Als der Rechner siegen lernte
Vor 25 Jahren schlug ein Computer Schach-ass Kasparow
(SID) - Die Menschheit bangte, die Technikwelt hoffte – und der Schachweltmeister versagte. Im mit Spannung erwarteten Duell zwischen Mensch und Maschine trat Garri Kasparow gegen den Supercomputer Deep Blue an. Doch das russische Genie verlor nicht nur die entscheidende sechste Partie. Seine historische Niederlage vor 25 Jahren war der Beginn einer neuen Ära.
Die ganze Welt blickte an jenem 11. Mai 1997 nach New York, wo Kasparow nach eigener Aussage die „Ehre der Menschheit“verteidigen wollte. Dies war dem damals 34-Jährigen ein Jahr zuvor gelungen, als er das erste Duell gegen Deep Blue souverän gewann. Doch die Revanche nahm einen anderen Verlauf.
Selbstbewusst und vielleicht ein wenig überheblich ging Kasparow, der von 1985 bis 2000 Weltmeister war und seit dem Ende seiner Karriere vor 17 Jahren als Oppositionsaktivist in seiner Heimat aktiv ist, in die sechste Begegnung. Wohlwissend, dass er in den vorangegangenen Begegnungen Fehler im Spiel des Computers ausgemacht hatte – so zumindest seine Annahme.
Doch die Entwickler um Hsu Feng-hsiung hatten Deep Blue im Vergleich zum ersten Aufeinandertreffen aufgerüstet. Der Supercomputer, der aussah wie ein Kühlschrank
mit zwei schwarzen jeweils zwei Meter hohen Türmen, konnte bis zu 200 Millionen Stellungen innerhalb einer Sekunde berechnen. Kasparow vermutete dennoch eine Lücke im Eröffnungsprogramm.
Und so wagte der beste Schachspieler seiner Generation eine Eröffnung, die er zuvor nur in Begegnungen gegen seinen Landsmann und großen Rivalen Anatoli Karpow praktiziert hatte. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte. Deep Blue konnte sich auf diese höchst riskante Taktik einstellen, die bereits im Jahr 1997 mit Schwarz als zu gefährlich eingestuft wurde.
Kasparow verzweifelte. Nach dem 18. Zug standen viele seiner Figuren noch auf der Ausgangsposition, sein König war aber derart entblößt, dass er zur Aufgabe gezwungen wurde. Es war eine der schnellsten Niederlagen unter klassischen Turnierbedingungen mit Bedenkzeit seiner Karriere. Kasparow verlor das Duell mit 2,5:3,5. Hohn und Spott prasselten auf ihn ein.
Die erste Niederlage eines Menschen gegen einen Computer läutete eine Zeitenwende ein. „Ein historischer Moment“, gab auch Kasparow später zu, „obwohl es eine brutale, nicht menschenähnliche Maschine war, die anscheinend im Schach triumphieren musste“. Seine Leistung beschrieb er als „peinlich“.
Für die Entwickler von Systemen Künstlicher Intelligenz (KI) war es ein Meilenstein. Computer sind heutzutage auch von den besten Großmeistern nicht mehr zu bezwingen. Deep Blue gehört jedoch nicht mehr dazu. Die Entwicklung des eigens vom amerikanischen Itunternehmens IBM für den Wettkampf hergestellten Rechners wurde nach dem historischen Sieg eingestellt.
Denn: Ein geplantes drittes Duell, für das Deep Blue erneut aufgerüstet werden sollte, kam nicht zustande. Kasparow verweigerte. Verständlich.