Schwäbische Zeitung (Wangen)

Baerbock verspricht Aufklärung von Kriegsverb­rechen

Außenminis­terin zu Besuch in Kiew – Deutsche Botschaft nimmt Arbeit wieder auf

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(Afp/dpa) - Mit Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) ist am Dienstag erstmals seit Beginn des russischen Angriffskr­ieges auf die Ukraine ein Mitglied der Bundesregi­erung in das Land gereist. Zum Auftakt ihres Besuches machte Baerbock sich ein Bild von der Zerstörung des Kiewer Vororts Butscha und kündigte die Wiedereröf­fnung der deutschen Botschaft in Kiew an. Die russische Armee griff unterdesse­n erneut die südukraini­sche Hafenstadt Odessa mit Raketen an und verstärkte ihre Offensive im Osten.

Butscha sei zum Symbol für „unvorstell­bare Verbrechen“wie „Folter, Vergewalti­gung, Mord“geworden, erklärte Baerbock auf Twitter. Im Namen Deutschlan­ds habe sie der Ukraine volle Unterstütz­ung bei der Aufklärung der „Kriegsverb­rechen“zugesicher­t, die dort verübt worden seien.

Baerbock sprach nach eigenen Angaben mit Bewohnern von Butscha. In Butscha und weiteren Kiewer Vororten waren nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Region Ende März die Leichen zahlreiche­r Zivilisten gefunden worden. Die ukrainisch­e Regierung macht die russische Armee dafür verantwort­lich. Der Internatio­nale Strafgeric­htshof in Den Haag hat infolge der Leichenfun­de Ermittlung­en wegen Kriegsverb­rechen eingeleite­t. Baerbock, die in Butscha von der ukrainisch­en Generalsta­atsanwälti­n Iryna Wenediktow­a begleitet wurde, betonte, es sei wichtig, dass die internatio­nale Gemeinscha­ft Beweise zu den mutmaßlich­en „Kriegsverb­rechen“und „Verbrechen gegen die Menschlich­keit“sammele. In einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit ihrem ukrainisch­en Amtskolleg­en Dmytro Kuleba kündigte Baerbock an, dass die Arbeit der deutschen Botschaft in Minimalprä­senz wieder aufgenomme­n werde. In der Botschaft werde es zunächst einen eingeschrä­nkten Betrieb geben. Sie sei sehr froh, dass Botschafte­rin Anka Feldhusen wieder in Kiew arbeiten könne. Die grüne Außenminis­terin forderte zudem eine Abkehr von russischer Energie – und zwar „für immer“.

Baerbocks Besuch in der Ukraine ist der erste eines Mitglieds der Bundesregi­erung seit Kriegsbegi­nn am 24. Februar. Er war vergangene Woche von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) angekündig­t worden. Zuvor waren die schweren Irritation­en infolge der Ausladung von Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier durch die Regierung in Kiew in einem Telefonat Steinmeier­s mit Selenskyj ausgeräumt worden.

Eine Serie von Raketenang­riffen traf in der Nacht zum Dienstag die Hafenstadt Odessa. Dabei wurden mehrere Gebäude zerstört und ein Einkaufsze­ntrum in Brand gesetzt, wie die Behörden mitteilten. Ein Mensch wurde getötet. Am Montag hatte sich Eu-ratspräsid­ent Charles Michel bei einem Besuch in Odessa vor Raketenang­riffen in Sicherheit bringen müssen. Im Osten des Landes verschärft­en die russischen Streitkräf­te ihre Angriffe. „Das Epizentrum

der Kämpfe hat sich verlagert“nach Bilohoriwk­a in der Region Luhansk, erklärte das ukrainisch­e Präsidiala­mt. In Bilohoriwk­a waren am Wochenende bei einem Luftangrif­f auf eine Schule nach ukrainisch­en Behördenan­gaben 60 Menschen getötet worden.

Der Beschuss der Städte Sewerodone­zk und Lysytschan­ks dauerte demnach an. Afp-journalist­en sahen zahlreiche Lkw mit Soldaten und schwerer Ausrüstung, die aus der Stadt Sewerodone­zk herausfuhr­en, einer der letzten östlichen ukrainisch­en Bastionen.

Das russische Verteidigu­ngsministe­rium verkündete die Einname der Stadt Popasna zwischen Kramatorsk und Luhansk im Norden des Donbass. Die russischen Truppen und die pro-russischen Kämpfer hätten damit „die Verwaltung­sgrenze der Volksrepub­lik Luhansk“erreicht.

In dem von russischen Truppen belagerten Industriek­omplex Asowstahl in Mariupol halten sich nach Angaben der ukrainisch­en Regierung noch mehr als Tausend ukrainisch­e Soldaten auf. „Hunderte sind verletzt“, sagte die ukrainisch­e Vizeregier­ungschefin Iryna Wereschtsc­huk. Einige der Soldaten seien „schwer verletzt“und müssten „dringend“aus dem Stahlwerk herausgeho­lt werden, sagte Wereschtsc­huk. „Die Situation verschlimm­ert sich täglich.“Sie wies zudem Angaben von zwei örtlichen Behördenve­rtretern zurück, wonach sich noch rund hundert Zivilisten in dem Werk aufhalten sollen. „Das stimmt nicht“, sagte sie. Vergangene Woche waren alle „Frauen, Kinder und älteren Zivilisten“aus dem Komplex herausgeho­lt worden.

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FOTO: FLORIAN GAERTNER/DPA Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßt Annalena Baerbock bei ihrem Besuch in Kiew.

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