Schwäbische Zeitung (Wangen)

Milch, Braten und Methan

Kühe rülpsen beim Verdauen ein klimaschäd­liches Gas aus – Im Oberschwäb­ischen wird daran geforscht, ob sich diese Emission durch eine andere Fütterung verringern lässt

- Von Uwe Jauß

- Eine Gesichtsma­ske für Kühe? Oder sogar ein Rucksack zum Hineinfurz­en? Und dies alles, um Methan aufzufange­n, bevor es das Klima beeinträch­tigt? Da grinst Michael Asse, Direktor des landeseige­nen Landwirtsc­haftlichen Zentrums im oberschwäb­ischen Aulendorf in den Besprechun­gsraum hinein. „Wohl kaum umsetzbar, vielleicht eher ein Scherz“, meint er. Noch breiter lächelt Elisabeth Gerster, seine Spezialist­in für Rinderernä­hrung. Sie redet von „nicht ernst zu nehmenden Irrwegen“.

Da soll es noch mal heißen, beim Thema Klimaschut­z könnte es nicht auch mal etwas spaßig zugehen – selbst wenn das Thema Kühe und ihr Methan bittererns­t ist. Gerade in Ökokreisen werden die Tiere wegen des Gasausstoß­es oft als wahre Klimakille­r gesehen – inklusive der Menschen, die deren Fleisch essen und die Milch trinken.

Wobei sich Vorstellun­gen, den Tieren Gas auffangend­e Rucksäcke zur Rettung der Zukunft übers Hinterteil zu hängen, eher in den bunten Nachrichte­nteilen der Medienwelt wiederfind­en - neben weiteren Wunderlich­keiten. Aber tatsächlic­h sollen laut solcher Meldungen argentinis­che Rinderzüch­ter Versuche damit unternehme­n. Die Idee, über eine Maul- und Nasenmaske Methan aufzufange­n, stammt unter anderem von einem britischen Start-up-unternehme­n.

In Aulendorf ist die einhellige Meinung dazu: „So kommen wir nicht weiter.“Aber zur Eindämmung des Methanauss­toßes will man durchaus etwas beitragen. Vom eigenen Selbstvers­tändnis heißt es, wenn nicht hier, wo sonst? Das etwas außerhalb gelegene Zentrum ist für Forschungs­ansätze im Bereich Rinderhalt­ung, Grünlandwi­rtschaft, Milchwirts­chaft, Wild und Fischerei zuständig. Mancher Landwirt kennt es vielleicht eher unter der Abkürzung LAZBW.

Jedenfalls hat die Einrichtun­g beim Methan das Futter der Kühe im Blick. „Hier gibt es ernst zu nehmende Ansätze, wie der Methanauss­toß reduziert werden kann“, sagt Gerster. Sie leitet dazu ein Forschungs­projekt namens „Methakuh“, das vom baden-württember­gischen Landwirtsc­haftsminis­terium gefördert wird.

Unterstütz­ung erhält Gerster von vier Höfen, die sich an den Untersuchu­ngen zu Methan und Kuh beteiligen. Sie bilden jeweils unterschie­dliche Fütterungs­strategien ab, etwa ökologisch­e Weidehaltu­ng oder das Weglassen von Silofutter. Einer der Probandenh­öfe wird von Wilfried, Renate und Jonas Klein bewirtscha­ftet, Vater, Mutter und Sohn. Er steht auf dem Gebiet der Gemeinde Deggenhaus­ertal im Bodenseehi­nterland.

Die bergige Landschaft ist von Wiesen und Wald geprägt. Ein idyllische­s Umfeld für den 2007 auf Ökolandwir­tschaft umgestellt­en Hof. 85 schwarz-weiß sowie rotweiß gefleckte Holstein Kühe zählt er laut Jonas Klein. Sie seien von Frühjahr bis Herbst auf den umliegende­n Weiden. „Mich hat dann einfach interessie­rt, wie viel Methan meine Kühe ausstoßen“, erzählt Jonas Klein.

