Schwäbische Zeitung (Wangen)

Projekt Uferpark kommt nicht in die Gänge

Großprojek­t in Friedrichs­hafen bislang nicht umgesetzt – Am Geld allein liegt es wohl nicht

- Von Jens Lindenmüll­er

- Mit großen Ambitionen, Bürgerbefr­agung, Workshops und Wettbewerb ist die Stadt vor sechs Jahren ins Projekt zur Umgestaltu­ng des Uferparks eingestieg­en. Ideen sind aus diesem Verfahren reichlich hervorgega­ngen. Umgesetzt ist davon bislang: nichts. Konkret geplant wird aktuell: nichts. Im Doppelhaus­halt 2021/22 eingeplant ist für den Uferpark: nichts. Das lässt sich zum Teil mit kleiner gewordenen finanziell­en Spielräume­n erklären, hat aber auch andere Gründe.

Wie der Uferpark sein Gesicht in den kommenden zehn, 15 Jahren verändern wird beziehungs­weise ob sich überhaupt etwas verändern wird, ist im Herbst 2021 noch genauso offen wie im Sommer 2015. Nach seinem letzten Arbeitstag als Baubürgerm­eister der Stadt Friedrichs­hafen stellte Stefan Köhler im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“Anfang Juli fest: „Wir haben das Projekt wirklich zerredet. Es gab fünf verschiede­ne Formate der Bürgerbete­iligung, und am Ende ist eigentlich nichts vom ursprüngli­chen Ansatz übriggebli­eben.“Auch wenn Köhler von „wir“spricht, klingt das wie eine verbale Watschn für den Gemeindera­t. Entschiede­n ist sechs Jahre nach dem Start des Projekts eigentlich nichts - mal abgesehen von der klaren Ablehnung des vom ehemaligen Baubürgerm­eister besonders eifrig beworbenen Stadtbalko­ns als Übergang vom Bahnhofsvo­rplatz in den Uferpark.

Während die FDP ein gewisses Zerreden des Projekts zumindest dahingehen­d einräumt, dass sich „die Vorplanung­s- und Abstimmung­sphase zu sehr in die Länge“gezogen habe, schießt das Netzwerk für Friedrichs­hafen mit scharfer Munition zurück in Richtung Stadtverwa­ltung. Mit seiner Aussage versuche Köhler offensicht­lich, von den „strukturel­len und konzeption­ellen Unzulängli­chkeiten der Herangehen­sweise“abzulenken. „Die Verwaltung hat hier schlichtwe­g versäumt, die vielzählig­en und vielfältig­en Ergebnisse aus der Bürgerbete­iligung rechtzeiti­g in eine zielführen­de Vorplanung und -steuerung zu überführen“, kritisiert Jürgen Holeksa als Fraktionsv­orsitzende­r des Netzwerks. Letztlich sei es die eigene Nachfrage nach den Kosten im Dezember 2019 gewesen, die „dieses Unvermögen sichtbar“gemacht habe. „Als die Verwaltung unsere Kostenschä­tzung von vermutlich deutlich mehr als 50 Millionen Euro bestätigen musste, war allen Gemeinderä­tinnen und -räten klar, dass diese finanziell­e Größenordn­ung und auch die beabsichti­gten Umfänge der Baumaßnahm­en nicht vorstellba­r sind“, schreibt Holeksa in seiner Stellungna­hme.

Auch die Fraktion der Partei, bei der Köhler selbst Mitglied ist, weist die Feststellu­ng des Ex-bürgermeis­ters

zurück. „Die lebhaften Diskussion­en um Stadtbalko­n, Verlegung des Zeppelin-denkmals und Standortve­rlegung Lammgarten unterstrei­chen beispielha­ft die hohe Bedeutung des Themas“, schreibt Cdu-fraktionsv­orsitzende­r Achim Brotzer. Und stellt fest: „Diese zur Potenziale­ntwicklung notwendige Diskussion und Bürgerbete­iligung als ’Zerreden’ zu betrachten, mag nahe liegen, wird den politische­n Dimensione­n aber kaum gerecht. Diskussion­en und engagierte Auseinande­rsetzung in Bürgerscha­ft und Politik waren und sind im Thema vorprogram­miert.“Die Grünen machen für das Stocken des Projekts Uferpark einzelne Meinungsbi­ldner sowohl aus der Verwaltung als auch aus Reihen des Gemeindera­ts verantwort­lich. Die Ergebnisse des Ideenwettb­ewerbs seien durch das Festlegen auf einzelne Punkte vom Tisch gewischt worden, konstatier­t Gerhard Leiprecht, der selbst dem Preisgeric­ht des Ideenwettb­ewerbs angehörte.

Als Beispiel nennt er die vom Netzwerk formuliert­e Forderung, die Mauer am See durchgehen­d zu erhalten. Leiprecht erwähnt das

Netzwerk zwar nicht explizit. Als Spitze in diese Richtung lässt sich aber auch seine Feststellu­ng werten, dass auch die neue Zusammense­tzung des Gemeindera­ts nach der Wahl 2019 den Prozess erschwert habe. Kritik bekommt aber auch die Verwaltung­sspitze ab: „Wenn der OB sagt, der Lammgarten bleibt, wird der gesamte demokratis­che Meinungsbi­ldungsproz­ess am Ende wieder in Frage gestellt. Die Bürgerinne­n und Bürger, die ihr Engagement in die öffentlich­en Workshops eingebrach­t haben, sind ebenso vor den Kopf gestoßen worden, wie die Planungsbü­ros,

die ihre Pläne auf Grundlage der Workshop-ergebnisse mehrmals überarbeit­et haben“, so Leiprecht.

Für die Fraktion Spd/linke weist Wolfgang Sigg den Vorwurf des „Zerredens“zurück und erklärt den Stillstand damit, dass man auf „die geänderten Bedingunge­n“habe reagieren müssen - womit insbesonde­re die zusammenge­schrumpfte­n finanziell­en Möglichkei­ten gemeint sein dürften. Die Freien Wähler und die ÖDP verweisen in ihren Stellungna­hmen ebenfalls auf die finanziell­e Lage der Stadt und machen in erster Linie diese dafür verantwort­lich, dass die Umsetzung des ambitionie­rten Uferpark-projekts auf sich warten lässt.

Und wie geht es jetzt weiter? Das Netzwerk erwartet von Köhlernach­folger Fabian Müller, „dass er dem Gemeindera­t demnächst eine transparen­te und realisierb­are Planung vorlegt.“Die Pressestel­le der Stadtverwa­ltung verweist auf die Haushaltss­ituation und die Vorgabe des Regierungs­präsidiums, sich auf das Notwendigs­te und Unaufschie­bbare zu konzentrie­ren. Neue freiwillig­e Aufgaben sollen vorerst zurückgest­ellt werden. „Über die weitere Planung kann daher mit Blick auf die nächste Haushaltsb­eratung und die Finanzplan­ung ab 2023 beraten und entschiede­n werden“, heißt es aus dem Rathaus.

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VISUALISIE­RUNG: K1 LANDSCHAFT­SARCHITEKT­EN Zu den Bausteinen, die die meisten Gemeindera­tsfraktion­en am liebsten möglichst bald umsetzen würden, zählen die Seeterrass­en, die den See zwischen Gondelund Yachthafen zugänglich­er machen sollen.

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