte aus dem ganzen Allgäu behandelt. Am häufigsten haben seine Patienten Nackenverspannungen, auch aufgrund falscher Haltung. „Streicher kämpfen oft mit Schulterproblemen, Bläser haben Schwierigkeiten mit dem Atmen.“Bei so einem Fall übe dann zum Beispiel ein Hals-nasen-ohrenarzt spezielle Atemtechniken mit dem Patienten ein.
Manchen Musikern setzt auch ihre Umgebung zu. So fühlen sich die Finger der rechten Hand von Kirchenmusiker Dr. Josef Miltschitzky bei Kälte abgestorben an. Und niedrige Temperaturen kommen an seinem Arbeitsort, der Ottobeurer Basilika, im Winter öfter vor. „Manchmal musste ich aufhören, die Orgel zu spielen, weil die Schmerzen zu groß waren“, sagt der 62-Jährige.
Mit seinem Leiden ging er dann ins Zentrum für Musikermedizin in Lindenberg. „Da ich ein spezifisches Musikerproblem hatte, habe ich gehofft, dass die Ärzte mich hier besser behandeln können.“Tatsächlich habe Dr. Huber seine Probleme viel besser verstanden – eben auch wegen seines musikalischen Hintergrunds, sagt Miltschitzky. Letztlich bekam er eine Injektion, die den für die Schmerzen verantwortlichen Nerv abtöten sollte. Da diese Behandlung oft wiederholt werden muss, steht im Winter für Miltschitzky vermutlich ein weiterer Termin in Lindenberg ins Haus. Künftig will Huber das Angebot des
Zentrums noch um psychologische Unterstützung für die Patienten erweitern. „Es gibt viele hochsensible Musiker, und diese reagieren besonders stark auf Leidensdruck durch eine Krankheit.“Zudem litten überdurchschnittliche viele Berufsmusiker an Stress.
Eigentlich sollten mehrere Kollegen von Huber – er arbeitet im Zentrum mit Neurologen, Chirurgen, Physio-und Ergotherapeuten wie auch Psychologen zusammen – noch speziell für Musikermedizin geschult werden. Doch wegen der Corona-pandemie mussten die geplanten Fortbildungen verschoben werden.
Außerdem möchte Huber jungen Musikern, die kommendes Jahr einen Meisterkurs belegen, zusätzlich in Vorträgen Wissen über Fehlhaltungen und Anatomie vermitteln. „Sie lernen das in der Ausbildung nicht“, erklärt er.