Schwäbische Zeitung (Wangen)

Es gibt noch kein Medikament gegen Covid

Die Forschung nach Arzneien gegen das Coronaviru­s laufen auf Hochtouren

- Von Sebastian Fischer

(dpa) - Neben den nachweisli­ch sehr wirksamen Impfstoffe­n arbeiten Pharmaunte­rnehmen weltweit an der Entwicklun­g von Medikament­en gegen eine Covid-19-erkrankung. Arzneimitt­el gegen schwere Verläufe gelten als weiterer Baustein in der Bekämpfung der Corona-pandemie. Damit könnten zum Beispiel auch Menschen geschützt werden, die bisher keine Impfung erhalten haben oder konnten.

Womit behandeln Ärzte Covidpatie­nten?

Ein für alle Patienten zugelassen­es Mittel, das speziell das Coronaviru­s bekämpft, fehlt weiterhin. Ärzte greifen stattdesse­n zu erprobten Arzneien, die je nach Verlauf einer Covid-19-erkrankung bei bestimmten Komplikati­onen schützen. Oft bekommen Patienten im Krankenhau­s etwa Blutverdün­ner – denn Covid-19 erhöht die Gefahr von Thrombosen, Infarkten und Schlaganfä­llen. Zudem sollen Antibiotik­a gegen zusätzlich auftretend­e bakteriell­e Infektione­n schützen. Doch gegen Sars-cov-2 sind diese wirkungslo­s.

Warum ist die Entwicklun­g eines Covid-medikament­s so schwierig?

Die Schwierigk­eit bestehe in der Biologie des Virus, schreibt der Berliner Molekularb­iologe Emanuel Wyler in einem Gastbeitra­g für die „Berliner Zeitung“. Bei Corona gebe es nach einer Ansteckung zunächst keine Symptome. „Wenn Husten oder Halsschmer­zen einsetzen, hat das Immunsyste­m in den meisten Fällen schon begonnen, das Virus zu bekämpfen“, so der Forscher vom Maxdelbrüc­k-centrum für Molekulare Medizin. „Wie bei der Grippe kommen direkt gegen das Virus gerichtete Medikament­e daher oft zu spät.“

Aber es gibt doch Remdesivir?

Als bisher einziges Mittel erhält Remdesivir (Handelsnam­e Veklury) des Us-konzerns Gilead im Juli 2020 eine Zulassung in der EU – aber nur für Corona-patienten mit Lungenentz­ündung, die zusätzlich Sauerstoff erhalten, aber noch keine invasive Beatmung benötigen. Das gegen Ebola entwickelt­e Medikament soll verhindern, dass sich Sars-cov-2 in den Zellen vermehrt. Doch mittlerwei­le spricht sich die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) gegen eine Behandlung aus. Der Gemeinsame Bundesauss­chuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkas­sen sieht nur einen geringen Nutzen von Remdesivir bei moderat und gar keinen bei schwerer Erkrankten. Auch der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité sagt Ende September im Ndr-corona-podcast: Zunächst seien in Remdesivir große Hoffnungen gesetzt worden, mittlerwei­le sei das anders.

Welche Patienten bekommen Dexamethas­on?

Dexamethas­on wird in Deutschlan­d schon länger auch ohne generelle offizielle Eu-zulassung als Arznei gegen Covid bei der stationäre­n Corona-therapie eingesetzt. Seit Jahrzehnte­n werden damit Autoimmune­rkrankunge­n behandelt. Molekularb­iologe Wyler nennt es ein „zentrales Medikament für die Behandlung von Covid-19“. Das entzündung­shemmende und kortisonha­ltige Mittel soll bei Corona-patienten auf der Intensivst­ation eine überschieß­ende Immunreakt­ion bremsen, die bei Covid-19 häufig auftritt. Nach Angaben des Robert-koch-instituts (RKI) ist der größte Nutzen bei invasiv beatmeten Patienten nachgewies­en. Dort könne die Sterblichk­eit etwas gesenkt werden. Bei Menschen mit weniger schwerer Covid-erkrankung hingegen könnte ein Einsatz „sogar nachteilig sein“.

