Unendliche Hängepartie bis Olympia
Der Namibier Alexander Miller von Trek-vaude durfte Deutschland nicht mehr verlassen
- Der Plan von Trekvaude und Alexander Miller war klar. Der Namibier fliegt im Frühjahr aus seiner Heimat nach Deutschland, trainiert mit seinen Teamkollegen des Rennstalls aus Langenargen und dem Ötztal in Deutschland und Österreich und holt sich bei zahlreichen Rennen die Wettkampfhärte. Denn Millers Saisonhöhepunkt, vielleicht sogar der Karrierehöhepunkt, sind die Olympischen Spiele in Tokio. Die vergangenen Wochen waren jedoch hart für den 20-Jährigen – Rennteilnahmen waren nicht möglich.
Mit dem Olympiaticket in der Tasche kam Alexander Miller, von allen Alex genannt, im Frühjahr nach Deutschland. „Nach 18 Monaten in Namibia hat er etwas Eingewöhnungszeit gebraucht“, sagt sein Teamchef Bernd Reutemann. „Er hat zum Beispiel zum ersten Mal Schnee gesehen.“Wenn Reutemann jetzt allerdings in seinem Büro in Langenargen sitzt und an Millers Anfangszeit in Europa zurückdenkt, kann er über diese Kleinigkeiten nur lächeln.
Denn was dann kam, hat alle überrascht: Fahrer, Teamchef und wohl auch einige Behördenvertreter. Mitte Juni sollte Miller eigentlich zurück nach Namibia fliegen, dort bei den nationalen Meisterschaften antreten – sein Meistertrikot verteidigen – und sich anschließend auf den Höhepunkt in Tokio vorbereiten. In Namibia stiegen allerdings die Coronazahlen, die nationale Meisterschaft wurde abgesagt. „Das Olympische Komittee Namibias hat Miller davon abgeraten, nach Hause zu fliegen“, sagt Reutemann.
Stattdessen sollte der 20-jährige Mountainbikeprofi Rennen in Europa fahren, um sich auf die Olympischen Spiele vorzubereiten. Geplant war etwa ein Start beim Weltcup in Frankreich. Das Problem war inzwischen aber: Millers Schengen-visum war abgelaufen. Und dieses Visum lässt sich nicht so einfach verlängern. „Ich habe mit Botschaften telefoniert, mit dem Auswärtigen Amt, mit dem Landratsamt“, sagt Reutemann. „Alle wollten helfen, damit sich Alex vernünftig auf die Olympischen Spiele vorbereiten kann.“
Das große Aber: Keiner konnte offensichtlich wirklich helfen – Miller war also zwar in Deutschland geduldet, hier hat er eine Aufenthaltsgenehmigung. Er durfte das Land aber nicht verlassen. „Er konnte nur hier trainieren, statt in Frankreich, Österreich oder der Schweiz Rennen zu fahren“, sagt sein Teamchef. Reutemann und Miller fuhren sogar zusammen nach Frankfurt zum namibischen Konsulat. „Wegen Corona durften wir aber nicht rein, und telefonisch war keiner erreichbar“, beschreibt Reutemann den wenig hilfreichen Ausflug nach Hessen.
Die Vorbereitung auf die Spiele in Tokio war so natürlich alles andere als optimal für Miller. „Die Planung war komplett auf Olympia ausgerichtet“, sagt Reutemann. Sommerspiele sind ohnehin schon ein Riesenereignis für jeden Sportler. Dazu kommt speziell in Disziplinen wie dem Crosscountry im Mountainbike, dass die Startfelder übersichtlich sind. Auch die Topnationen dürfen nur ein bis zwei Fahrer nach Tokio schicken. „Die Chance
„Er schreit nicht vor Glück.“
auf eine gute Platzierung ist da“, meint Reutemann. Im Fall von Miller muss man aber wohl wäre sagen. „Auch das Höhentrainingslager musste er absagen“, sagt der Trekvaude-teamchef. Wie es Miller gehe, könne man sich denken, meint Reutemann. „Er schreit nicht vor Glück.“
Immerhin: Nach Tokio darf der Namibier am Dienstag fliegen – alle Unterlagen und das Visum hat Miller längst zusammen. Ob er allerdings von Japan nach Europa zurückfliegen darf, ist noch fraglich. „Wir kämpfen gerade um ein neues Visum“, sagt Reutemann. Ansonsten müsste Miller zwangsweise nach Namibia zurückkehren.
Trotz der vielen Arbeit in den vergangenen Wochen hegt Reutemann
Trek-vaude-chef Bernd Reutemann über die Laune von Alex Miller keinen Groll gegen die Behörenmitarbeiter. „Die meisten wollten helfen, und ich kenne jetzt jede Menge netter Leute“, sagt der Trek-vaudeteamchef und lacht. Dann wird er ernst und ergänzt: „Ich habe gemerkt, dass es für Menschen mit einem afrikanischen Pass derzeit deutlich schwieriger ist als für Europäer oder Us-amerikaner.“Wer Alex Miller den Stempel auf ein neues Visum hätte machen dürfen, weiß Reutemann übrigens immer noch nicht.
Alex Miller ist der einzige Trekvaude-profi, der in Tokio dabei ist. Die
hatte sich nach ihrer starken Saison berechtigte Hoffnungen gemacht, das Olympiaticket bekam jedoch ihre – ebenfalls in der absoluten Weltspitze vertretene – nationale Konkurrentin Laura Stigger.