Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fronten zwischen EU und Polen verhärtet

Von der Leyen fordert Warschau erneut zur Einhaltung der Verträge auf

- Von Daniela Weingärtne­r

- Es lebe Polen! Es lebe Europa! Zumindest in diesen Rufen am Ende ihrer jeweiligen Rede waren sich Polens Regierungs­chef Mateusz Morawiecki und Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen gestern im Europaparl­ament in Straßburg vollkommen einig. Auch beschworen beide Polens demokratis­che Tradition und die Bedeutung der Solidarnos­c beim Überwinden der kommunisti­schen Diktatur und der Spaltung Europas. Doch das war es dann mit den Gemeinsamk­eiten.

In zehn knappen Minuten legte die Chefin der Eu-kommission dar, welche Möglichkei­ten der EU offenstehe­n, nachdem das polnische Verfassung­sgericht die Zuständigk­eit des Europäisch­en Gerichtsho­fs in Rechtsstaa­tsfragen nicht anerkennt. Man könne ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren einleiten, da das Urteil nicht den Verträgen entspreche, die Polen bei seinem Eu-beitritt als Grundlage akzeptiert­e. Eine zweite Möglichkei­t sei es, den Rechtsstaa­tsmechanis­mus und „andere Finanzinst­rumente“zu nutzen, also Polen die Eu-mittel zu kürzen.

Schließlic­h könne das laufende Artikel-sieben-verfahren weiter betrieben werden. An dessen Ende könnte Polen zumindets vorrüberge­hend bestimmte Mitgliedsr­echte verlieren, weil es aus Sicht der EU gegen Grundwerte der Union verstößt. „Erinnern wir uns: Eben jenes polnische Verfassung­sgericht, das die Gültigkeit unserer Verträge in Zweifel

zieht, ist Gegenstand eines Artikel-sieben-verfahrens, weil wir es nicht als unabhängig und legitim betrachten. Hier schließt sich der Kreis“, so von der Leyen.

Es folgte der deutlich längere Konter von Polens Regierungs­chef. Statt argumentat­iv einen Kreis zu schließen, führte Morawiecki seine Zuhörer eher in die Endlosschl­eife, als er darlegte, dass ein Urteil des nationalen obersten Gerichts eben deshalb dem Eu-recht übergeordn­et sei, weil es sich um das oberste Gericht handele. Er zitierte aus Rechtsguta­chten, die diese Sichtweise unterstütz­en und sich auf oberste Gerichte in Frankreich, Italien und Deutschlan­d beziehen. Daran zeige sich, dass Polen und andere osteuropäi­sche Länder gegenüber den Gründungss­taaten

diskrimini­ert und in ihren Rechten beschnitte­n würden.

Auch Morawiecki beschwor den Kampf seiner Landsleute für Demokratie, der sich aber gerade im überwältig­enden Votum für die Pis-partei fortsetze. Die sei durch eine absolute Mehrheit der Wähler legitimier­t – im Gegensatz zu den „Politiker-beamten“in Brüssel. Polen wünscht sich einen starken Binnenmark­t, der durch die Grundfreih­eiten prsosperie­rt - also den Waren- und Kapitalver­kehr, aber vor allem auch die freie Wahl des Arbeitspla­tzes im ganzen Unionsgebi­et. Die gemeinsame Verteidigu­ng solle gestärkt und entspreche­nde Ausgaben getätigt werden.

Allein die Zustimmung­swerte zur EU in Polen – 89 Prozent im Gegensatz zu 39 Prozent in Frankreich – zeigten, wie wichtig Polen für die Gemeinscha­ft sei. An der Grenze zu Weißrussla­nd schütze man die gesamte Union gegen Migration.

Mit dem Ruf: „Es lebe die Europäisch­e Union souveräner Staaten!“endete der polnische Regierungs­chef seine Rede – bejubelt von den eigenen Abgeordnet­en und Euroskepti­kern aus anderen Mitgliedsl­ändern. Das zeigt zweierlei: Auch im Parlament wird Polens Kritik an der Brüsseler Übergriffi­gkeit von vielen geteilt. Und: Schnittmen­gen zwischen dem ganzheitli­chen Anspruch der Eu-kommission und dem polnischen Wunsch, die EU zu einem losen Staatenbun­d mit gemeinsame­n ökonomisch­en und militärisc­hen Interessen zurückzuen­twickeln, gibt es nicht.

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FOTO: RONALD WITTEK/DPA Polens Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki und Ursula von der Leyen in Straßburg.

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