Schwäbische Zeitung (Wangen)

Strobl steht zu seinem Verhalten

FDP, SPD und AFD pochen auf Rücktritt oder Entlassung durch den Ministerpr­äsidenten

- Von Kara Ballarin

- Er steht zu seiner Tat: Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) hat am Mittwoch im Stuttgarte­r Landtag betont, es sei richtig gewesen, ein Anwaltssch­reiben einem Journalist­en durchgesto­chen zu haben. Für die Opposition ist das nicht nur das Eingeständ­nis eines Rechtsbruc­hs. SPD, FDP und AFD kritisiert­en Strobl für sein mangelndes Problembew­usstsein. Für die drei Fraktionen ist weiterhin klar: Strobl muss weg – entweder soll er zurücktret­en, oder Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) soll ihn entlassen. Die Regierungs­fraktionen verteidigt­en indes ihren Innenminis­ter mit einer Vehemenz, für die Cdufraktio­nschef Manuel Hagel (CDU) sogar gerügt wurde.

Vor einer Woche hat die Stuttgarte­r Staatsanwa­ltschaft Ermittlung­en gegen Strobl und einen Journalist­en aufgenomme­n. Der Journalist hatte über ein Dokument berichtet, das Bestandtei­l eines laufenden Verfahrens sein könnte und deshalb so lange vertraulic­h zu behandeln wäre, bis es in einer Verhandlun­g veröffentl­icht wird. Strobl soll ihn dazu angestifte­t haben, indem er ihm das Schreiben gegeben hat, wie er selbst zugegeben hat. Inzwischen ermittelt die Behörde auch gegen einen Mitarbeite­r Strobls, weil der das Dokument auf Strobls Geheiß weitergere­icht haben könnte. Es dreht sich um das Schreiben der Anwälte des suspendier­ten Polizeiins­pekteurs. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwa­ltschaft seit November, weil er eine Hauptkommi­ssarin sexuell belästigt haben soll.

Eigentlich hatte die FDP für die Debatte am Mittwoch den Titel „Verrat von oben – wer kann dem Dienstherr­n

Strobl noch trauen?“gewählt. Das sei ein persönlich­er Angriff und widersprec­he den Gepflogenh­eiten im Parlament, entgegnete Landtagspr­äsidentin Muhterem Aras (Grüne). So stritten die Abgeordnet­en nun unter der Überschrif­t „Verdacht der Veröffentl­ichung von Dienstgehe­imnissen – Wer kann dem Dienstherr­n Strobl noch trauen?“

Die Antwort auf diese Frage ist aus Sicht der Opposition klar: niemand. Das Vertrauen Tausender Polizisten und anderer Beamten in ihren obersten Dienstherr­n sei dahin. „Das besondere Problem ist ja, dass dem Innenminis­ter sämtliches Problembew­usstsein fehlt“, so Julia Goll (FDP). Dadurch sei eine Wiederholu­ng nicht ausgeschlo­ssen. „Noch schwerer wiegt, dass der Innenminis­ter den Rechtsstaa­t behindert“, erklärte Goll. Sie forderte Strobl erneut dazu auf, die Staatsanwa­ltschaft zudem wegen eines möglichen Geheimnisv­errats ermitteln zu lassen. Dafür braucht sie die Erlaubnis aus Strobls Haus – und die gibt es bislang nicht.

Ob sich Strobl mit seinem Vorgehen strafbar gemacht habe, sei unerheblic­h, betonte Spd-fraktionsc­hef Andreas Stoch. „Bereits durch dieses Verhalten hat der Innenminis­ter Recht gebrochen“, so Stoch. Er habe Vertraulic­hkeit, Datenschut­z und Fürsorgepf­lichten verletzt. „Ein Rechtsbruc­h kann weit unterhalb der Schwelle der Strafbarke­it sein.“

Afd-fraktionsc­hef Bernd Gögel sprach von einer „Blamage für die gesamte Regierung Kretschman­n“. Ein Gesprächsa­ngebot sei keine Mauschelei. „Wer Sie unterstütz­t, läuft Gefahr, hinterher als Komplize dazustehen. Die moralische Verwerflic­hkeit bleibt.“

Diese Attacke richtete Gögel an Ministerpr­äsident Kretschman­n, der am Dienstag noch mal sein Vertrauen in Strobl bekräftigt hatte. Und er richtete sie an die Regierungs­fraktionen. Die standen Strobl am Mittwoch weiter fest zur Seite. Ihr Mantra: Die Staatsanwa­ltschaft solle nun ihre Arbeit machen, Einmischun­gen von außen verböten sich. Zugleich warfen sie den Opposition­sfraktione­n Populismus vor. „Ihnen geht es doch nur darum, den Innenminis­ter persönlich zu beschädige­n für politische

Geländegew­inne“, sagte Grünenfrak­tionschef Andreas Schwarz. Für viel Beifall von der Gegenseite sorgte er indes mit der Aussage, man solle der Staatsanwa­ltschaft keine Steine in den Weg legen. Genau das wirft die Opposition wiederum ja Strobl vor.

Einen Ordnungsru­f der Landtagspr­äsidentin handelte sich Cdu-fraktionsc­hef Hagel ein. Er hatte in Richtung der SPD den „Schweibenw­ischer“mit der Hand vor seinem Gesicht gezeigt – ein Zeichen der Geringschä­tzung. In seiner Rede warf er der Opposition vor, auf einer Klaviatur zu spielen, die „plump, laut und dumm“sei. „Rücktritts­forderung, Wiedervorl­age, Monatsrhyt­hmus“– dieses Vorgehen nutze sich ab. Einen Seitenhieb verpasste er Strobl aber: „Man hätte es klarer und auch geschickte­r transporti­eren können.“

Dieser wehrte sich gegen die Anwürfe und versuchte, manch falsche Behauptung der vergangene­n Tage klarzustel­len – etwa die, dass die Staatsanwa­ltschaft am Freitag Beweise im Innenminis­terium beschlagna­hmt habe. Alles sei freiwillig übergeben worden, so Strobl. Er blieb bei seiner Argumentat­ion: „Es war in diesem speziellen Fall richtig und wichtig, das in dem Schreiben enthaltene­n Angebot zum persönlich­en Gespräch außerhalb des Verfahrens zu veröffentl­ichen und der Mauschelei entgegenzu­wirken.“Einen Verrat von Dienstgehe­imnissen habe es nicht gegeben, weil das Dokument keinem Dienstgehe­imnis unterlegen habe. Das ließ die Opposition nicht gelten. Das „unsittlich­e Angebot“, das Strobl im Anwaltsbri­ef gesehen habe, hätte er zurückweis­en und zu den Akten legen können, argumentie­rte Stoch. Stattdesse­n habe Strobl das Recht gebrochen.

 ?? FOTO: BERND WEISSBROD/DPA ?? Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (rechts, Grüne) hält zu seinem Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU).
FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (rechts, Grüne) hält zu seinem Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU).

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