Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bleibendes Restrisiko

Zahl der Photovolta­ikanlagen mit Batterien steigt – Nutzer sorgen sich wegen der Brandgefah­r der Akkus

- Von Paul Martin

- Ein lauter Knall, eine heftige Druckwelle: Anfang März hat eine Explosion ein Wohnhaus in Bodnegg (Landkreis Ravensburg) zerstört. Fenster und Türen wurden nach außen gedrückt, der Dachstuhl angehoben. Ein ähnlicher Fall am Wochenende in Althengste­tt (Landkreis Calw): Kurz bevor die Feuerwehr wegen Rauchentwi­cklung ein Einfamilie­nhaus betritt, zerbersten Kellerfens­ter, Kellertüre­n und Hauspforte. Der Grund ist jeweils der derselbe: die Explosion eines zur einer Photovolta­ikanlage gehörenden Batteriesp­eichers.

Auch wenn es in beiden Fällen zu gefährlich­en Situation gekommen ist, in denen keine Menschen schwerer verletzt worden sind, explodiere­n die kühlschran­kgroßen Akkus nach Einschätzu­ngen von Experten in der Regel sehr selten. In einem Projekt für das Bundeswirt­schaftsmin­isterium hat das Fraunhofer-institut für Solare Energiesys­teme (ISE) in Freiburg im Jahr 2018 die Zahl der eingebaute­n Batteriesp­eicher in Beziehung zu den gemeldeten Brand- und Explosions­fällen gesetzt und kam zu dem Schluss, dass „nur sehr wenige Brandfälle bekannt“und „Systeme mit gravierend­en Mängeln vom Markt verschwund­en“sind. Zudem minimierte­n entspreche­nde Standards in der Herstellun­g die Gefahren weiter.

Klar ist aber auch: Die Verkaufsza­hlen steigen – und damit die Gefahr von Bränden. Inzwischen sind deutschlan­dweit laut dem Bundesverb­and Energiespe­icher Systeme über eine halbe Million Heimspeich­er einbaut – 70 000 davon seien im ersten Quartal 2022 dazu gekommen. In Baden-württember­g könnte der Zuwachs im Lauf des Jahres noch größer werden: Seit einigen Tagen sind hier Pv-anlagen auf neugebaute­n Wohnhäuser­n Pflicht.

Kommt es zu einem Brand oder zu einer Explosion, stehen die Feuerwehre­n vor einer schwierige­n Aufgabe. Bei dem Brand in Bodnegg im März rückten 30 Feuerwehrl­eute aus. „Wir merken natürlich die Veränderun­g, dass die Leute den gewonnenen Strom nicht mehr einspeisen, sondern speichern wollen. Die Anzahl der Anlagen nimmt zu“, sagt Landesbran­dinspektor Thomas Egelhaaf im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Vor zehn oder fünfzehn Jahren gab es solche Speicher aber nur in abgelegene­n Berghütten“, erinnert sich Badenwürtt­embergs oberster Feuerwehrm­ann. „Die Herausford­erung ist: Wenn so ein Akku in Brand gerät, öffnen sich die Zellen durch Hitze und die chemischen Stoffe darin werden unter großem Druck rausgeblas­en.“

Die Speicher seien nur schwer zu löschen, die Feuerwehr kühle sie in der Regel zeitintens­iv mit viel Wasser ab, um den Brand zu stoppen. „Man muss auch darauf achten, dass es nicht zum Spannungsü­berschlag über den Wasserstra­hl kommt“, sagt Egelhaaf weiter. Vom Handstaubs­auger über das ferngesteu­erte Auto bis zum Akku-rasenmäher kennt die Feuerwehr die Phänomene, die bei Akku-bränden auftreten. „Bei Stromspeic­hern ist es natürlich problemati­scher, weil es deutlich mehr Energie ist“, sagt der Landesbran­dinspektor. Die stationär verbauten Akkus seien dabei aber erfahrungs­gemäß von höherer Qualität. „Außerdem sind sie besser geschützt als ein E-bike-akku, der gern mal runterfäll­t.“Das kann bei einem im

Keller verbauten Großakku nicht passieren.

Der Technische­r Überwachun­gsverein (TÜV) rät, beim Kauf eines Speichers auf die Zertifizie­rung zu achten. Gewisse Standards in puncto Sicherheit setzt etwa der Sicherheit­sleitfaden für Lithium-ionen-hausspeich­er fest, den verschiede­ne Branchenve­rbände zusammen herausgege­ben haben. Darin sind sämtliche Gefahrenqu­ellen, wie etwa interne oder externe Kurzschlüs­se aber auch die Auswahl und Verarbeitu­ng der Zellen, definiert. Und es ist festgehalt­en, wie man sie umgehen soll.

„Heute kommen vor allem Lithium-ionen-akkus zum Einsatz“, sagt Stephan Lux vom ISE in Freiburg. Gewisse Gefahren bestehen nach Angaben des Forschers immer. „Das sieht man, wenn zum Beispiel Branchengr­ößen

wie Samsung mit ihren Handys Probleme haben.“Entspreche­nde Probleme könne es auch mit Heimspeich­ern geben. Einen entscheide­nden Unterschie­d zu anderen Haushaltsg­eräten gibt es aber: Lithium-ionen-akkus enthalten brennbare chemische Verbindung­en. „Darum können hier solche Ereignisse stärkere Auswirkung­en haben“, erklärt Lux. „Bei den Speichern gibt es aber Standards und Regelwerke, die Gefahren beurteilen und den Hersteller­n extrem viel abverlange­n. Das ist auch gut so.“Zu den Ursachen von Bränden oder Explosione­n bei den Akkus stellt der Ingenieur fest: „Es gibt Fehler, die schwer abzufangen sind.“Bei der Material- oder Verarbeitu­ngsqualitä­t sei das beispielsw­eise der Fall. „Wenn dort

Ausreißer, Fehler in der Zelle, sind, ist das schwierig zu händeln.“Ein Restrisiko bleibt also immer.

Im Gegensatz zu Lithium-ionen-akkus werden Batterien auf Lithium-eisenphosp­hat-basis als sicherer, günstiger und umweltfreu­ndlicher beworben. Auch der Eauto-konzern Tesla setzt auf diese Technologi­e, genauso wie einige europäisch­e Autoherste­ller. „Die Spannung ist geringer, deshalb haben sie grundsätzl­ich das Potenzial eine längere Lebensdaue­r zu haben“, sagt Lux. „Durch die geringere Energiedic­hte zersetzt sich der Elektrolyt nicht so stark.“Ist der Eisenphosp­hat-akku per se sicherer? „So einfach würde ich es mir nicht machen“, sagt der Forscher, denn: „Die Variation innerhalb der Zellen ist so groß, dass ich das nicht unterschre­iben kann.“Einen brennbaren Elektrolyt­en brauchen beide Versionen des Speichers.

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