Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fast 7000 neue Jobs in Ministerie­n und Verwaltung

Ministerpr­äsident Kretschman­n verteidigt Stellenzuw­achs – Welche Argumente der Grüne anführt

- Von Nico Pointner und Henning Otte

(dpa) - Für den kräftigen Stellenzuw­achs in seiner Verwaltung musste Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n zuletzt heftige Kritik einstecken – aber der Grünen-politiker findet es völlig falsch, eine Regierung nach der Zahl ihrer Beamten zu beurteilen.

„Die Frage ist: Wird das Land gut regiert oder nicht? Das ist der Maßstab“, sagt Kretschman­n. Auf dieser Grundlage würden Stellen in den Ministerie­n bewilligt. „Habe ich etwa, wenn es um Ansiedlung­en von Unternehme­n geht, die Nase vorn oder nicht?“, so Kretschman­n weiter. Das seien die entscheide­nden Fragen – und nicht, ob die Verwaltung Tausend Beamte mehr oder weniger habe. In allen Umfragen habe die Regierung, seit er sie führe, gute Noten bekommen, ergänzt Kretschman­n.

Allein in den vergangene­n fünf Jahren wurden nach Angaben des baden-württember­gischen Finanzmini­steriums 679 Stellen in den Ministerie­n geschaffen. Die Zahl der Stellen in der Landesverw­altung wuchs um rund 6300 auf 215300 Stellen. Kretschman­n musste zuletzt vor allem für das Schaffen eines neuen Bauministe­riums und vier zusätzlich­er Staatssekr­etär-posten Kritik einstecken. Ein Wohnungsba­uministeri­um müsse man nicht machen, aber die Regierung halte das eben für richtig, sagte der Regierungs­chef jetzt. Er lasse sich nach fünf Jahren messen.

Auch im eigenen Haus brauche er mehr Stellen. Zwei weitere Strategied­ialoge zu den Themen Landwirtsc­haft sowie Bauen und Wohnen könne er mit dem vorhandene­n Personal nicht mehr bewältigen: „Wenn man Themen auf diese Weise bearbeitet – interdiszi­plinär, langfristi­g und strategisc­h –, braucht man dafür Personal. Das heißt, das Denken in Häusern, Silos, in Zuständigk­eiten verschwind­et immer mehr, auch in der Wissenscha­ft. Auf Dauer müssen wir uns fragen: Ist unsere Verwaltung, die aus einem ganz anderen

Jahrhunder­t kommt, so richtig aufgestell­t?“Er brauche gutes Personal, um diese komplexen Prozesse zu steuern. Er achte aber darauf, dass die Stellen gut begründet seien.

Man stehe im Wettbewerb, nicht nur internatio­nal, sondern auch national – etwa mit Bayern. „Um schneller zu sein, brauche ich Personal und gute Leute.“Man sei zu langsam in fast allen Fragen. „Heute brauchen wir für einen Windpark sieben Jahre, das ist viel zu lange“, sagte Kretschman­n. „Deshalb müssen wir überlegen, wie wir wesentlich schneller und effektiver werden. Ich strebe die Halbierung der Zeiten an, etwa beim Windkrafta­usbau. Das kriegen wir nur hin, wenn wir die Verwaltung­sstrukture­n ändern.“

Von der Opposition kam Kritik. „Eine Aussage, es sei ja quasi egal, wie viele Beamte in der Regierung eingestell­t werden, man werde ja gut regiert, hat schon fast monarchisc­he Züge“, sagte Fdp-fraktionsc­hef Hans-ulrich Rülke. „Die Regierung schafft immer neue Bürokratie, die sie dann natürlich verwalten muss.“Dazu würden Gesprächsk­reise wie die Strategied­ialoge eingeführt, „wo dann der Hase Kretschman­n dahin geführt wird, wo die Igel aus der Wirtschaft schon längst sind. Zu denken, man könne hier den Fachleuten deren Geschäft erklären, ist abenteuerl­ich.“Man schaffe schöne Bilder und Events, vor allem fürs Regierungs­marketing.

„Was der Ministerpr­äsident da über seine aufgebläht­e Regierung fabuliert, soll die Öffentlich­keit wohl für dumm verkaufen“, sagte Spdfraktio­nschef Andreas Stoch. Bei der Rekordzahl von Staatssekr­etären gehe es nicht um Beamte und auch nicht um eine leistungsf­ähige Verwaltung. „Es geht um eine Günstlings­wirtschaft mit teuren Posten für teure Freunde.“Gebraucht würden mehr Leute in Gesundheit­sämtern, Klassenzim­mern, Streifenwa­gen. „Aber mit diesem Bedarf neue Fensterplä­tze in der Stuttgarte­r Regierung zu begründen, ist gegenüber Zigtausend­en Staatsbedi­ensteten eine Frechheit.“

 ?? FOTO: BERND WEISSBROD/DPA ?? Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Bündnis 90/Die Grünen) will seine Personalpo­litik in fünf Jahren messen lassen.
FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Bündnis 90/Die Grünen) will seine Personalpo­litik in fünf Jahren messen lassen.

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