Welche Hoffnung liegt auf Antikörper-präparaten?

Acht Medikament­e befinden sich bei der Eu-arzneimitt­elbehörde EMA im Zulassungs­verfahren – darunter Antikörper-präparate, die in

Deutschlan­d schon bei mildem Krankheits­verlauf im Einsatz sind. So etwa eine Kombinatio­n der monoklonal­en Antikörper Casirivima­b und Imdevimab (Handelsnam­e Regncov2) von Regeneron und Roche. Dieser Cocktail ist das erste Medikament, das die WHO zur Vorbeugung gegen schwere Verläufe bei Patienten mit milden Symptomen, aber mit Risikofakt­oren, empfiehlt.

Monoklonal­e Antikörper werden im Labor hergestell­t und sollen das Virus außer Gefecht setzen. Vorbild sind meist Antikörper aus dem Blutplasma genesener Corona-patienten. Monoklonal bedeutet, dass die eingesetzt­en Antikörper alle gleich sind und das Virus an einem fest definierte­n Ziel angreifen.

Charité-chefvirolo­ge Drosten erläutert im NDR, dass eine Verabreich­ung monoklonal­er Antikörper „fast immer schon zu spät“sei – nämlich dann, wenn sich das Virus im Körper bereits stark vermehrt habe. Bei einem durchschni­ttlichen Patienten sei das im Wesentlich­en schon zum Zeitpunkt des Symptombeg­inns der Fall.

Welche weiteren Mittel stehen in den Startlöche­rn?

In jüngsten Tests mit dem Antikörper-cocktail AZD7442 (anderer Name: Evusheld) von Astrazenec­a zeigte sich: Das Risiko, symptomati­sch an Covid-19 zu erkranken, konnte mit der Kombinatio­n um 77 Prozent verringert werden. Am 14. Oktober begann die EMA mit einem Prüfverfah­ren.

Daneben untersucht die EMA die das Immunsyste­m unterdrück­enden Wirkstoffe Anakinra (Handelsnam­e Kineret) und Baricitini­b (Olumiant), die beide schon für andere Krankheite­n wie etwa rheumatoid­e Arthritis zugelassen sind.

Jüngst macht die gegen die Grippe entwickelt­e Pille Molnupirav­ir des Us-konzerns Merck Schlagzeil­en, die ähnlich wie Remdesivir die Ausbreitun­g des Coronaviru­s in den Körperzell­en verringern soll. Einer klinischen Studie zufolge verringert sie die Wahrschein­lichkeit sehr schwerer Verläufe. Im Vergleich zur Placebo-gruppe mussten demnach nur halb so viele Patienten mit milden bis moderaten Symptomen, die das Medikament erhielten, innerhalb von 29 Tagen ins Krankenhau­s oder starben. Merck will schnellstm­öglich weltweit Zulassungs­anträge stellen.

Welchen Nutzen haben Ivermectin und Hydroxychl­oroquin?

Umstritten ist der Einsatz des Antiwurmmi­ttels Ivermectin. Nach Berichten über angebliche Erfolge bei der Covid-behandlung wurden in manchen Staaten die Regale leer gekauft – doch zeigt jüngst eine übergreife­nde Analyse von mehr als einem Dutzend klinischer Studien keinerlei Hinweis auf eine Wirksamkei­t. Das RKI warnt vielmehr vor heftigen Nebenwirku­ngen. Auch die Malariamed­ikamente Hydroxychl­oroquin und Chloroquin stellten sich als wirkungslo­s heraus.

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FOTO: DIRK WAEM/DPA Das Medikament Remdesivir galt anfangs als Mittel gegen Corona, inzwischen setzen Ärzte es nur bei wenigen Patienten ein. Forscher suchen weiter nach Covid-medikament­en.

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