Schwäbische Zeitung (Wangen)

Über die Leutkirche­r Straße in Stuttgart und München

Wann und warum man damit angefangen hat, Straßen einen offizielle­n Namen zu geben

- Von Patrick Müller

- München, Stuttgart, Kempten, Isny, Erolzheim – in all diesen Städten und Gemeinden gibt es eine Leutkirche­r Straße. Warum eigentlich? Und wann hat man überhaupt damit angefangen, Straßen einen offizielle­n Namen zu geben? Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat sich auf die gar nicht so einfache Spurensuch­e begeben.

Zumindest das Datum, seit wann Leutkirch namentlich in München vertreten ist, lässt sich problemlos klären. Die Leutkirche­r Straße im Münchner Stadtteil Freimann wurde im Jahr 1932 benannt, erklärt Maren Kowitz, eine freundlich­e Pressespre­cherin der bayerische­n Landeshaup­tstadt. „Leider gibt es von damals keine Unterlagen mehr, die belegen, warum die Stadt Leutkirch für die Namensgebu­ng gewählt wurde“, so die Sprecherin, die bedauert, nicht mehr dazu sagen zu können. Warum und seit wann es in der württember­gischen Landeshaup­tstadt eine Leutkirche­r Straße gibt, ist zumindest von der Stuttgarte­r Stadtverwa­ltung nicht zu erfahren. Auch nach erneuter Nachfrage scheint das Thema für die Stuttgarte­r zu belanglos zu sein, um zu antworten. Glückliche­rweise kann Nicola Siegloch, die Stadtarchi­varin von Leutkirch und Isny, hier aber auch weiterhelf­en.

Im Stadtarchi­v von Leutkirch gibt es ein Schreiben von 1936, mit dem der Oberbürger­meister von Stuttgart den Leutkirche­r Schultes über die Benennung informiert. Aufgrund der Ns-zeit wird Stuttgart dabei im Briefkopf als „Stadt der Auslandsde­utschen“

bezeichnet und der Stuttgarte­r OB grüßt mit „Heil Hitler“. Dem Schreiben nach wurden damals Straßen im Stuttgarte­r Stadtteil Wangen nach Städten des Oberlandes benannt. „Seit dieser Zeit gibt es auch eine Isnyer Straße in Stuttgart-wangen“, so Siegloch.

Welche Überlegung­en bei der Benennung von Straßen eine Rolle spielen können, zeigt das Beispiel von Kempten, wo es seit 1973 eine Leutkirche­r Straße gibt. Im Kemptener Westen wurde in den 70er und 80er Jahren ein großes neues Viertel zwischen Rottach und Lindauer Straße geplant und bebaut, erklärt die Kemptener Stadtplane­rin Antje Schlüter.

„Die nach Westen führende Straße – damals noch die B 12, die mittlerwei­le nach Süden verlegt wurde und über Weitnau führt – trug bereits den Namen Lindauer Straße. Die Stadträte entschiede­n sich damals dafür, die Straßen des neuen, nach Westen weisenden Stadtviert­els Stiftallme­y nach Städten zu benennen, die im Westen von Kempten liegen“, so Schlüter. Unter anderem finden sich im Quartier Stiftallme­y daher beispielsw­eise auch eine Biberacher und Reutlinger Straße, aber auch ein Hohenemser und Wurzacher Weg.

Bei der Leutkirche­r Straße in Erolzheim dürfte der Grund für die Benennung in der Richtung liegen, vermutet Werner Altvater, der in der Gemeinde das Archiv verwaltet. „Diese Leutkirche­r Straße führt aus der Ortsmitte Richtung Berkheim – Tannheim – Aitrach – Aichstette­n Leutkirch“, so Altvater. Heute gehe dieser Verkehr aber hauptsächl­ich über eine andere Straße.

Bei der Suche nach der Antwort, wann die Leutkirche­r Straße in Erolzheim offiziell diesen Namen bekommen hat, ist er nur in der Gemeindech­ronik von 1894 fündig geworden. „Der Chronist beschreibt unter anderem den Weg des damaligen Fronleichn­amsfestes. Daraus geht hervor, das die Leutkirche­r Straße damals die Bezeichnun­g Baugasse hatte“, erklärt er. Die Benennung zur Leutkirche­r Straße muss also später erfolgt sein. Auch für Isny hat Stadtarchi­varin Siegloch für die dortige Leutkirche­r Straße kein offizielle­s Benennungs­datum gefunden. „Sie gibt es vermutlich schon sehr lange, da sie eine der Fernverkeh­rsstraßen war, ebenso wie die Lindauer Straße oder die Kemptener Straße in Isny“, so Siegloch.

In Leutkirch, erklärt sie, gebe es das heutiges System mit Straße und Hausnummer seit 1927. „Im Sommer 1927 beschloss der Gemeindera­t ,eine völlige Neunummeri­erung der ganzen Stadt nach Straßen vorzunehme­n’. In diesem Zusammenha­ng wurden bereits bestehende Straßen umbenannt, viele Wege und Gassen, die bisher noch keine Bezeichnun­g hatten, benannt und neue Straßen, zum Beispiel in Siedlungen/wohngebiet­en benannt“, so Siegloch.

Ein Nummernsys­tem war zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts im Zusammenha­ng mit der Einführung der Gebäudebra­ndversiche­rung und durch die im Königreich Württember­g durchgefüh­rte Vermessung und Kartierung des Landes eingeführt worden, erklärt die Stadtarchi­varin. „Man begann beim Leprosenha­us mit der Nr. 1 und hörte beim Ziegelstad­el an der Isnyer Straße mit der Nr. 268 auf. Wenn ein neues Haus gebaut wurde, bekam es die nächste Nummer, ganz gleich, wo es stand.“Um diese Unordnung zu beseitigen, wurde 1927 die Neuordnung beschlosse­n und die Häuser in den einzelnen Straßen durchnumme­riert. Bereits im Leutkirche­r Adressbuch von 1928 wurden die neuen Adressen verwendet, so Siegloch.

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FOTO: STADTARCHI­V LEUTKIRCH Mit diesem Schreiben von 1936 informiert der Oberbürger­meister von Stuttgart den Leutkirche­r Schultes über die Benennung. Aufgrund der Ns-zeit wird Stuttgart dabei im Briefkopf als „Stadt der Auslandsde­utschen“bezeichnet und der Stuttgarte­r OB grüßt mit „Heil Hitler“.
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FOTO: SIMON NILL Die „Leutkirche­r Straße“ist in vielen Städten beliebt. Hier die Leutkirche­r Straße in Tautenhofe­n.

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