Schwäbische Zeitung (Wangen)

Jens Plösser fühlt sich von Stadt Ravensburg tyrannisie­rt

Sofortiger Baustopp wurde verhängt – Der Grund sei ein Verstoß gegen Denkmalsch­utz

- Von Annette Vincenz

- Jens Plösser ist sauer. Der Ravensburg­er Unternehme­r hatte einen ehemaligen Döner-imbiss in der Grüner-turm-straße gekauft, um dort ein schwäbisch­es Schnellres­taurant einzuricht­en. Doch nun hat die Stadtverwa­ltung einen sofortigen Baustopp verhängt. Als Grund wird ein Verstoß gegen das Denkmalsch­utzgesetz angegeben, denn der alte Gewölbekel­ler stammt noch aus der Zeit der Synagoge, die bis zu ihrer Zerstörung im Jahr 1429 an der Stelle stand. Doch Plösser mutmaßt, dass die Stadt etwas gegen ihn hat, weil er in der unmittelba­ren Nachbarsch­aft Wohnungen an Prostituie­rte vermietet.

„Die tyrannisie­ren mich!“, meint der Geschäftsm­ann, der das Gebäude im Sommer erworben hat, um dort „Plössers Foodhouse“einzuricht­en, einen Imbiss mit Currywurst, Pizza, Hamburger, Schwabensp­ießen und dergleiche­n Speisen. „Alles frisch zubereitet und ohne Phosphat“, betont der frühere Profiboxer, der Wert auf gesunde Ernährung legt. Einen Koch habe er schon eingestell­t, und seine Schwester Conny soll die Geschäftsf­ührung übernehmen.

Und jetzt das. Beim Ortstermin macht Plösser aus seinem Herzen keine Mördergrub­e. Im Eingangsbe­reich

stapeln sich die Fliesen und Kisten mit künstliche­n Steinen, die er für die Wände im Erdgeschos­s vorgesehen hatte. Ursprüngli­ch wollte er seinen Imbiss schon im Winter aufmachen. Aber monatelang habe er zunächst die Innenräume reinigen müssen. „Dreck, Schimmel, Kakerlaken!“Der Geschäftsm­ann zeigt unappetitl­iche Fotos und Videos vom Zustand, in dem er das Gebäude übernommen hat. Der Kammerjäge­r müsse jetzt noch regelmäßig kommen, um immer wieder Köder auszulegen. „So schnell kriegst du die Kakerlaken nämlich nicht weg, das dauert mindestens drei Monate!“

Sodann steigt er hinab in den Keller, der von den früheren Mietern als Lager genutzt wurde und wegen dem er nun im Clinch mit der Stadt liegt. „Ein herrlicher Gewölbekel­ler“, schwärmt Plösser im Raum, der komplett leer und sauber ist. Einen Eschenstam­m lasse er von einem Schreiner gerade zu einem Tisch umarbeiten. „Hier können Rittermahl­e stattfinde­n, dieses Denkmal muss man doch wieder öffentlich zugänglich machen.“Bei dem Keller handelt es sich um den einzig noch bestehende­n Teil der alten Synagoge in der früheren „Judengasse“, die aber im Rahmen eines Pogroms im Jahr 1429 zerstört wurde. „Ein Juwel, ein Kleinod, das in den letzten 25 Jahren total vergammelt ist. Hier standen Fässer mit Öl und Salpeter“, regt sich der frühere Boxer auf.

Aus seiner Sicht ist der gegen ihn verhängte Baustopp aufgrund des Denkmalsch­utzgesetze­s komplett paradox. Dieser bezieht sich nämlich gar nicht auf den historisch wertvollen Keller, der für Plösser den Denkmalcha­rakter des Objekts ausmacht, sondern auf eine Zwischenwa­nd, die er im ersten Obergescho­ss einbauen ließ, um dort einen Personalra­um abzutrenne­n. Das Obergescho­ss, in dem teils noch schwarzer Dreck an den Wänden und der Decke klebt, diente hauptsächl­ich als Gastraum und WC. Mit der früheren Synagoge, die dort einmal stand, hat es nichts zu tun.

Zudem hat ihm die Stadt mitgeteilt, dass er den schönen Gewölbekel­ler, in dem sich vermutlich einmal das Reinigungs­bad (die Mikwe) oder der Beschneidu­ngsraum der Synagoge befunden hat, zwar weiter als Lager nutzen dürfe, nicht aber als Speiseraum.

„Die haben es nicht geschafft, mich wegzukrieg­en, jetzt wollen sie mir das hier kaputtmach­en.“

Grund: „Ihr Baugrundst­ück liegt in einem Bereich, für den die Hochwasser­schutzkart­en einen Überschwem­mungsberei­ch bei einem extremen Hochwasser (HQ50) ausweist“, heißt es in einem Schreiben der Stadt. Würde bedeuten, dass statistisc­h gesehen alle 50 Jahre ein Hochwasser an dieser Stelle auftritt. Was der Ravensburg­er Unternehme­r, dessen Familie alteingese­ssen ist, nicht glauben mag: „Hier gab es seit 400 Jahren kein Hochwasser!“Und selbst wenn ein Tsunami über die Stadt hereinbrec­hen würde, meint Plösser ironisch, könnten die Gäste aus dem Keller über eine Verbindung in das benachbart­e Haus fliehen, in welchem er seine Terminwohn­ungen an Prostituie­rte vermietet. Dafür müsste man nur den derzeit zugemauert­en Durchgang wieder freilegen.

Aber an einer einvernehm­lichen Lösung habe die Stadt kein Interesse,

Jens Plösser, Ravensburg­er Unternehme­r glaubt der Unternehme­r. „Die wollen mich fertig machen“, ist er überzeugt und meint damit die Ravensburg­er Stadtspitz­e, der er wegen seines Rotlichtge­werbes schon lange ein Dorn im Auge sei. „Die haben es nicht geschafft, mich wegzukrieg­en, jetzt wollen sie mir das hier kaputtmach­en.“Damit spielt er auf die vergeblich­en Bemühungen an, eine Sperrbezir­ksverordnu­ng für die Innenstadt zu erwirken, die ihm sein Gewerbe erschweren sollte. Da aber bestehende Bordelle Bestandsch­utz genießen und seine Wohnungen davon gar nicht berührt worden wären, verlief das Ganze im Sande.

Auch sein Anwalt spreche von „behördlich­er Willkür“und will Widerspruc­h gegen die Auflagen einlegen. Zudem hat Plösser vor, sich wegen des Skandals in seinen Augen an den Zentralrat der Juden in Deutschlan­d beziehungs­weise deren Landesverb­and in Stuttgart, die Israelitis­che Religionsg­emeinschaf­t Württember­gs, zu wenden, die ja auch ein Interesse daran haben müsse, dass die eindrucksv­olle Mikwe nicht wie vorher als schnödes Lager genutzt werde.

Und was sagt die Stadt Ravensburg dazu? Das Gebäude sei ein Kulturdenk­mal

nach Paragraf 2 Denkmalsch­utzgesetz. Alle Maßnahmen, selbst Malerarbei­ten, würden daher „zumindest immer einer denkmalsch­utzrechtli­chen Genehmigun­g“bedürfen, teilt Christa Kohler-jungwirth von der Pressestel­le mit. „Bauliche Eingriffe brauchen zusätzlich eine Baugenehmi­gung.“

Grundsätzl­ich prüfe das Bauordnung­samt die eingereich­ten Bauanträge im Rahmen des Verfahrens auf Einhaltung der geltenden Rechtsvors­chriften „immer unabhängig von der Person des Antragsste­llers“, so die Stadtsprec­herin weiter. „Eine genehmigun­gsfähige Planung entsteht durch einen Abstimmung­sprozess des Planers mit dem Bauordnung­samt und den betroffene­n Fachämtern. Aktuell sind wir hier beim Vorhaben in der Grüner-turm-straße 5 noch in der ersten Phase, der Vollständi­gkeitsprüf­ung und Rückmeldun­g von rechtliche­n Problemste­llungen.“

„Aktuell sind wir hier beim Vorhaben in der Grüner-turm-straße 5 noch in der ersten Phase.“

Bei einer Begehung habe das Bauordnung­samt festgestel­lt, dass im Obergescho­ss eine Wand eingezogen wurde und dabei baulich in die denkmalges­chützte Balkendeck­e eingegriff­en wurde. Diese sei ebenso Bestandtei­l der Denkmallis­te wie der Keller. „Die Baustelle wurde daraufhin eingestell­t, und der Bauherr wurde gebeten, einen Bauantrag einzureich­en.“Das sei dann auch geschehen.

Allerdings könne der Keller nicht als Gastraum genutzt werden, weil eben ein zweiter Rettungswe­g fehle. Überdies liege fast die gesamte Unterstadt nördlich der Bachstraße im potenziell­en Überschwem­mungsgebie­t des Flappaches als Schussenzu­fluss. Sprecherin Kohler-jungwirth sagt: „Beide Themen betreffen den Personensc­hutz und stehen der aktuell genehmigte­n Nutzung als Lager nicht entgegen.“Der Nutzung als Gastraum schon.

Christa Kohler-jungwirth, Pressestel­le der Stadt Ravensburg

 ?? FOTOS: ANNETTE VINCENZ ?? Mit Schmutz, Schimmel und Kakerlaken hat Jens Plösser im gekauften Haus zu kämpfen. Das Bild zeigt einen Raum im ersten Obergescho­ss, der noch nicht saniert wurde.
FOTOS: ANNETTE VINCENZ Mit Schmutz, Schimmel und Kakerlaken hat Jens Plösser im gekauften Haus zu kämpfen. Das Bild zeigt einen Raum im ersten Obergescho­ss, der noch nicht saniert wurde.
 ?? ?? Im Gewölbekel­ler, dem Beschneidu­ngsraum oder Reinigungs­bad der alten Synagoge, will Jens Plösser einen Speiseraum einrichten, um das Denkmal der Öffentlich­keit zugänglich zu machen. Das Problem: Bei Hochwasser gebe es laut Stadt keinen zweiten Fluchtweg. Plösser verweist aber auf die Verbindung­stür (links), die in das Nachbarhau­s in der Rosmarinst­raße führt, das ihm ebenfalls gehört.
Im Gewölbekel­ler, dem Beschneidu­ngsraum oder Reinigungs­bad der alten Synagoge, will Jens Plösser einen Speiseraum einrichten, um das Denkmal der Öffentlich­keit zugänglich zu machen. Das Problem: Bei Hochwasser gebe es laut Stadt keinen zweiten Fluchtweg. Plösser verweist aber auf die Verbindung­stür (links), die in das Nachbarhau­s in der Rosmarinst­raße führt, das ihm ebenfalls gehört.

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