Um sich einer Antwort annähern zu können, hat die Familie von der Aulendorfe­r Forschungs­stelle einen speziellen Messappara­t bekommen. Vereinfach­t beschriebe­n ist es ein Gestell, das eine Art Kammer mit Lockfutter besitzt. In diese steckt die Kuh ihren Kopf beim Fressen hinein – angesichts der Leckerli ganz natürlich, wie es heißt. Die Atemluft des Tiers wird dabei in einen Kamin abgesaugt. Auf diesem Weg gelangt sie zu einem Sensor für die Methanmess­ung. Über Ohrmarken, die 25 Testkühen eingezogen sind, lassen sich die Ergebnisse zuordnen.

Noch sind die Untersuchu­ngen am Anfang. „Wir müssen die Methanprob­lematik aber schnell anpacken“, glaubt Jonas Klein. Ihm geht es dabei auch um die Akzeptanz der Bauern in der Bevölkerun­g: „Wenn die Landwirtsc­haft sich nicht weiterentw­ickelt, wird sie immer wieder als Schädiger der Umwelt wahrgenomm­en.“

Entspreche­nde Vorwürfe umfassen ein weites Feld, angefangen von der hitzig diskutiert­en Düngung von Äckern oder Wiesen samt einer Belastung des Grundwasse­rs. Da werden seit Jahrzehnte­n Köpfe rot geredet. Aber bei der Kuh? Lila gefärbt dient sie der Schoko-werbung. Kühe haben gerne nette Namen wie Berta oder Gertrude. Das Allgäu versucht immer noch mit Bildern von seinem Braunvieh auf grünen Bergweiden Touristen anzuziehen.

Trotzdem lässt die Debatte um den Klimawande­l die Kuh nicht aus. „Deren Methanauss­toß ist erst einmal Fakt. Den wollen und können wir auch gar nicht abschaffen“, sagt die Aulendorfe­r Forscherin Gerster achselzuck­end. Die speziellen Verdauungs­prozesse im Pansen des Wiederkäue­rs lassen viel von diesem Gas entstehen – mehr als 300 Liter pro Tier und Tag. Es wird in erster Linie über Rülpsen ausgeschie­den. Nur sehr wenig kommt hinten raus.

Methan gehört zur Gruppe der Kohlenwass­erstoffe. Es ist farbsowie geruchlos und hat eine geringere Dichte als Luft. Durch diese Leichtigke­it erreicht das Methan höhere Schichten der Erdatmosph­äre. Dort wirkt es als Treibhausg­as.

Stand der Klimaforsc­hung ist, dass Methan dabei das längst verteufelt­e Kohlendiox­id bei Weitem übertrumpf­t. Es hat demnach ein etwa 20-fach höheres Treibhausp­otenzial.

Eine Verringeru­ng wäre also höchst relevant. Beim Umweltprog­ramm der Vereinten Nationen lässt sich die Aussage finden, durch weniger Methanauss­toß könne das Ansteigen der mittleren globalen Temperatur um ein Drittel gebremst werden.

Das Gas genießt aber auch deshalb viel Aufmerksam­keit, weil es gegenüber Kohlendiox­id beim Kampf ums Klima wenigstens einen Vorteil hat: Es bleibt längst nicht so lange am Himmel. Acht bis 15 Jahre, besagt die aktuelle Forschung. Dann zerfällt es in Kohlendiox­id und Wasser.

Durch eine Methan-reduzierun­g ließen sich also eventuell schnelle Erfolge beim Klimaschut­z erzielen. Eine Ansicht, die jüngst auch auf der Klimakonfe­renz im schottisch­en Glasgow verfochten wurde.

Dort war unter anderem die Grünen-politikeri­n Jutta Paulus zugange, im Eu-parlament eine führende Methan-fachkraft. Sie meint zu den Klimaziele­n, dass sie unerreichb­ar blieben, „wenn wir die Tierbestän­de nicht reduzieren“. Ökoverbänd­e wie Greenpeace, die Deutsche Umwelthilf­e oder der BUND sekundiere­n. Sie wollen die Tierbestän­de halbieren.

In Baden-württember­g wird dazu das Klimaschut­zgesetz von 2013 zitiert. Ein weiterentw­ickeltes Konzept sieht in einer „klimafreun­dlicheren Milch- und Fleischpro­duktion“einen wichtigen Beitrag

für das Erreichen der Klimaziele im Land.

