Wolfgang Schäuble würdigt in Biberach die Verdienste Matthias Erzbergers
Als „großen Parlamentarier und Demokraten“hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) den vor 100 Jahren von rechten Extremisten ermordeten Zentrumspolitiker und Reichstagsabgeordneten Matthias Erzberger gewürdigt. Schäuble war am Donnerstagabend Hauptredner einer Gedenkveranstaltung in der Biberacher Stadthalle zu Erzbergers Todestag.
- Baden-württembergs Innenminister Thomas Strobl verspricht Flüchtlingen aus Afghanistan schnelle und unbürokratische Hilfe. Ihre Aufnahme in den Ländern sei gesichert, betont der Cdu-politiker. Im Interview kritisiert er auch die FDP, weil diese vor dem Verfassungsgericht gegen die Überwachung verschlüsselter Kommunikation, die sogenannte Quellen-tkü, klagt.
Herr Strobl, viele Cdu-politiker, darunter Sie selbst, warnten mit Blick auf Afghanistan: 2015 darf sich nicht wiederholen. Ist das die richtige Reaktion angesichts der Zustände dort?
2015 wurden Fehler gemacht. Weltweit haben Staaten Hilfsorganisationen, auch dem UNHCR die Mittel gekürzt. Für Flüchtlinge etwa in der Türkei war nicht einmal mehr die Versorgung mit knapp einem Dollar pro Tag gewährleistet. Deshalb haben sich viele Hunderttausend Menschen unkontrolliert auf den Weg nach Europa und Deutschland gemacht. Das ist es, was sich mit Blick auf Afghanistan nicht wiederholen darf. Wer aus dem Land flüchtet, geht zuerst in die Nachbarländer. Dort müssen wir den Flüchtlingen eine Perspektive geben, durch Bildung, berufliche Qualifikation und dergleichen. Das wird viel Geld kosten, doch es würde ein vielfaches mehr kosten, wenn wir diese Menschen bei uns aufnehmen müssten.
Auch Alice Weidel von der AFD sagt, 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Sie meint, und viele Menschen verstehen das so, dass Deutschland überfordert war. Waren wir das?
Ich weiß nicht, was Frau Weidel alles plappert, und ich kommentiere das nicht. Jedenfalls, wie ich sagte, 2015 ist nicht alles optimal gelaufen. Entscheidend ist freilich: Wir haben es unter Kontrolle gebracht. 2015 kamen fast 100 000 Flüchtlinge nach Baden-württemberg, im vergangenen Jahr waren es 7000. Wir hatten Kontrolle versprochen, wir haben Kontrolle, wir haben Wort gehalten.
Ihre grün-schwarze Regierung streitet über ein Landeskontingent zur Aufnahme afghanischer Flüchtlinge. Muss hier nicht viel schneller und unbürokratischer geholfen werden?
Es wird schnell und unbürokratisch geholfen. Wir haben kein Verteilungsproblem. Bereits Mitte Juni waren wir unter meinem Vorsitz in der Innenministerkonferenz einig, dass die Länder die Ortskräfte aufnehmen. Damals sind wir von insgesamt 5000 Menschen ausgegangen. Inkludie
Biberach war Zentralort von Erzbergers damaligem Wahlkreis Württemberg, hier befindet sich auch sein Grab. Schäuble würdigte Erzberger als einen Wegbereiter der Demokratie auf deutschem Boden unter schwierigen Bedingungen. Er hob seine Bedeutung als Reichsfinanzminister hervor, der das Steuer- und Finanzsystem neu ordnete. Auf Erzberger geht die einheitliche Einkommensteuer zurück, sive der Familien und besonders schutzbedürftiger Menschen – ich denke an Frauenrechtlerinnen oder Journalistinnen und Journalisten – wird nun, verteilt auf die gesamte Republik, von etwa 10 000 Personen ausgegangen. Die Aufnahme und die Verteilung in den Ländern ist gesichert.
Was passiert nun mit ausreisepflichtigen Afghanen in Badenwürttemberg?
Es ist offensichtlich, dass man jetzt niemanden nach Afghanistan abschieben kann. Und evident ist auch, dass die, die jetzt kommen, sehr lange oder vielleicht für immer bei uns bleiben. Das kann eine Chance fürs Land sein, diese Menschen sprechen oft mehrere Sprachen. Das müssen wir nutzen und sie sofort qualifizieren, oder direkt in Arbeit vermitteln. Aber zuerst wird jede und jeder sicherheitsüberprüft. Ich will wissen, wer bei uns im Land ist. Auch da haben wir 2015 unsere Lektion gelernt.
