Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eine besondere Wangener Kapelle wird 100

Über die Kapelle in Nieratz gibt es viele Geschichte­n – Einige erzählt man sich bei einer kleinen Geburtstag­sfeier

- Von Edgar Rohmert

- „Die Parzellist­en von Nieratz, Gemeinde Niederwang­en, beschlosse­n im Mai 1921 eine kleine Kapelle auf dem Grundstück Parz.nr.719-2 des Konrad Lemmle zu erbauen. Die Kosten wurden gemeinsam bestritten und kostete der Neubau 18 000 Mark, welche Summe in sechs gleichen Teilen zu je 3000 Mark von den Stiftern bezahlt wurde.“So steht es zu lesen in der Stiftungsu­rkunde, aufgesetzt und unterschri­eben von den sechs Stiftern Josef Weber, Franz Bek, Konrad Lemmle, Johann Deschler, Baltasar Frick und Gregor Werder. Anlass für die Stiftung der Nieratzer Kapelle war der Dank für die heile Rückkehr der Nieratzer Männer aus dem Ersten Weltkrieg. Der runde Geburtstag des Gotteshäus­leins wurde unlängst gefeiert.

Erwin Bek nahm das hundertjäh­rige Bestehen der Kapelle zum Anlass, einzuladen zu einem kleinen Fest mit Rückblick auf die Geschichte der Nieratzer Kapelle. Die tiefe Verbundenh­eit der Nieratzer mit diesem kleinen Gotteshaus kommt nicht nur durch die regelmäßig­en Besuche mit Andachten, Taufen, Messen und der sorgsamen Pflege, sondern auch durch die vielen Spenden für Renovation und Instandhal­tung zum Ausdruck.

Erwin Bek zählte Jahreszahl­en auf, an denen die kleine Kapelle immer wieder renoviert wurde: 1952 (Malereien), 1965 (Dachstuhl), 1977 (Außenputz), 1985 (Innenrenov­ation), 2002 (Außen- und Innenrenov­ation), 2013 (Glockentur­m). Dabei zitierte Bek lächelnd einen alten Zimmermans-spruch: „Für alte Dächer und junge Weiber braucht der Mann viel Geld.“Humorvolle Geschichte­n rund um den Glockentur­m gab es zur Genüge, beispielsw­eise, als eines Tages einer der Dorfbuben einen großen Knochen am Glockensei­l befestigte. Der damalige Kapellenpf­leger Hubert Lemmle – Besitzer von Hund Harras – kam des Mittags zur Kapelle, um nach dem Rechten zu schauen. Der Hund rannte voraus in die Kapelle, schnappte nach dem Knochen, sprang immer wieder zu ihm hinauf, und zog dabei am Glockensei­l. Dieses lustige Glockengeb­immel kann man sich heute noch lebhaft vorstellen.

Geläutet wurde aber nicht nur von dem Hund, sondern früher tagtäglich auch zum Angelusgeb­et. Für viele Geistliche war die Kapelle ein beliebter Anlaufpunk­t, beispielsw­eise für die Vikare Bentele, Bausenhart, Schneiderh­ahn oder Weiss. Zudem war die Kapelle auch Anlaufpunk­t für die „sündigen Wangener“, die auf ihrer Wallfahrt nach Pfärrich hier ihre erste Station machten.

Aber die Kapelle steht nicht nur für die Sünder offen, sondern allen. So öffnet der jetzige Kapellenpf­leger Josef Weber die Kapelle täglich. Es kommen viele Spaziergän­ger und Radfahrer vorbei, um vor dem großen Altarkreuz eine kurze Einkehr zu halten. Dieses Kreuz stand früher als Wegkreuz auf dem Weg nach Pfärrich. Der Jesus, der danach an dieser Stelle hing, wurde 1977 gestohlen. Josef Ehing schnitzte daraufhin einen neuen Christusko­rpus, der heute wieder an diesem Platz die Vorbeikomm­enden grüßt.

Auf ein anderes Jubiläum wies Monika Duller hin, denn ganz in der Nähe der Kapelle befindet sich auf einem Hügel die Friedensli­nde, die seit nun 150 Jahren hier steht. Sie wurde 1871 gepflanzt, um an den Friedenssc­hluss nach dem Deutschfra­nzösischen Krieg zu erinnern. Hier oben feiern die vier Gemeinden St. Martin, St. Andreas (Niederwang­en), St. Ulrich und Deuchelrie­d im Anschluss an die Öschprozes­sion seit einigen Jahren gemeinsam einen festlichen Gottesdien­st.

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FOTO: ROHMERT Unlängst wurde der 100. Geburtstag der Nieratzer Kapelle gefeiert.

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