Die Feuerwehr rettet nicht nur Dachse aus Pools
Pferde, Füchse oder Eulen – Kuriose Einsätze im Landkreis Ravensburg sollen künftig noch professioneller ablaufen
- Die Feuerwehr kommt nur, um Brände zu löschen? Weit gefehlt! Sie rückt auch aus, um Tiere aus misslichen Lagen zu befreien. Rund 30 Mal werden die Feuerwehren im Kreis Ravensburg pro Jahr gerufen, um sich um Katzen, Füchse, Vögel oder Pferde und anderes in Not geratenes Getier zu kümmern. Um solche Einsätze zu optimieren, hat der Landkreis in Sachen Tierrettung jetzt aufgerüstet. Und liegt damit deutschlandweit vorn.
An die Katze, die im Mai 2020 irgendwo bei Oberzell lautstark um Hilfe miaute, erinnern sich Pascal Bachmann und Christoph König, bei der Ravensburger Feuerwehr für die Pressearbeit zuständig, noch besonders gut: Nachdem die Mieze ein paar Tage lang nicht heimgekommen war, alarmierte die Besitzerin die Feuerwehr. Diese rückte daraufhin mit einem guten Dutzend Leuten an.
Gemeinsam wurde die 63 Kilo schwere Schiebeleiter in einen unwegsamen Tobel geschleppt, mit Seilen gesichert und auf 14 Meter ausgezogen. So hoch oben auf einem Baum saß die Katze nämlich – und traute sich offensichtlich nicht mehr runter. Ein schwindelfreier Kollege stieg die Leiter hinauf, packte das verängstigte Tier in einen Rucksack und übergab es der erleichterten Katzenmama.
Auch eine Eule, die im Dezember 2021 im Andermannsberg aus unerfindlichen Gründen in einen Kamin gerutscht war und den Hausbesitzer mit großen Augen anguckte, als er seinen Kaminofen anzünden wollte, haben die Ravensburger Feuerwehrleute rausgeholt und in die Freiheit entlassen. Der Wanderfalke, welcher stundenlang erstarrt auf einer Markise
in der Marktstraße saß, wurde ebenfalls umsichtig eingefangen.
Und dann war da noch der junge Dachs, der sich vor gut einem Jahr in einen leeren Swimmingpool in Weingartshof verirrt hatte und alleine nicht mehr rauskam: Die Feuerwehrleute fingen ihn mit einem großen Fischernetz ein und schoben ihn dann tatkräftig aus dem Pool. Oben angelangt, machte sich der offenbar unverletzte Dachs schleunigst aus dem Staub. Im Gegensatz zu den Bewohnern, die in einem solchen Fall oft Sorge hätten, verletzt zu werden oder etwas verkehrt zu machen, bleiben die Feuerwehrleute auch bei solch eher ungewöhnlichen Einsätzen gelassen: „Wir haben ja dicke
Handschuhe an, falls etwa der Dachs zugebissen hätte“, erläutert König.
Und nicht nur das: Die Ravensburger Wehr besitzt ein Kleineinsatzfahrzeug, das randvoll ist mit Dingen, die man bei speziellen Einsätzen braucht. Vom Fangnetz über Tiertransportbox, Chemikalienbinder, Auffangwanne oder Imkerkleidung bis hin zu diversen Schraubenschlüsseln ist alles an Bord.
Bisweilen kommt die Feuerwehr freilich umsonst angefahren: Die vermeintlich verletzte Taube am Untertor war ebenso wenig zu finden wie der scheinbar verletzte Schwan am Metelisweiher in Oberhofen. Genervt sind die Ehrenamtlichen trotzdem nicht: „Es ist unser Job, zu schützen, zu retten und zu bergen – das schließt Tiere selbstverständlich mit ein“, macht Bachmann klar.
Immer wieder wird die Ravensburger Feuerwehr auch wegen Füchsen gerufen: Im August 2021 hatte sich ein offenbar angefahrener Fuchs im Keller eines Hauses in der Schlierer Straße verkrochen. Weil den Bewohnern das Tier nicht geheuer war, riefen sie die Feuerwehr. Die verstaute den Fuchs in eine Box und brachte ihn in die Tierklinik.
Anfang Januar wiederum streunte ein Fuchs tagelang durch die Grünlandsiedlung, ehe die Feuerwehrleute ihn einfingen und einem Jäger übergaben. Nur ein paar Tage später wurden die Einsatzkräfte in die Weißenauer
Halde zu einem weiteren Fuchs gerufen, den sie ebenfalls in die Transportbox packten. Die Bewohner fuhren den Fuchs dann in eine Wildtierauffangstation. Damit die Feuerwehrtruppen vor Ort noch differenzierter als bisher entscheiden können, wie man am besten mit einem Tier umgeht und wo man es gegebenenfalls hinbringt, ist im Landkreis seit Mitte April ein achtköpfiges Fachberaterteam „Tierrettung“am Start. Damit will Kreisbrandmeister Oliver Surbeck „mehr Fachlichkeit in das Thema reinbringen“– bisher habe man in kniffligen Situationen oft aus dem Bauch heraus gehandelt.
Nun können Feuerwehrleute, die sich bei einem Einsatz nicht ganz sicher sind, wie sie am besten vorgehen sollen, einen solchen Fachberater kontaktieren. Der gibt dann entweder per Videotalk Tipps oder kommt selbst vorbei. Und zeigt den Kollegen beispielsweise, wie man eine Kuh, die in eine Grube gefallen ist, so wieder heraushebt, dass bei der Aktion keine Organe verletzt werden.
Die acht Berater sind allesamt selbst ehrenamtlich bei der Feuerwehr, kennen sich als Veterinäre, Landwirte oder Metzger mit Tieren aus und haben zudem eine entsprechende Fortbildung absolviert. „Wir sind der erste Landkreis in Badenwürttemberg mit Fachberaterstatus Tierrettung“, sagt Surbeck stolz.
Auch wenn im Kreis nicht alle Tage ein Tier in Not gerät, so kommt es doch immer wieder vor, dass Schwäne auf Weihern festfrieren, eine Entenfamilie eine viel befahrene Straße kreuzt oder ein Pferd in einem Moor zu versinkten droht. Bei Wohnungsbränden ist es auch schon passiert, dass ein Terrarium zersplitterte und die Schlangen ausgebüxt sind.
Der Klassiker sind allerdings Katzen, die sich zu hoch hinauf wagen. Davon kann auch Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp ein Lied singen: Im August 2020 wollte Familienkatze Leyla partout nicht mehr von einer Eiche runterkommen. Selbst dann nicht, als Rapp höchstselbst auf einer Feuerwehrsteckleiter 19 Meter in die Höhe kletterte, um sie zu locken. Zwar fing der OB seine Katze zunächst mit einem Kescher ein, doch ist sie ihm wieder entschlüpft und noch weiter nach oben geklettert. Erst der Höhenrettungsgruppe aus Weingarten ist es einen Tag später schließlich gelungen, Leyla vom Baum zu holen.