Der Grünen-fraktionschef Andreas Schwarz sagte jüngst zur 100Tage-bilanz von Grün-schwarz: Die CDU 2021 ist nicht die CDU 2020. Sehen Sie das auch so?
Es wäre ganz schlimm, wenn er Unrecht hätte. Menschen und Parteien, wie sie heute in ihren Grundzügen noch gilt. Viel zu lange sei Matthias Erzberger in der Bundesrepublik ein „Stiefkind der Erinnerungskultur“geblieben, so Schäuble. Er selbst hatte in seiner Zeit als Bundesfinanzminister vor zehn Jahren dafür gesorgt, dass der größte Saal im heutigen Finanzministerium den Namen Erzbergers trägt.
sich nicht weiterentwickeln, werden abgewickelt. Gott sei Dank haben wir ja die Fähigkeit, uns zu entwickeln.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft stellt eine Veränderung zum Schlechten fest: Deren Landeschef Ralf Kusterer greift Sie massiv an, weil Sie in der neuen Legislatur nun den Grünenwunsch nach einer Kennzeichnungspflicht für Polizisten und ein Antidiskriminierungsgesetz mittragen. Verstehen Sie seinen Ärger?
Keine Streifenpolizistin und kein Streifenpolizist wird zu einer Kennzeichnung gezwungen – das garantiere ich. Wir machen das nur bei speziellen Einheiten, die heute schon eine Kennzeichnung auf dem Rücken haben. Diese wird durch eine individualisierte Nummer ergänzt. In Rheinland-pfalz muss die Streifenpolizei grundsätzlich ein Namensschild tragen. Dort ist die FDP an der Regierung beteiligt, hier im Land aber kritisiert sie mich – das ist pure Heuchelei. Das gilt auch für das „Antidiskriminierungsgesetz“, das die FDP im Nachbarland ebenso mitträgt. Für Baden-württemberg garantiere ich jedenfalls, dass es bei uns kein Gesetz geben wird, das so misslungen ist wie das Berliner Antidiskriminierungsgesetz.
Die Sicherheitsbehörden haben in der vergangenen Legislaturperiode zahlreiche Kompetenzen dazubekommen – unter anderem die sogenannte Quellen-tkü, mit der sie auch verschlüsselte Kommunikation etwa über Whatsapp mitlesen können. Wie stark wird die Technik inzwischen genutzt?
Wir konnten in den vergangenen Jahren wirklich viel für unsere Sicherheitsbehörden tun – personell, technisch, rechtlich. Wir haben eines der modernsten Polizeigesetze, die es überhaupt gibt. Zur Quellentkü gab es viel Kritik wegen der Befürchtung, die Bürger würden nun massenhaft ausspioniert. Wir setzen das Instrument, wie ich angekündigt hatte, nur außerordentlich selten ein – etwa um Terroranschläge zu verhindern und in Fällen schwerster Kriminalität. Wenn damit nur ein Attentat verhindert wird, hat es sich gelohnt. Es ist schön, dass wir mit den Grünen so weit gekommen sind. Mit der FDP wäre das nicht möglich gewesen. Die FDP ist ein Sicherheitsrisiko: Die klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Quellentkü für den Verfassungsschutz, die der Deutsche Bundestag richtigerweise beschlossen hat. Wenn es nach mir geht, müsste man sogar noch weiter gehen. Damit unsere Sicherheitsbehörden angesichts der zunehmenden Digitalisierung nicht blind und taub sind, braucht es die Online-durchsuchung – für den Kampf gegen schwerste Straftaten wie die Kinderpornografie.
Gerade hat die SPD erstmals bei einer Umfrage zur Bundestagswahl die CDU überholt. Wie besorgt sind Sie?
Das macht nicht glücklich, das deprimiert mich freilich auch nicht: In einer solchen Lage ist Kämpfen angesagt! Umfragen unterliegen Schwankungen. Dass sie mit dem tatsächlichen Wahlergebnis sehr wenig zu tun haben können, sahen wir zuletzt immer wieder. Klar ist: Wir werden und müssen uns anstrengen. Die Wahl ist noch nicht gewonnen, für niemanden. Aber unsere Kondition ist gut und wir haben für die verbleibenden Wochen noch gute Ideen.
Mit welchen Werten aus Badenwürttemberg rechnen Sie für die CDU zur Bundestagswahl?
Wir wollen aus dem Südwesten wieder ein überproportional gutes Ergebnis beitragen. Wir in Badenwürttemberg haben ein großes Interesse an einer stabilen Cdu-geführten Bundesregierung.
Wie Strobl auf die „Volkssturm“-kritik aus der FDP an seinen Staatssekretären reagiert, lesen Sie unter: