Vielfältige Kulturen treffen in einem Erlebnisraum aufeinander
Judith Weise aus Neuravensburg hat mit „Café Farbenfroh“ihr zweites Buch geschrieben
- Judith Weise, 1970 in München geboren und seit 2005 in Wangen ansässig, hat sich auch in ihrem zweiten Buch den Menschen mit ihren vielfältigen Geschichten zugewandt. Anders als im „September Quartett“, wo das eigene Umfeld zum Thema gemacht wurde, entwickelt sich das „Café Farbenfroh“zu einem fiktiven Treffpunkt, wie er für die Schriftstellerin überall entstehen sollte: generationsübergreifend, aus vielfältigen Kulturen stammend und voller Geschichten.
Wer das im Verlag "Stroux edition" herausgebrachte Buch mit seinen 250 Seiten in die Hand nimmt, der kann gar nicht anders, als es aufzuschlagen. Das von Matthias Militz gestaltete Cover mit dem von einem Acrylgemälde entliehenen Rausch von Farben macht in der Tat „farbenfroh“. Wie man sich beim Studieren der Inhaltsangabe wünscht, dass das aus einer Vision entsprungene „Café Farbenfroh“wirklich zu dem wird, was der Buchtitel verspricht.
Judith Weise beschäftigt sich mit gesellschaftlichen und geschichtlichen Themen, in denen sie die Welt, in der wir leben, hinterfragt. Und so lässt sie durch die beiden Protagonisten Katia und Simon einen Ort entstehen, wo sich möglichst viele Bewohner eines Münchener Stadtviertels begegnen können. Die finanzielle Grundlage für diesen ehrgeizigen Plan kommt von Tante Leonie, die im Laufe der Handlung immer wieder eine eindrucksvolle Rolle spielen wird.
Nach und nach bildet sich ein Team, das das kulinarische Angebot des Cafés trägt: Sakina aus Syrien, Miray aus der Türkei und Ben, dessen Eltern aus Vietnam gekommen waren. Als gute Freunde und ständige Besucher der Kaffeestube erweist sich das Ehepaar Bering. Die Tatsache, dass Kashana aus Namibia stammt und zusammen mit Mann und zwei Kindern nach Afrika fliegt, um die Großmutter zu besuchen, bringt den Leser mit einer dunklen Seite deutscher Kolonialherrschaft in Berührung. „Wir wissen viel zu wenig über die brutale Niederschlagung des Herero-aufstandes im Jahr 1904“, sagt Judith Weise. Das möchte sie ändern. Deshalb lässt sie die Schwarzafrikanerin Kashana Kontakte zu Menschen dieses einstmaligen Hirtenvolkes aufnehmen und erklärt, was von vielen Historikern heute als „erster Völkermord im 20. Jahrhundert“benannt wird.
Noch etwas anderes ist der Buchautorin wichtig. Als begeisterte Sammlerin von Heilkräutern, für deren Fundorte sie „in den Wäldern herumstreift“, nimmt sie diese Leidenschaft ebenfalls mit in das literarische Geschehen auf. Mehr noch. Die Kräuter, die Katia im Garten der Tante erntet und die von ihr zu Tees verarbeitet werden, bilden zunächst die Grundlage, womit die jeweils landesüblichen Gerichte und Lieblingsessen der Mitarbeiter schließlich den Erfolg des Unternehmens „Café Farbenfroh“begründen.