Es gibt noch kein Medikament gegen Covid
Die Forschung nach Arzneien gegen das Coronavirus laufen auf Hochtouren
(dpa) - Neben den nachweislich sehr wirksamen Impfstoffen arbeiten Pharmaunternehmen weltweit an der Entwicklung von Medikamenten gegen eine Covid-19-erkrankung. Arzneimittel gegen schwere Verläufe gelten als weiterer Baustein in der Bekämpfung der Corona-pandemie. Damit könnten zum Beispiel auch Menschen geschützt werden, die bisher keine Impfung erhalten haben oder konnten.
Womit behandeln Ärzte Covidpatienten?
Ein für alle Patienten zugelassenes Mittel, das speziell das Coronavirus bekämpft, fehlt weiterhin. Ärzte greifen stattdessen zu erprobten Arzneien, die je nach Verlauf einer Covid-19-erkrankung bei bestimmten Komplikationen schützen. Oft bekommen Patienten im Krankenhaus etwa Blutverdünner – denn Covid-19 erhöht die Gefahr von Thrombosen, Infarkten und Schlaganfällen. Zudem sollen Antibiotika gegen zusätzlich auftretende bakterielle Infektionen schützen. Doch gegen Sars-cov-2 sind diese wirkungslos.
Warum ist die Entwicklung eines Covid-medikaments so schwierig?
Die Schwierigkeit bestehe in der Biologie des Virus, schreibt der Berliner Molekularbiologe Emanuel Wyler in einem Gastbeitrag für die „Berliner Zeitung“. Bei Corona gebe es nach einer Ansteckung zunächst keine Symptome. „Wenn Husten oder Halsschmerzen einsetzen, hat das Immunsystem in den meisten Fällen schon begonnen, das Virus zu bekämpfen“, so der Forscher vom Maxdelbrück-centrum für Molekulare Medizin. „Wie bei der Grippe kommen direkt gegen das Virus gerichtete Medikamente daher oft zu spät.“
Aber es gibt doch Remdesivir?
Als bisher einziges Mittel erhält Remdesivir (Handelsname Veklury) des Us-konzerns Gilead im Juli 2020 eine Zulassung in der EU – aber nur für Corona-patienten mit Lungenentzündung, die zusätzlich Sauerstoff erhalten, aber noch keine invasive Beatmung benötigen. Das gegen Ebola entwickelte Medikament soll verhindern, dass sich Sars-cov-2 in den Zellen vermehrt. Doch mittlerweile spricht sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen eine Behandlung aus. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen sieht nur einen geringen Nutzen von Remdesivir bei moderat und gar keinen bei schwerer Erkrankten. Auch der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité sagt Ende September im Ndr-corona-podcast: Zunächst seien in Remdesivir große Hoffnungen gesetzt worden, mittlerweile sei das anders.
Welche Patienten bekommen Dexamethason?
Dexamethason wird in Deutschland schon länger auch ohne generelle offizielle Eu-zulassung als Arznei gegen Covid bei der stationären Corona-therapie eingesetzt. Seit Jahrzehnten werden damit Autoimmunerkrankungen behandelt. Molekularbiologe Wyler nennt es ein „zentrales Medikament für die Behandlung von Covid-19“. Das entzündungshemmende und kortisonhaltige Mittel soll bei Corona-patienten auf der Intensivstation eine überschießende Immunreaktion bremsen, die bei Covid-19 häufig auftritt. Nach Angaben des Robert-koch-instituts (RKI) ist der größte Nutzen bei invasiv beatmeten Patienten nachgewiesen. Dort könne die Sterblichkeit etwas gesenkt werden. Bei Menschen mit weniger schwerer Covid-erkrankung hingegen könnte ein Einsatz „sogar nachteilig sein“.
Welche Hoffnung liegt auf Antikörper-präparaten?
Acht Medikamente befinden sich bei der Eu-arzneimittelbehörde EMA im Zulassungsverfahren – darunter Antikörper-präparate, die in
Deutschland schon bei mildem Krankheitsverlauf im Einsatz sind. So etwa eine Kombination der monoklonalen Antikörper Casirivimab und Imdevimab (Handelsname Regncov2) von Regeneron und Roche. Dieser Cocktail ist das erste Medikament, das die WHO zur Vorbeugung gegen schwere Verläufe bei Patienten mit milden Symptomen, aber mit Risikofaktoren, empfiehlt.
Monoklonale Antikörper werden im Labor hergestellt und sollen das Virus außer Gefecht setzen. Vorbild sind meist Antikörper aus dem Blutplasma genesener Corona-patienten. Monoklonal bedeutet, dass die eingesetzten Antikörper alle gleich sind und das Virus an einem fest definierten Ziel angreifen.
Charité-chefvirologe Drosten erläutert im NDR, dass eine Verabreichung monoklonaler Antikörper „fast immer schon zu spät“sei – nämlich dann, wenn sich das Virus im Körper bereits stark vermehrt habe. Bei einem durchschnittlichen Patienten sei das im Wesentlichen schon zum Zeitpunkt des Symptombeginns der Fall.
Welche weiteren Mittel stehen in den Startlöchern?
In jüngsten Tests mit dem Antikörper-cocktail AZD7442 (anderer Name: Evusheld) von Astrazeneca zeigte sich: Das Risiko, symptomatisch an Covid-19 zu erkranken, konnte mit der Kombination um 77 Prozent verringert werden. Am 14. Oktober begann die EMA mit einem Prüfverfahren.
Daneben untersucht die EMA die das Immunsystem unterdrückenden Wirkstoffe Anakinra (Handelsname Kineret) und Baricitinib (Olumiant), die beide schon für andere Krankheiten wie etwa rheumatoide Arthritis zugelassen sind.
Jüngst macht die gegen die Grippe entwickelte Pille Molnupiravir des Us-konzerns Merck Schlagzeilen, die ähnlich wie Remdesivir die Ausbreitung des Coronavirus in den Körperzellen verringern soll. Einer klinischen Studie zufolge verringert sie die Wahrscheinlichkeit sehr schwerer Verläufe. Im Vergleich zur Placebo-gruppe mussten demnach nur halb so viele Patienten mit milden bis moderaten Symptomen, die das Medikament erhielten, innerhalb von 29 Tagen ins Krankenhaus oder starben. Merck will schnellstmöglich weltweit Zulassungsanträge stellen.
Welchen Nutzen haben Ivermectin und Hydroxychloroquin?
Umstritten ist der Einsatz des Antiwurmmittels Ivermectin. Nach Berichten über angebliche Erfolge bei der Covid-behandlung wurden in manchen Staaten die Regale leer gekauft – doch zeigt jüngst eine übergreifende Analyse von mehr als einem Dutzend klinischer Studien keinerlei Hinweis auf eine Wirksamkeit. Das RKI warnt vielmehr vor heftigen Nebenwirkungen. Auch die Malariamedikamente Hydroxychloroquin und Chloroquin stellten sich als wirkungslos heraus.