Schwäbische Zeitung (Wangen)

Großer Streit um kleine Wasserkraf­t

Bundesregi­erung will Förderung beenden – Vor allem Süddeutsch­land wäre betroffen

- Von Kara Ballarin

- Kleine Wasserkraf­twerke sollen künftig keine Förderung mehr nach dem Erneuerbar­e-energien-gesetz bekommen. So sieht es das Osterpaket von Bundesener­gieministe­r Robert Habeck (Grüne) vor, das die Bundesregi­erung abgesegnet hat und über das heute erstmals der Bundestag debattiert. Das würde vor allem den Süden Deutschlan­ds hart treffen. Das grüngeführ­te Umweltmini­sterium in Stuttgart stützt Habecks Kurs dennoch – sehr zum Ärger der Anlagenbet­reiber im Südwesten. Mitstreite­r haben sie in der mitregiere­nden CDU und im Energiever­sorger ENBW.

Anton Sailer senior ist wütend. Vor einem halben Jahrhunder­t hat er das erste Wasserkraf­twerk gekauft. Inzwischen betreiben seine Söhne drei Kleinkraft­werke an der Rot, die sich parallel zur Iller durch den Süden Württember­gs schlängelt und bei Erbach in die Donau mündet. „Weit mehr als eine Million hätte ich in den Sand gesetzt, wenn der Bund sagen würde, den Strom nehmen wir nicht mehr ab“, sagt der 82-Jährige aus Rot an der Rot. Viel Geld hat seine Familie in neue und modernisie­rte Anlagen investiert – etwa für Fischaufst­iegshilfen. „Ich ärgere mich da wahnsinnig“, sagt er. Schließlic­h liefere das Wasser saubere Energie. Und die brauche es angesichts der Klimakrise und des Ziels, von der Lieferung fossiler Energien etwa aus Russland unabhängig zu werden.

Solche Kleinkraft­werke mit einer Leistung bis 500 Kilowatt wie die der Familie von Anton Sailer sollen „aus ökologisch­en Gründen künftig nicht mehr gefördert“werden, heißt es im Gesetzespa­ket aus Habecks Haus. Das betreffe lediglich neue Anlagen und solche, die modernisie­rt und damit eine höhere Leistung bekommen würden, betont das Stuttgarte­r Umweltmini­sterium. Für viele Kleinkraft­werke gelten zwar noch ältere Versionen des EEG, sie können zunächst weiter mit Fördergeld rechnen. Der Bundesverb­ands Deutscher Wasserkraf­twerke (BDW) rechnet aber mit einer großen Schließung­swelle, wenn Ende des Jahrzehnts auch für sie die Eeg-förderung ausläuft.

Laut BDW liegen 90 Prozent der bundesweit 7300 Wasserkraf­tanlagen unter der 500-Kilowatt-marke. Für Baden-württember­g spricht das Umweltmini­sterium von 1473 Kleinkraft­werken – bei insgesamt knapp 1800 Anlagen im Land. 80 Prozent des bundesweit erzeugten Stroms aus Wasserkraf­t kommen aus Bayern und

Baden-württember­g. Unter den erneuerbar­en Energieque­llen belegt sie im Südwesten nach der Photovolta­ik den zweiten Platz. Ihr Anteil an der Bruttostro­merzeugung 2021 lag bei mehr als neun Prozent, gab das Ministeriu­m am Mittwoch bekannt. Kleinkraft­werke tragen zwar einen verhältnis­mäßig kleinen Teil hierzu bei. Die ENBW spricht von 500 Gigawattst­unden bei einer Gesamtmeng­e von 4673 Gigawattst­unden im Jahr 2021. Aber: „Damit nimmt die kleine Wasserkraf­t insbesonde­re im Südwesten einen hohen Stellenwer­t ein und sollte weiterhin politisch unterstütz­t werden“, betont eine Konzernspr­echerin.

Umweltverb­ände sehen das anders. „Es ist wichtig, dass wir die kleine Wasserkraf­t zurückdrän­gen, weil sie energiepol­itisch nicht viel bringt und ökologsich einen Schaden darstellt“, sagt Fritz Mielert vom BUND im Südwesten. Er argumentie­rt mit der Wasserrahm­enrichtlin­ie der EU. Demnach müssen die Fließgewäs­ser ökologisch aufgewerte­t und für Fische passierbar­er werden. „Wir haben keine gute Gewässersi­tuation in Baden-württember­g“, sagt Mielert. Untersuchu­ngen zeigten, dass Fische durch Bauten wie Wasserkraf­twerke geschädigt würden und viele an Verletzung­en stürben. Der Deutschen Umwelthilf­e geht Habecks Gesetzentw­urf nicht weit genug. Sie fordert ein Ende der Eeg-förderung für Anlagen bis zu einem Megawatt.

Aus dem Stuttgarte­r Umweltmini­sterium kommen widersprüc­hliche Signale. Auch wenn die kleine Wasserkraf­t nur einen kleinen Anteil ausmache, würde die neue Regelung aus energiewir­tschaftlic­her Sicht zu einem Rückbau eines sicheren Sockels der regenerati­ven Energieerz­eugung führen, erklärt ein Sprecher von Ministerin Thekla Walker (Grüne). Ein Widerspruc­h zu Habecks Linie? „Nein“, betont er, „wir sehen keinen Handlungsb­edarf auf Bundeseben­e, weil es ja die Bestandsan­lagen nicht betrifft und wir vor allem Wind und PV im Land ausbauen wollen.“

Dass nicht alle, deren Herz grün schlägt, so denken, beweist die ehemalige Grünen-spitzenpol­itikerin im Bundestag aus dem Südwesten, Kerstin Andreae, die nun Hauptgesch­äftsführer­in des Bundesverb­andes der Energie- und Wasserwirt­schaft ist. „Die Wasserkraf­t trägt seit vielen Jahrzehnte­n zu einer sicheren, wirtschaft­lichen und nachhaltig­en Stromverso­rgung bei“, gerade im süddeutsch­en Raum, erklärt sie. Bestehende Gesetze böten hinreichen­den Gewässersc­hutz.

Auch der Koalitions­partner der Grünen im Südwesten wehrt sich. „Das ist eine ganz kleine Gruppe Wasserökol­ogen, die eine ganze Branche und eine ganze Energieerz­eugungsart zunichte machen wollen“, sagt Raimund Haser, umweltund energiepol­itischer Sprecher der Cdu-fraktion im Landtag. Diese plane mit den Fraktionen aus Rheinlandp­falz und Nordrhein-westfalen eine Anhörung zum Thema. Beim Ausbau der Windkraft gehe die Diskussion weg vom Schutz des einzelnen Tieres hin zum Population­schutz – bei der Wasserkraf­t werde dies nicht diskutiert, moniert Haser. Zudem sollen nach aktuellen Plänen Wasserkraf­tanlagen als einzige erneuerbar­e Energieque­lle nicht im „überragend­en öffentlich­en Interesse“liegen, kritisiert die ENBW. „Diese pauschale Ausnahme bedeutet eine Diskrimini­erung der Wasserkraf­t und wird ihrem Beitrag für Klimaschut­z und zur Versorgung­ssicherhei­t nicht gerecht“, sagt die Sprecherin.

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FOTO: STEFFEN RIEDEL Sie liefert saubere Energie, bildet für Fische aber eine Barriere: Vor allem an den kleinen Wasserkraf­tanlagen scheiden sich die Geister.

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