Schwäbische Zeitung (Wangen)

Hans-martin Diemer muss sein Lebenswerk beenden

Verein Indien-kinderhilf­e in Bad Wurzach aufgelöst – Er war eine Erfolgsges­chichte

- Von Steffen Lang

- 44 Jahre seines Lebens hat Hans-martin Diemer der Hilfe für ausgebeute­te und misshandel­te Kinder in Indien gewidmet. Nun ist Schluss, muss Schluss sein, weil der Bad Wurzacher für seinen Verein Indien-kinderhilf­e Oberschwab­en keinen neuen Vorsitzend­en gefunden hat.

Der Schritt ist ihm schwer gefallen. Lange hat der 79-Jährige versucht, „seinen“Verein, den der 34 Jahre lang führte, zu retten. Doch trotz aller Bemühungen fand sich niemand, der in seine großen Fußstapfen treten wollte. So blieb am Ende nur die Vereinsauf­lösung, die mittlerwei­le amtlich ist.

Und es bleibt als letzte Aufgabe, Dank an alle zu sagen, die die Erfolgsges­chichte der Indien-kinderhilf­e Oberschwab­en mit ermöglicht haben. Geschehen wird dies mit einem Gottesdien­st am kommenden Samstag, 14. Mai, ab 10 Uhr in St. Verena. Zelebrant wird der Theologe Professor Josef Sayer sein, der viele Jahre lang das Bischöflic­he Hilfswerk Misereor geleitet hat. Rudolf Ege, Claudia Merk, Otto Braun, Karl Guter, Sabine Batzill, Brigitte Hübner und Albert Bank zählt Diemer in seinem letzten Vereinsrun­dschreiben als diejenigen auf, die sich in besonderer Weise um den Verein verdient gemacht haben. Dankbar ist er auch für die Unterstütz­ung der katholisch­en Pfarrei. Zahllos ist dabei die Schar derer, die sich engagiert haben. „Es ist in all den Jahren mein Glück gewesen, immer so viele Leute um mich herum zu haben, die geholfen haben“, blickt Diemer, der aus dem Landkreis Rottweil stammt, voller Dankbarkei­t zurück. Alleine für jeden Indien-kinderhilf­e-basar habe es 34 Helfende gebraucht – mehr als 30 dieser Basare hat es gegeben. Doch auch ihre Mitarbeit wäre letztlich freilich vergebens gewesen, wären sie mit ihrem Engagement nicht auf so viele offene Herzen gestoßen. „Die Freigiebig­keit der Oberländer war stets überwältig­end“, erinnert sich Hans-martin Diemer.

Zehntausen­de von Einzelspen­den habe er über die Jahre erhalten, wobei ihn auch die kleineren Beträge oft tief bewegten. „Da gab es Rentnerinn­en, die mir erzählt haben, dass sie selbst gerade so über die Runden kommen, und mir dann trotzdem zehn oder 20 Euro in die Hand drückten. Sowas ist der Wahnsinn.“

1978 reiste er erstmals nach Mumbai (damals hieß es noch Bombay) in Indien, um dort zwei Kinder zu adoptieren. „Vom Elend in dieser Stadt war ich so schockiert, dass ich beschloss, in diesem Land den Ärmsten der Armen zu helfen“, erinnert er sich noch gut an seine Eindrücke. Mit Unterstütz­ung der katholisch­en Schwester Shalini und ihres Ordens organisier­te er die Hilfe vor Ort, die er anfangs alleine, dann und nach und nach mit Freunden in Koffern voll mit Kleidung und Medikament­en, manchmal auch mit Süßigkeite­n in das Land brachte.

Schon in diesen ersten Jahren erhielt er zu Hause viele Spenden. Quittungen dafür konnte er als Privatmann aber nicht ausstellen, und so gründete er Ende 1988 mit einigen Mitstreite­rn in Bad Wurzach, wo er seit zwei Jahren als Grund- und Hauptschul­rektor arbeitete, den Verein Indien-kinderhilf­e Oberschwab­en.

Der wurde zur Erfolgsges­chichte. Mehr als 1,3 Millionen Euro an Spendengel­der sammelte der Verein im

Lauf der Jahre. Eingesetzt wurden sie in zahlreiche­n Hilfsproje­kten in ganz Indien, teilweise aber auch im benachbart­en Nepal, in Afrika und im Nahen Osten. Schulen, Kinderheim­e und Frauenhäus­er wurden gebaut und unterstütz­t.

Strenge Kontrollen der Verwendung der Gelder waren, das lernte Diemer schnell und manchmal auch schmerzhaf­t, vor Ort unerlässli­ch. Das war er sich selbst und auch denen, die dem Verein Geld anvertraut­en, schuldig: „Ich stand stets mit meinem Namen dafür, dass das Geld dort ankommt, wo es hin soll.“

Die Salvatoria­nerinnen waren ihm dabei in Indien eine große Hilfe, später arbeitete der Verein mit Misereor zusammen. Etwa 30 Mal reiste Diemer selbst nach Indien, um nach dem Rechten zu sehen. Mehrfach traf er sich dabei auch der Friedensno­belpreistr­ägerin Mutter Teresa.

Zu Hause organisier­te er den jährlichen Basar, erst im Leprosen-, später in Pius-scheel-haus, hielt selbst Vorträge, brachte Referenten nach Bad Wurzach, „trommelte“immer und überall für seinen Verein. „Lebenskraf­t, Begeisteru­ng und Leiden“, habe Hans-martin Diemer eingebrach­t, würdigt sein Stellvertr­eter im Verein, Karl Guter, dieses Lebenswerk.

Er sei nicht nur Gründer des Vereins, sondern auch dessen Zentrum vom ersten bis zum letzten Tag gewesen. Mitgetrage­n wurden dieses enorme Engagement von seiner Ehefrau und den fünf Kindern, die ihn mittlerwei­le zum vierfachen Opa gemacht haben.

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FOTO: CHO Hans-martin Diemer gründete 1988 den Verein Indien-kinderhilf­e Oberschwab­en.

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