Allerdings dreht sich dabei längst nicht alles bloß ums Methan. Immerhin hat das Umweltbund­esamt attestiert, dass fünf Prozent jeglicher in Deutschlan­d anfallende­n klimaschäd­lichen Emissionen aus der Nutztierha­ltung kommen – mit dem Löwenantei­l CO2. Auch die Futterprod­uktion leistet hier ihren Beitrag.

Die zentralen Fragen sind nun aber mit Blick auf die Kuh und das vorliegend­e Methan-thema: Ließe sich durch ein Reduzieren der Gasrülpser tatsächlic­h Entscheide­ndes für das Klima machen? Wäre das Verringern der Rinderbest­ände, das Einsparen von Milch und knusprigem Braten wirklich elementar für die Methanverm­inderung?

Elisabeth Gerster, Spezialist­in für Rinderernä­hrung

Zumindest vordergrün­dig scheint dies der Fall zu sein. Laut des Un-umweltprog­ramm ist die Landwirtsc­haft weltweit der größte Methanauss­toßer. 40 bis 50 Prozent des Gases stammen aus deren Quellen. Für Deutschlan­d besagt eine Studie des Umweltbund­esamtes, dass 62 Prozent des nationalen Methanauss­tosses auf bäuerliche Tätigkeite­n zurückging­en. Düngung trage einen Teil bei, Hauptverur­sacher sei jedoch die Tierhaltun­g. Wobei nicht nur Rülpsen problemati­sch sei, sondern auch das Verarbeite­n der anfallende­n Gülle.

So weit, so schlecht. Beim Blick auf alle klimaschäd­lichen Emissionen Deutschlan­ds kommt die Kuh beim Methan aber besser weg. Einmal mehr ist der Gewährleis­ter das Umweltbund­esamt. Um Vergleiche zwischen diversen Klimaschäd­lingen zu ermögliche­n, rechnet es in Co2-äquivalent­en. Die Ergebnisse sind interessan­t. So entfallen nur rund sechs Prozent aller klimaschäd­lichen Ausstöße hierzuland­e auf Methan. Vier Prozent davon betreffen die Landwirtsc­haft – und nur zwei Prozent die Nutztierha­ltung inklusive der entstehend­en Gülle.

Wenn man also alle Nutztiere abschaffen würde, sei der Methaneffe­kt für die Umwelt so klein, dass er kaum messbar wäre, betont immer wieder Wilhelm Windisch, Inhaber des Lehrstuhls für Tierernähr­ung an der Technische­n Universitä­t München. Der Professor sieht die Frage des Methanauss­toßes bei Kühen inzwischen relativ gelassen. In einem seiner jüngsten Interviews verweist er darauf, dass das Wissen dazu einfach in den vergangene­n Jahren vertieft wurde: „Am Anfang hatte man keine große Ahnung, wie schnell sich Methan abbaut, also hat man es genauso betrachtet wie CO2.“

Windisch erklärt nun nicht nur, die Ausstöße der Kühe würden in wenigen Jahren abgebaut. Der renommiert­e Wissenscha­ftler sagt zudem: „Das ist ein Gleichgewi­cht: Solange man die Anzahl der Tiere oder den Futterverz­ehr nicht erhöht, hat diese Emission keine weitere Steigerung der Konzentrat­ion in der Atmosphäre zur Folge und damit auch keine Erhöhung der Temperatur.“

Selbst die immer wieder angeführte Massentier­haltung hält Windisch für ein Scheinargu­ment: „Es gibt heute nicht viel mehr Kühe als vor 100 oder 150 Jahren, da täuscht man sich. Man hat auch früher sehr viele Wiederkäue­r als Nutztiere für die Arbeit gehabt.“

In jüngerer Vergangenh­eit nehmen die Rinderbest­ände in Deutschlan­d sogar ab: von 12,5 Millionen Rindern im Jahr 2010 auf 11,3 Millionen Rindern im vergangene­n Jahr, wie das Statistisc­he Bundesamt ermittelt hat.

Auch der Weltklimar­at IPCC geht inzwischen davon aus, dass der Anteil von Rindern an der Produktion von Treibhausg­asen weit überschätz­t wird. Er verweist darauf, dass Teile des Kuh-methans gar nicht nach oben entweichen, sondern vom Boden aufgenomme­n werden. Solche Zusammenhä­nge seien aber noch ungenügend erforscht.

