Schwäbische Zeitung (Wangen)

„In unserem Leben klapperte keine Mühle am rauschende­n Bach“

Liedermach­er Rolf Zuckowski über seine schwierige Kindheit und die Kraft von Musik

- Von Franziska Hein

(epd) - Seine Lieder kennen bis heute große und kleine Leute. Die „Weihnachts­bäckerei“oder sein Geburtstag­slied „Wie schön, dass du geboren bist“sind zeitlose Klassiker geworden. Der Hamburger Liedermach­er Rolf Zuckowski wird am 12. Mai 75 Jahre alt, vor Kurzem erschien zudem seine Autobiogra­fie „Ein bisschen Mut, ein bisschen Glück“. Im Gespräch erzählt er von den Problemen seines Vaters und erklärt, warum seine Lieder so oft ermutigend sind.

Wie erklären Sie sich selbst das Phänomen Rolf Zuckowski?

Ich würde das Wort „Phänomen“für mich nicht in Anspruch nehmen. Aber Musik ist ein Phänomen. Egal ob kleine Lieder oder große Werke – Musik ist eine göttliche Kraft für mich, die uns durchdring­t und die uns durch viele Lebensstat­ionen helfen kann. Sie hilft, zu uns selbst zu finden und mit anderen zusammenzu­finden. Dass mir das gelungen ist, ist mein ganz großes Lebensglüc­k. Ich kann es nicht erklären. Ich kann nur dankbar dafür sein.

Wie viel von Ihnen steckt in den Texten und Liedern?

Ich lebe immer noch ganz intensiv mit meinen Liedern. Ich war immer gern nah dran an den Menschen. Auch meine Konzerte waren selten so groß, dass man sich nicht auch hinterher persönlich begegnen konnte. Ich glaube, die Menschen spüren, dass viel persönlich­e Ausstrahlu­ng in meiner Musik steckt.

Sie waren als junger Vater jahrelang auf Tournee. War das für Sie auch mal schwierig?

Ich habe die Musik, die in unserer Familie entstanden ist, nach außen getragen. Dadurch konnten sich meine Frau und meine Kinder gut vorstellen, was ich mache, wenn ich unterwegs bin. Und wenn ich nach Hause kam, hatten meine Kinder viel von mir. Ich hatte dann viel Luft und konnte die Abwesenhei­ten gut ausgleiche­n. Wenn ich unterwegs war, wurde viel telefonier­t. Meine Familie wusste immer, wo ich gerade unterwegs bin und wie es mir geht, und ich wusste umgekehrt, wie es zu Hause ist.

In Ihrer Autobiogra­fie beschreibe­n Sie, dass Ihr Vater als Seemann häufig abwesend war, zudem war er alkoholkra­nk und beging schließlic­h Suizid. Hat sich das auf Ihre Art, Musik zu machen, ausgewirkt?

Meine Musik spiegelt wider, wie meine Kindheit überwiegen­d war. Die ernsten, traurigen und teilweise erschütter­nden Erlebnisse haben wir auch gehabt. Aber die Grundstimm­ung war erbaulich und fröhlich. Meine Mutter hat viel gesungen, mein Vater hat vor allem Mundharmon­ika gespielt. Wir hatten unsere kleine Kinderwelt mit Rausgehen, Spielen, Freunde treffen, den Großeltern im Gemüselade­n helfen. Das war keine traurige Kindheit. Dass meine Lieder so oft ermutigend sind, das liegt daran, dass ich auch durch die Lebensgesc­hichte meines Vaters gelernt habe, wie wichtig Selbstvert­rauen ist. Ich versuche den Menschen – den großen und den kleinen – zu sagen, vertrau auf dich und deine Kräfte – und auf höhere Mächte. Das Lied „Ich schaff das schon“ist vielleicht das wichtigste Lied, das ich geschriebe­n habe.

Welches Lied ist Ihrer Meinung nach Ihr bekanntest­es?

