Ein Heim zum Genießen
Land will Mahlzeiten in Senioreneinrichtungen verbessern – Doch wer soll dafür zahlen?
- Mittagessen im Laupheimer Seniorenzentrum Hl. Geist. Auf den Tellern liegt der schön angerichtete Spargel. „Wir kochen gerade viel Spargel, aber machen auch einiges mit Rhabarber, weil wir auf die saisonalen Produkte schauen. Denn das Essen soll auch im hohen Alter noch ein Genuss sein“, sagt Regina Werz. Sie ist gemeinsam mit Bernadette Walter die Küchenchefin der Senioreneinrichtung. Das Problem: Viele Pflegeeinrichtungen in Badenwürttemberg können sich qualitativ hochwertiges Essen nicht leisten. Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Auftrag gegebenen Studien zeigen, dass insbesondere die Verpflegung in Altenheimen verbesserungswürdig ist. Dabei wären gesunde und bedarfsgerechte Mahlzeiten im höheren Alter enorm wichtig, um die Gesundheit und Lebensqualität der Senioren zu steigern. Mit dem Projekt „Gutes Essen in der Seniorenverpflegung“will Baden-württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) die Qualität der Nahrung nun verbessern. In insgesamt sechs Einrichtungen ist das Pilotprojekt diesen April gestartet.
Eines davon ist das Hl. Geist Seniorenzentrum in Laupheim (Landkreis Biberach). „Wir freuen uns, Teil des Projekts zu sein, weil wir gutes Essen für unsere Senioren unglaublich wichtig finden“, sagt Bettina Michelis, die Geschäftsführerin der Einrichtung. Essen sei für viele Heimbewohner einer der wenigen Genussmomente.
Deswegen hat die Einrichtung mit katholischem Träger schon vor ein paar Jahren in kleinerem Stil damit angefangen, auf eine ausgewogene Ernährung ihrer Senioren im Heim zu achten. „Wir haben verstärkt auf regionale und biologische Produkte gesetzt und vieles frisch und selbst zubereitet“, berichtet Küchenchefin Walter. „Wir kochen auch saisonal und gehen auf die Wünsche unserer Bewohner ein, aber viele Lebensmittel müssen wir konventionell einkaufen, weil die Preise einfach stark nach oben gehen“, erklärt sie.
Das soll sich durch das Pilotprojekt jetzt ändern. Ziel ist es, dass die Einrichtungen eine Zertifizierung der DGE erhalten - dafür müssen sie den Anteil ökologisch erzeugter Lebensmittel auf mindestens 20 Prozent erhöhen, ebenso den Anteil von Bio-produkten. „Wir wollen uns dieses Zertifikat an die Haustüre kleben“, sagt Bettina Michelis. Außerdem soll im Rahmen des Projektes die Lebensmittelverschwendung reduziert werden. „Dafür müssen wir unsere Lebensmittelrückläufe in einer sogenannten Wiege-woche detailliert abwiegen und alles genau auflisten“, sagt Michelis. Ein paar Monate später müsse die Einrichtung den Prozess wiederholen. Zusätzlich wird das Projekt von verschiedenen Schulungen begleitet. „Natürlich entsteht für unsere Mitarbeiter bei der Umsetzung des Projekts ein Mehraufwand, der unter Umständen auch mal weh tun kann“, betont Michelis. „Aber am Schluss wird sich die Arbeit lohnen, weil wir dann wissen, wie und was wir optimieren können.“
Auch nach Ansicht des Agrarministeriums ist eine hochwertige Verpflegung
für Senioren wichtig. „Mahlzeiten geben dem Alltag Struktur und gemeinsames Essen ist für ältere Menschen oft die einzige Möglichkeit für soziale Kontakte“, sagt der Sprecher des Ministeriums, Jonas Esterl. Das Projekt ist auf mehrere Jahre angelegt. In drei Runden werden je sechs Senioreneinrichtungen wie die in Laupheim über eineinhalb Jahre bis zur Zertifizierung begleitet. Das Projekt wird wissenschaftlich verfolgt und ausgewertet. Durch die Praxiserfahrungen erhofft sich das Ministerium langfristige „Handlungsempfehlungen, von denen weitere Senioreneinrichtungen profitieren können“, erklärt Esterl. Aus Sicht des baden-württembergischen Landesvorsitzenden des Sozialverbandes VDK, Hans-josef Hotz, ist es höchste Zeit, sich um das Thema Verpflegung in Seniorenheimen zu kümmern. „Bislang ist erst ein Prozent der Pflegeeinrichtungen in Baden-württemberg von der DGE zertifiziert“, sagt er. Essen spiele beim wirtschaftlichen Betreiben eines Pflegeheimes eine untergeordnete Rolle, weil die Heime in diesem Bereich viel Geld einsparen können. „Im Moment liegt der Tagessatz für Verpflegung in den Pflegeeinrichtungen zwischen 3,50 und 4,50 Euro im Schnitt. Um den Qualitätsstandard der DGE zu gewährleisten, müssten jeden Tag mindestens sechs Euro pro Bewohner ausgegeben werden“, betont Hotz.
Das kostet natürlich. Hotz befürchtet, dass die Mehrkosten für hochwertigere Verpflegung auf die Bewohner umgelegt werden könnten. „In Baden-württemberg fallen 30 000 Menschen dem Sozialamt oder ihren eigenen Kindern zu Last, weil sie einen hohen Eigenanteil für die Pflegeeinrichtung bezahlen müssen“, sagt er. Er sei sich sicher, dass die Mehrkosten für besseres Essen am Ende auch die Heimbewohner zahlen müssen. Nur eine große Pflegereform, die den Eigenanteil senke, könne in verschiedenen Bereichen – auch in der Seniorenverpflegung – die Qualität steigern. Bettina Michelis vom Senioreneinrichtung Hl. Geist in Laupheim beteuert, dass sich die Mehrkosten aus den Pflegegeldern finanzieren müssen.
Wie viel mehr die Mahlzeiten nach den Dge-qualitätsstandards am Ende kosten werden, „dazu liegen dem Ministerium keine belastbaren Zahlen vor“, so Ministeriumssprecher Esterl. Aber durch weniger Lebensmittelverschwendung und andere Optimierungsmöglichkeiten glaubt er, unnütze Kosten einsparen zu können. Geld, das dann für qualitativ bessere Produkte ausgegeben werden soll.
Das Projekt selbst wird vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert und vom Land Baden-württemberg kofinanziert. Das Seniorenzentrum in Laupheim hat dem Projekt 1000 Euro als Eigenanteil beigesteuert. „Wir setzen das Geld ein, weil wir überzeugt sind, dass die Senioren ein Anrecht auf qualitativ hochwertiges Essen haben“, sagt Geschäftsführerin Michelis. Sie erwartet, dadurch die Qualität der Mahlzeiten nachhaltig zu optimieren – auch über das Projekt hinaus. Dann können sich die Senioren in Laupheim auch noch öfter über Spargel und Rhabarberkuchen freuen.