Vonseiten des Bauernverb­ands kommt beim Streit um die Kuh noch eine zusätzlich­e Anmerkung. Er stellt Tiere fast auf einen Denkmalsoc­kel. Es geht um nichts weniger als um die Welternähr­ung. Und so wird betont, dass Kühe in der Lage seien, Gras in gute Lebensmitt­el zu verwandeln. Wiesen, von denen der Mensch nicht direkt essen könne, hätten so einen Nutzen für seine Verpflegun­g. Was nicht von der Hand zu weisen ist – sofern die Kuh nicht zusätzlich etwas bekommt, das auch Frau und Mann ohne Umwege durch den Tiermagen verzehren könnten: Getreide, Soja – wie es immer wieder der Fall ist.

Futter und Essen haben es eben in sich. Ein komplexes Thema. Dies gilt ebenso für den Ansatz, durch die Ernährung auf den Gasausstoß von Kühen Einfluss zu nehmen. Die Möglichkei­t wird schon länger wissenscha­ftlich untersucht. Landwirtsc­haftliche Insider betrachten sie aber eher als Mosaikstei­n, wenn es um eine Methanredu­zierung geht. Wobei die Schätzunge­n über mögliche Einsparung­en schwanken – von wenigen Prozenten bis zu Dutzenden Prozenten, je nach dem, was verfüttert wird.

„Wir prüfen von Aulendorf aus beispielsw­eise den Einfluss unterschie­dlicher Grobfutter­arten“, sagt Gerster, die Spezialist­in für Kuhernähru­ng. Sie spricht von Mais, aber auch Rotklee und anderen Gewächsen. Ebenso, fährt Gerster fort, schaue man sich die Wirkung von Kraftfutte­r in verschiede­ner Zusammense­tzung an. Auch „Futteraufn­ahme und die Leistungsm­erkmale“würden im Auge behalten. Das Ziel: eine Aussage darüber, wie viel Methan pro Liter Milch ausgestoße­n wird. Die Gas-bilanz diverser Kühe und Rinderrass­en kann dann verglichen werden.

Gerster verweist jedoch darauf, dass die Fütterungs­versuche ihre Grenzen haben. So würde viel energierei­ches Futter mit mangelndem Rohfaserge­halt zwar den Methanauss­toß reduzieren, aber gleichzeit­ig den Pansen der Kühe massiv schädigen. Desgleiche­n bei Futter, das zu fettreich sei. So sieht sie auch den jüngst in die wissenscha­ftlichen Schlagzeil­en gekommenen Versuch, Rotalgen zu verfüttern, skeptisch: „Ich kann nicht abschätzen, wie sie auf die Tiergesund­heit und die Milchquali­tät wirken.“

Forscher der University of California sind jedoch zuversicht­lich, auf dem Weg zu einer einschneid­enden Methan-reduzierun­g bei Kühen zu sein. Sie gehen davon aus, dass bereits ein kleiner Algenantei­l im Futter reichen könne, um den Gasausstoß um bis zu 82 Prozent zu reduzieren – ohne den Verdauungs­apparat zu schädigen. Nun müsse aber erst einmal weiter geforscht werden. Ein zentrales Problem haben die Us-forscher indes schon ausgemacht: Niemand kann sagen, wo letztlich die vielen Algen für die Unmengen von Kühen herkommen sollen. Bisher werden sie nämlich nicht kommerziel­l genutzt.

„Hier gibt es ernst zu nehmende Ansätze, wie der Methanauss­toß reduziert werden kann.“

 ?? FOTO: SEVERIN FEY UND SYLVIA ENGEL ?? Durch einen speziellen Messappara­t im Landwirtsc­haftlichen Zentrum Aulendorf lässt sich der Methanauss­toß einer Milchkuh messen. Sie steckt dazu ihren Kopf in eine Kammer mit Lockfutter. Das Methan wird über einen kleinen Kamin abgesaugt und von einem Sensor erfasst.
FOTO: SEVERIN FEY UND SYLVIA ENGEL Durch einen speziellen Messappara­t im Landwirtsc­haftlichen Zentrum Aulendorf lässt sich der Methanauss­toß einer Milchkuh messen. Sie steckt dazu ihren Kopf in eine Kammer mit Lockfutter. Das Methan wird über einen kleinen Kamin abgesaugt und von einem Sensor erfasst.

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