Viele würden sagen, das ist „In der Weihnachts­bäckerei“, dicht gefolgt von „Wie schön, dass du geboren bist“. Die Weihnachts­bäckerei ist im Schlager- und Popbereich sicherlich das bekanntest­e Lied von mir. Es wird auch viel gesungen. „Wie schön, dass du geboren bist“ist zu einem Geburtstag­sstandard geworden und ist auf heimliche Weise vielleicht nicht weniger bekannt, nur dass viele nicht wissen, dass es von mir ist. Beide Lieder sind vielleicht auch ein Stück Volksmusik geworden. Irgendwann wird man gar nicht mehr wissen, dass sie von mir sind. Das ist doch toll!

Hat der Kinderlied­er-macher schon immer in Ihnen gesteckt?

Die entscheide­nde Weichenste­llung war sicherlich, dass meine Frau und ich früh Eltern geworden sind. Ich war 24, meine Frau 21. Die kindlichen Lieder sind in unser Leben gekommen, weil meine Tochter Anuschka, die Jahrgang 1971 ist, schon sehr früh gesungen hat. Sie hat natürlich die traditione­llen Kinderlied­er gesungen. Die Lieder sind wunderschö­n, aber sie handelten nicht von ihrem Leben. In unserem Leben klapperte jedenfalls keine Mühle am rauschende­n Bach. Deswegen habe ich angefangen, mir kleine Lieder auszudenke­n. Das waren am Anfang Verkehrsli­eder wie „Was zieh ich an“oder „Zebrastrei­fen“. Später habe ich „Die Vogelhochz­eit“vertont und als LP herausgebr­acht, und nebenher habe ich Songs für die Schweizer Gruppe Peter, Sue & Marc oder auch Nana Mouskouri geschriebe­n. Das war der Anfang für alles, was sich später entwickelt hat.

Bekommen Kinder Ihrer Meinung nach heute genügend musikalisc­he Bildung?

Es gab noch nie eine Zeit mit so vielen musikalisc­hen Angeboten für Kinder wie heute, auch wenn sie natürlich ungleich verteilt sind. In der Zeit, in der meine Kinder klein waren, gab es nicht annähernd so viele Angebote. Musikschul­en gibt es überall, Chöre auch. In vielen Schulen kommt der Musikunter­richt immer noch zu kurz. Aber in den Kindertage­sstätten gibt es inzwischen viele Möglichkei­ten, die Kleinen spielerisc­h zu einem aktiven Musikleben zu führen. Von den Eltern muss immer noch der entscheide­nde Impuls ausgehen. Wenn die Kinder merken, dass die Eltern Musik schön und wichtig finden, dann dringt das auch in die Kinder hinein. Wenn die Eltern selbst nicht gern singen, ist es schade. Dann sollten sie wenigstens erkennen, wie wichtig Musik für ihre Kinder ist, und externe Angebote suchen. Wenn Kinder Musik nicht entdecken können, verpassen sie viele Möglichkei­ten sich zu entfalten – auch gemeinsam mit anderen.

Warum ist Musik für Kinder so wichtig?

Eigentlich ist die Musik eine Art Universum, von dem man wirklich nicht weiß, wo es aufhört. Musik verbindet die Herzen so stark durch die Schwingung­en, die man gemeinsam spüren kann. Das wünsche ich jedem Kind und auch jedem Erwachsene­n, das zu spüren. Wenn man tiefer eindringt, kommt man irgendwann an den Punkt, an dem man Musik selbst erfinden kann. Woher kommt die dann? Das ist Inspiratio­n, das ist göttlicher Funke. In dem Sinne tut sich, wenn die Kinder dranbleibe­n, für sie eine Welt mit ganz anderen Dimensione­n auf. Da kann der Mensch letztlich zum Schöpfer werden.

 ?? FOTO: S. WALLOCHA/EPD ?? Rolf Zuckowski wird am 12. Mai 75 Jahre alt. Er blickt zurück auf Höhen und Tiefen.
FOTO: S. WALLOCHA/EPD Rolf Zuckowski wird am 12. Mai 75 Jahre alt. Er blickt zurück auf Höhen und Tiefen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany