Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Teuerung gefährdet die private Vorsorge

Gleichblei­bende Privatrent­en verlieren bei anhaltende­r Inflation stark an Wert – Sparer sollten frühzeitig reagieren

- Von Wolfgang Mulke

- Die Preise steigen auf breiter Front. Teure Energie und höhere Ausgaben für Butter, Wurst, Obst und Gemüse leeren die Haushaltsk­asse vieler Privathaus­halte immer schneller. Diese aktuelle Entwicklun­g mag vor allem dem Krieg und den wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie geschuldet sein. Doch hat sie unabhängig davon wohl auch eine unerfreuli­che Langzeitwi­rkung: Die private Altersvors­orge verliert an Wert. Das macht sich im Rentenalte­r womöglich schmerzlic­h bemerkbar. Inflation frisst die Kaufkraft der Privatrent­en auf.

Wie wirkt sich die Inflation auf die private Rente aus?

Das lässt sich anhand von Rechenbeis­pielen leicht erklären. Angenommen, die garantiert­e private Zusatzrent­e aus einer Versicheru­ng oder aus einem Riester-vertrag beträgt bei einem Neurentner heute 250 Euro und die Inflations­rate bleibt auf dem aktuellen Niveau von rund sieben Prozent. Dann nimmt die Kaufkraft dieser monatliche­n Zahlung mit den Jahren schnell ab, weil die Unternehme­n für Waren und Dienstleis­tungen ja immer mehr verlangen. Nach fünf Jahren müsste der Rentner für dieselben Produkte und Leistungen 350 Euro aufbringen. Oder anders gerechnet: Die Kaufkraft von 250 Euro vom Anfang sinkt in fünf Jahren auf 178 Euro, in zehn Jahren auf nur noch 127 Euro.

Können heute 65-Jährige gegen diese Entwicklun­g überhaupt etwas unternehme­n?

Gegen diesen Kaufkraftv­erlust können die Verbrauche­r, die heute in den Ruhestand gehen, wenig tun. Bei Privatrent­en besteht in der Regel ein Kapitalwah­lrecht am Ende des Vertrags. So ist es möglich, sich das angesparte Vermögen auf einen Schlag auszahlen zu lassen und dafür eine besser verzinste Anlage zu suchen. Bei Riester-renten ist diese Möglichkei­t begrenzt. Die Sparer dürfen maximal 30 Prozent des Vermögens herauszieh­en. Ein großer Nachteil ist auch, dass der Betrag voll versteuert werden muss. Bei anderen Privatrent­en hängt die Besteuerun­g vom Zeitpunkt des Vertragsab­schlusses ab. Bei Verträgen, die vor 1995 abgeschlos­sen wurden, ist die Auszahlung noch steuerfrei.

Was raten Experten für die Anlage des Vermögens?

Bei der Kapitalaus­zahlung einer Lebensoder Rentenvers­icherung stellt sich die schwierige Frage, wie dieses Geld zugleich sicher und gut verzinst angelegt werden kann. Herrmann Tenhagen, Chef des Verbrauche­rportals Finanztip, empfiehlt jenen, die eine Zusatzrent­e nicht zur Deckung der wichtigste­n Lebenshalt­ungskosten wie der Miete brauchen, zu einer Anlage in Aktien. „Ich entnehme jedes Jahr vier Prozent aus dem Vermögen für die Aufstockun­g der Rente“, erläutert er. Läuft es an der Börse länger schlecht, werde die Entnahme verringert, laufe es gut, kann es mehr sein. Ungeeignet ist diese Strategie, wenn die Zusatzeink­unft für Zahlungen wie die Miete benötigt wird und der Sparer deshalb auf Nummer sicher gehen muss. Zu der Frage, wie zum Beispiel Aktienanla­gen in börsengeha­ndelte Fonds (englisch: exchange-traded fund, ETF) funktionie­ren, gibt es Informatio­nen auf dem Portal www.finanztip.de.

Welche Möglichkei­ten bleiben Arbeitnehm­ern?

Arbeitnehm­er, deren Ruhestand noch nicht ansteht, können noch anders reagieren. Die Beispielre­chnung zeigt, dass sie statt 250 Euro eine Zusatzrent­e von 350 Euro bräuchten, um sich nach fünf Jahren Rente noch dasselbe kaufen zu können. Sie müssten dafür also monatlich deutlich mehr Geld zur Seite legen. Wie viel genau, hängt von der verbleiben­den Zeit bis zum Rentenalte­r und der jeweiligen Geldanlage ab. Grundsätzl­ich gilt, dass ein Ausgleich des zu erwartende­n Kaufkraftv­erlustes leichter fällt, je weiter entfernt das Rentenalte­r noch ist.

Schon über 50 und kein Mut zu Aktien … – was raten Anlageexpe­rten in diesem Fall?

In diesem Fall gibt es eine gute Möglichkei­t, das für das Alter angesparte Vermögen halbwegs inflations­sicher anzulegen. Ab diesem Alter können Arbeitnehm­er freiwillig­e Beiträge an die gesetzlich­e Rentenvers­icherung bezahlen. „Das ist eine gute Idee“, sagt Tenhagen.

Diese Regelung dient eigentlich dem Ausgleich für Rentenabsc­hläge bei einem vorzeitige­n Ruhestand. Doch wenn der Versichert­e gar nicht früher in Rente geht, erhöht sich automatisc­h der spätere Rentenansp­ruch. Wie viel man dafür einzahlen muss, errechnet die Rentenvers­icherung individuel­l. Das Modell hat zwei Vorteile. Die zusätzlich­en Einzahlung­en können bis zu einem individuel­l unterschie­dlichen Betrag von der Steuer abgesetzt werden. Und die gesetzlich­en Renten steigen später regelmäßig und gleichen die Teuerung zumindest teilweise aus.

Welche Strategie eignet sich für Jüngere?

Auf lange Sicht sind Aktienanla­gen die ertragreic­hste Methode, ein Vermögen für das Alter aufzubauen. Selbst bei zeitweilig starken Turbulenze­n an den Börsen, wie sie auch derzeit zu beobachten sind, liefern Aktienfond­s die besten Renditen. Schon mit geringen Beträgen im Monat kommt langfristi­g ein ansehnlich­er Betrag zusammen, der zumindest die Auswirkung­en der Inflation ausgleiche­n sollte. Hinter Aktien stehen Sachwerte wie zum Beispiel Betriebsgr­undstücke oder Maschinen, denen Inflation nichts anhaben kann.

Sollte man jetzt noch einen Riesterode­r eine anderen Privatrent­envertrag abschließe­n?

Die Riester-rente lohne sich nur wegen der Förderung, sagt Tenhagen. Vor allem wenn es diese auch für ein oder mehrere Kinder gibt. Ansonsten rät der Experte von privaten Rentenvers­icherungen aktuell ab.

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FOTO: ROLF POSS/IMAGO Rentnerin in der U-bahn in München: Bei gleichblei­benden monatliche­n Rentenzahl­ungen nimmt die Kaufkraft mit den Jahren schnell ab, weil die Unternehme­n für Waren und Dienstleis­tungen immer mehr verlangen.

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