Im Osten Russlands brennt der Wald
Der Rauch ist überall – Kohlendioxidhaltiger Nebel hängt über den Siedlungen Jakutiens
- Hunderte Feuerwalzen fressen sich auch diesen Sommer durch die Wälder im asiatischen und europäischen Russland. Ihr Rauch ist zum stabilen Zusatzfaktor für die globale Erderwärmung geworden. Der Rauch sei überall. „Über dem Feuer, im Lager, in der Stadt“, erzählt eine Freiwillige aus Moskau, die sich an den Löscharbeiten in der Republik Jakutien beteiligte. „Das hat mir am meisten Angst gemacht, dass man nirgendwo atmen kann.“
Am Wochenende vertrieben heftige Regenfälle zumindest die Brandsmogwolke über der Hauptstadt Jakutsk mit ihren 280 000 Einwohnern. Und nach Angaben des russischen Staatsfernsehens gelang es von Sonntag bis Montag fast 50 Waldbrände in Russlands flächengrößter Region zu löschen. Aber bei anhaltender Hitze gewännen die Flammen neue Kraft, der kohlendioxidhaltige Nebel hänge noch immer über 30 jakutischen Städten und Siedlungen, sei auch nach Jakutsk zurückgekehrt.
Insgesamt brannten zuletzt beinahe 750 000 Hektar Wald in Jakutien. Schon seit Wochen fressen sich Hunderte zum Teil kilometerbreite Feuerwalzen durch die Taiga, zwischenzeitlich überstiegen die Schadstoffwerte der Luft in Jakutsk die Norm um das Doppelte. Schon vergangene Woche erreichte eine gewaltige Rauchfahne Alaska. Auch im russischen Fernen Osten und in Sibirien wüten Waldbrände, ebenso in Karelien und im Leningrader Gebiet. Dort sind, wie in Jakutien, auch Torfgebiete betroffen, es gibt unterirdische Schwelbrände, die nur mit sehr großem Aufwand gelöscht werden können. Und deren Rauch besonders für Menschen mit Herz- und Lungenkrankheiten lebensgefährlich ist.
Nach Angaben der Forstbehörde Rosselchos sind bis vergangenen Mittwoch 10,2 Millionen Hektar Wald in Flammen aufgegangen, laut der Agentur RBK droht ein ähnliches Jahresergebnis wie 2019 und 2020, als nach offiziellen Angaben je 16,5 Millionen Hektar brannten, praktisch die zweifache Fläche Österreichs.
Umweltschützer machen für die Waldbrände selten die Natur in Form von Blitzschlägen, viel häufiger aber unachtsame oder mutwillige Menschen verantwortlich. 90 bis 95 Prozent der Waldbrände seien ihr Werk, sagt Andrej Schtschegolew, Waldexperte von Wwf-russland. „Oft sind es Bauern, die im Frühjahr ihre Felder auch in Waldnähe anzünden, weil sie glauben, sie so zu düngen. Oder Baumfäller, die nach dem Einschlag das Abfallholz beseitigen wollen, indem sie es verbrennen.“
Dazu steigen auch in Russland die Durchschnittstemperaturen, heizen im Sommer, auch schon im Frühjahr, einmal ausgebrochene Waldfeuer zusätzlich an. „Wir erleben den heißesten und dürrsten Sommer in Jakutien seit Beginn der Wettermessungen Ende des 19. Jahrhunderts“, sagte Republikchef Ajsen Nikolajew im Regionalfernsehen. Nikolajew macht den Klimawandel für die massenhaften Waldbrände verantwortlich.
Laut Experte Schtschegolew verlängert sich die Waldbrandsaison von Jahr zu Jahr. Auch ihre Geografie dehne sich, vor allem in Richtung Norden. So brenne dieses Jahr außer dem Mischwald der sibirischen Taiga auch das Buschwerk der Tundra auf Tschukotka oder Magadan.
Die Waldbrände schleudern tonnenweise Schadstoffe in die Atmosphäre, 2020 setzten allein die Feuer in Ostsibirien nach Angaben des Portals tayga.info 540 Megatonnen Kohlendioxid frei. Nach Angaben von Greenpeace Russland produziert das große Qualmen weltweit inzwischen 25 Prozent der Schadstoffe, die durch die Verbrennung von Öl, Kohle und Gas entstehen. Und der Wind trägt diese als Rußpartikel in die Arktis, wo sie zusehends das Eis bedecken und mit ihrer schwarzen Farbe die Sonneneinstrahlung und das Abschmelzen der Polkappen verstärken.
Laut Greenpeace vernichten die Waldbrände in Russland inzwischen drei- bis viermal so viel Wald wie legale und illegale Holzeinschläge. Besonders leidet die Taiga, der sibirische Urwald. Auf den Kahlflächen, wo ihr Nadel- oder Mischwald niedergebrannt ist, machen sich schnell wachsende Birken und Espen breit, Monobestände, deren Ökosystem viel primitiver ist. Vielen Pflanzen und Tieren droht das Aussterben. Aber diese degradierten Wälder sind auch viel anfälliger gegen Parasiten wie Borkenkäfer – oder gegen neue Waldbrände. „Die Wälder des Nordens haben einen unschätzbaren Wert, was die Bindung von Treibhausgasen angeht“, sagt der Greenpeace-experte Alexei Jaroschenko. „Ohne sie ist es unmöglich, das Klima der Welt in einem annehmbaren Rahmen zu halten.“
In Russland aber ist die Staatsmacht mangels Löschflugzeugen, Personal und Treibstoff schon seit Jahren dazu übergegangen, Waldbrände in den abgelegenen Gebieten östlich des Urals nur noch zu beobachten, statt zu bekämpfen. Andrei Schtschegolew aber ruft dazu auf, mehr Förster und Waldhüter einzustellen, um den Zugang der Bevölkerung zum Wald stärker zu kontrollieren: „Unser Ziel muss es sein, die Waldbrände erst gar nicht zuzulassen.“