Zwei Unternehmen namens MTU, ein Chef
Hubert Dunkler führte in Personalunion zwei weltbekannte Industriekonzerne – Heute wird der Ex-manager 90
Mit ihm endete eine außergewöhnliche gesellschaftsrechtliche Konstruktion. Hubert Dunkler, der am Montag, 18. Oktober, im oberschwäbischen Tettnang seinen 90. Geburtstag feiert, war der vierte und zugleich letzte Vorsitzende der gemeinsamen Geschäftsführungen zweier selbstständiger Unternehmen: der MTU Friedrichshafen Gmbh (heute Rolls-royce Power Systems AG) und der MTU München Gmbh (heute MTU Aero Engines AG). Nach seinem Eintritt in den Ruhestand 1994 übernahmen Rolf A. Hanssen in Friedrichshafen und der Amerikaner John R. Trucker in München die Chefposition.
Seither sind viele Jahre vergangen und bei seinen alten Gesellschaften hat es gravierende Veränderungen gegeben, aber Hubert Dunkler verfolgt noch immer mit großem Interesse die Entwicklung der Unternehmen, die ihm viel zu verdanken haben. 1963 war Dunkler von der Daimler-benz AG zur damaligen Mercedes-benz Motorenbau Gmbh (später Maybach Mercedes-benz Motorenbau Gmbh, von 1969 an MTU Friedrichshafen Gmbh) gekommen, wo er sich schnell den Ruf eines hervorragenden Technikers und Produktionsfachmanns erworben hatte. 1976 wurde er zum ordentlichen Geschäftsführer beider Mtugesellschaften bestellt, 1989 übernahm er als Nachfolger von Hans Dinger den Vorsitz. Es waren aber keine einfachen Zeiten. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und in der Euphorie über den erwarteten dauerhaften Weltfrieden war das für den Dieselmotorenhersteller MTU Friedrichshafen wichtige Militärgeschäft stark unter Druck geraten mit deutlich negativen Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn. Hubert Dunkler nahm diese große Herausforderung aber erfolgreich an. Er initiierte ein ganzes Maßnahmenbündel, zu dem die Suche nach Kooperationspartnern, ein Effizienzsteigerungsprogramm und flachere Hierarchien zur Beschleunigung aller Prozesse gehörten.
Bei der auf Flugzeugtriebwerke spezialisierten MTU München hatte Dunkler nicht nur mit den politisch begründeten Problemen zu kämpfen. 1990 war in München eine Klageschrift des amerikanischen Kooperationspartners General Electric (GE) mit einer Schadenersatzforderung von mehr als einer Milliarde Dollar eingegangen. Der Vorwurf gegen die MTU bezog sich auf deren neue Vereinbarung mit Pratt & Whitney, dem Us-hauptkonkurrenten von GE. Es war unter anderem von Vertragsbruch und ungerechtfertigter Bereicherung die Rede. Da war Hubert Dunklers ganzes Verhandlungsgeschick gefordert, um diese massiven Vorwürfe aus der Welt zu schaffen. Am Ende war aber alles gut. Die Allianz mit Pratt & Whitney konnte unverändert fortgesetzt werden, ebenso die Zusammenarbeit mit General Electric. Wäre Hubert Dunkler dieser Deal nicht gelungen, die Geschichte zumindest der MTU München hätte einen anderen Verlauf nehmen können.
Die Anfänge der außergewöhnlichen gesellschaftsrechtlichen Konstruktion der Mtu-gruppe gehen auf das Jahr 1967 zurück. Damals legte das Bundesverteidigungsministerium im Rahmen des Tornadokampfflugzeugprojektes ein Baugruppenprogramm für neue Triebwerkskomponenten auf. An der Ausschreibung beteiligten sich als Wettbewerber die MAN Turbo Gmbh in München und die Daimlerbenz AG. Das Bundesverteidigungsministerium war jedoch an einer Konkurrenz der beiden Anbieter nicht interessiert, sondern empfahl diesen eine Zusammenarbeit. Der politische Rat stieß sowohl in Stuttgart als auch in München auf Interesse, und so kam es im November 1968 zur Gründung der Entwicklungsgesellschaft für Turbomotoren Gmbh mit Sitz in München.
Die Zusammenarbeit in diesem gemeinsamen Unternehmen machte den Verantwortlichen bei Daimlerbenz und MAN offenbar Lust auf mehr. Jedenfalls traf man sich in der ersten Hälfte 1969 zu weitergehenden Gesprächen, an deren Ende im Juli 1969 die Gründung von zwei neuen Gesellschaften stand, der Motorenund Turbinen-union München Gmbh und der Motoren- und Turbinen-union Friedrichshafen Gmbh. Für beide bürgerte sich das Kürzel MTU ein. Das Werk München konzentrierte sich auf die Entwicklung und Fertigung von Flugzeuggasturbinen, das Werk Friedrichshafen spezialisierte sich auf die Entwicklung und Produktion von schnelllaufenden Dieselmotoren im Leistungsbereich zwischen 1000 und 10 000 PS.
Der MTU München Gmbh, deren Stammkapital jeweils zur Hälfte Daimler-benz und MAN gehörte, kam dabei die Rolle der Muttergesellschaft zu. Sie hielt knapp 84 Prozent der Anteile an der MTU Friedrichshafen Gmbh. Die restlichen gut 16 Prozent befanden sich im Besitz der Familien Maybach und Brandenstein-zeppelin, deren Vorfahren Wilhelm Maybach und Ferdinand Graf von Zeppelin im Rahmen des Luftschiffbaus den Motorenbau am Bodensee angeregt hatten.
Da sich die Produkte der beiden Unternehmen in München und
Friedrichshafen in der technischen Entwicklung und der Produktion erheblich unterschieden, hatten Daimler-benz und MAN beschlossen, zwei handelsrechtlich getrennte Firmen zu gründen, diese aber unternehmerisch gemeinsam zu führen. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte gewesen sein, dass beide Firmen weit überwiegend im Behördengeschäft (vor allem Militär) mit seinen Besonderheiten engagiert waren. Zu ihren aktiven Zeiten hatten die vier Chefs beider Mtu-gesellschaften – Rolf Breuning, Ernst Zimmermann, der 1985 von Raf-terroristen ermordet wurde, Hans Dinger und Hubert Dunkler – stets die Vorteile dieser außergewöhnlichen Führungsstruktur betont. Ganz unumstritten war sie indes nie, schon auch deshalb nicht, weil das ständige Pendeln zwischen Friedrichshafen und München einen beträchtlichen Zeitaufwand verursachte.
Bereits 1985 hatte die MAN ihre Anteile an der Mtu-gruppe vollständig an die Daimler-benz AG verkauft, die sich später im Zuge der Gründung ihrer Deutschen Aerospace AG (Dasa) dazu entschied, auch der MTU eine neue Struktur zu geben, die schließlich auch die Trennung der beiden Geschäftsführungen sinnvoll erscheinen ließ.